Lebenswerk sucht Nachfolge

Hofübergabe als bäuerliche und agrarpolitische Aufgabe bewusst wahrnehmen

Ein Lebenswerk wird in andere Hände übergeben, die gleichzeitig ein eigenes entstehen lassen möchten. Egal ob bei inner- oder außerfamiliärer Hofnachfolge gilt es dabei zu prüfen, ob und wie die jeweiligen Vorstellungen zusammenzubringen sind. Aktuell ist ein gelingender Generationswechsel sogar zum herausgehobenen agrarpolitischen Aufgabenfeld erklärt worden. Mit Blick auf die zukünftige EU-Agrarpolitik hat Agrarkommissar Phil Hogan dieses Thema als einen von drei Schwerpunkten benannt. Gezielte Maßnahmen sollen den Einstieg und die Niederlassung von Junglandwirten erleichtern. Dabei ist der so genannte Strukturwandel stets Teil der politischen Lenkung hin zu stärkerer Rationalisierung. Nicht nur die deutsche Bundesstatistik protokolliert nüchtern, wie die Anzahl der Betriebe stetig abnimmt. Dieser Entwicklung möchte das junge Tagungsteam des Kontaktforums Hofübergabe etwas entgegensetzen. Zum zweiten Mal boten sie einen Rahmen für Gespräche zwischen Hofsuchenden und -abgebenden, die sich eine außerfamiliäre Nachfolge vorstellen können. „Wir haben enorme Bauchschmerzen mit dem Verlust der Höfe“, so Benjamin Volz. „Ist ein Betrieb einmal weg, ist es sehr unwahrscheinlich, dass er wieder neu belebt wird. Wir wollen einen Raum bieten, sich auszutauschen über Wünsche und Sorgen, und so dazu beitragen, dass Menschen befähigt werden, damit Hofübergaben klappen.“ Veranstalter waren das Öko-Junglandwirte Netzwerk und die Stiftung Ökologie & Landbau – eingeladen waren ausdrücklich auch konventionell Orientierte. Rund 50 Hofsuchende und Hofabgebende nahmen teil an diesem Wochenende vom 10. bis 12. Februar in Fulda.
Persönliche Geschichten Für eine Bäuerin ist der Übergabezeitpunkt noch lange hin. Sie steht mitten im Berufsleben, will sich aber schon früh informieren, was für eine Übergabe eine Rolle spielt, wer sich für Höfe interessiert und sich über eigene Vorstellungen klarer werden. Von einem Bauernpaar möchte er schon vor dem Rentenalter aus dem Betrieb aussteigen, Neues ausprobieren – seine Frau muss sich an diesen Gedanken erst gewöhnen, den Hof möchte sie weiterführen. Beide überlegen, was die jeweils eigenen Wünsche sind und wie Veränderungen für diese Konstellation aussehen können: z. B. jemanden mit in den Betrieb aufzunehmen, den Hof jedoch weiter in der Familie zu erhalten und dabei allen gerecht zu werden. Eine andere Bäuerin sieht den Stillstand des Hofübergabeprozesses innerhalb ihrer Familie; bisher endeten alle Versuche in Streit und schweigender Distanz. „Wie soll es nur weitergehen?“, fragt sie sich und ist überzeugt: „Wenn wir es nicht schaffen zu reden und Dinge zu regeln, dann ist irgendwann Schluss und der Betrieb läuft aus.“ Ein Bauer fragt sich, ob sein kleiner Betrieb überhaupt lohnenswert für Nachfolger wäre. Von der anderen Perspektive her beschäftigen ein hofsuchendes Paar die Erfahrungen mit einem nicht gelungenen gleitenden Einstieg in eine Hofgemeinschaft. „Wir haben alles mitgemacht, Aufgaben übernommen, es war eine arbeitsintensive Zeit, z. B. mit Stallneubau – aber dabei haben wir die Auseinandersetzung mit unseren eigenen Vorstellungen und dem Miteinander nicht geführt. Das ließ sich nicht mehr aufholen. Wir haben unseren Platz, unsere Eigenständigkeit nicht gefunden.“ In einer definierten Übergangszeit zunächst mitzumachen, so wie es auf dem Hof üblich ist, ist durchaus sinnvoll nach Erfahrung von zwei Jungbauern, von denen der eine sich im Übergabeprozess befindet, der andere schon seit mehreren Jahren eigenständig ist. Sie entwickelten eine eigene Haltung zu den Abläufen. An den Stellen, wo sie den Wunsch verspürten, etwas zu verändern, bezogen sie vor einer eigenverantwortlichen Entscheidung die Abgebenden respektvoll mit ein und fragten nach bisherigen Gründen oder neuen Ideen. So werde der Erfahrungsschatz genutzt und die Menschen haben das Gefühl gehört zu werden. Einander verstehen lernen Hilfreich für das gegenseitige Verständnis kann eine Übung zum Perspektivwechsel sein. Die Hofabgebenden sammelten, welche Wünsche oder Sorgen wohl die Hofübernehmenden haben – und andersherum. Im anschließenden gemeinsamen Gespräch zeigte sich, wo es schwer fällt, mit den Wünschen der anderen umzugehen. So sahen die Hofabgebenden den berechtigten Wunsch der Hofsuchenden, eigene Entscheidungen treffen und auch Fehler dabei machen zu können – empfanden diesen Punkt jedoch aus ihrer Sicht als mit am schwersten zuzulassen und auszuhalten. Die Hofsuchenden sehen sich in der Rolle, die „Richtigen“ sein zu sollen, zum Hof zu passen – doch was genau heißt das? Wie können sie den Ansprüchen genügen und gleichzeitig ihre eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse klar äußern, um sich den Hof wirklich zu eigen zu machen? Eigene Klarheit braucht Austausch Schon im Eröffnungsvortrag des Kontaktforums hatte Hartmut Schneider, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft BAG Familie und Betrieb, als grundlegende Aufgabe im Übergabeprozess herausgehoben, „was selbstverständlich erscheint, ins Bewusstsein zu holen“. Der ländliche Familienberater formulierte drei Fragen, die sich alle beteiligten Familienmitglieder und von außen kommende Betriebsnachfolger stellen sollten: 1. Was will ich? – d. h. über eigene Ziele und Vorstellungen klar werden; 2. Was kann ich? – d. h. Ziele abgleichen mit den eigenen Kompetenzen und Möglichkeiten; 3. Was erlaube ich mir? – d. h. wo und wie weit gehe ich über meine Grenzen, gehe ich ein Risiko ein? Was zunächst jeder für sich beantwortet, muss anschließend besprochen werden, weil sich daraus Möglichkeiten und Grenzen ergeben. Während des Prozesses sollte intensiv externer Rat und Austausch gesucht werden, empfahl Schneider. Sehr wichtig sei das Umfeld aus Freunden und Familie – aber auch die Ansichten und Erfahrungen von Menschen in ähnlichen Lebenssituationen: „Wir müssen Resonanz bekommen zu den eigenen Gedanken, daran kann man sich nicht oft genug erinnern.“
08.03.2017
Von: cw

Vielfältige Begegnungen beim Kontaktforum Hofübergabe in Fulda