Kritik an Mercosur-Abkommen reißt nicht ab
Wenn sich heute, Montag, in Brüssel die EU-Agrarminister treffen, dann steht auch das Mercosur-Abkommen auf der Tagesordnung. Und die Kritik an diesem Abkommen reißt nicht ab. In Irland ist im dortigen Parlament ein Antrag gegen das Abkommen mit Mehrheit angenommen worden. Einen Tag zuvor fand in Irlands Hauptstadt Dublin vor dem Parlamentsgebäude gegen das Abkommen eine der größten Demonstration der letzten Jahre überhaupt statt, die von der Organisation „beef plan movement“ organsiert worden war. Und in Brüssel protestierte die belgische Bauernorganisation FUGEA (Fédération unie des groupements des éleveurs et agriculteurs) gegen das Abkommen.
„Beef plan movement“ in Irland ist eine Bewegung und ein Plan von Bauern für Bauern, deren Ziele unter anderem die Wiedererlangung der Kontrolle über ihre Erzeugnisse über die gesamte Wertschöpfungskette, von der Erzeugung bis in den Lebensmittelhandel, bei den Preisen eine Rückkehr zu einer Orientierung an den Herstellungskosten sowie die Wiedererlangung von Respekt ihnen gegenüber in der Rindfleischindustrie sind – „bevor es zu spät ist“. Sie sehen sich durch Rindfleisch aus den Mercosur-Staaten in ihrer Existenz bedroht, da sie unter den in Irland wie auch in der EU gültigen Standards bei den Preisen nicht mithalten können. An dem Protest in Dublin nahmen auch Mitglieder der Milchviehhalter/Irish Creamery Milk Suppliers 'Association (ICMSA), der Irish Cattle and Sheep Farmers' Association (ICSA), der Irish Countrywomen's Association (ICA) sowie der Irish Farmers 'Association ( IFA) teil.
Die Entscheidung im irischen Parlament ist für die dortige Minderheitsregierung nicht bindend. Die Gegner des Mercosur-Abkommens fordern jedoch, dass die Regierung die demokratische Entscheidung respektiert und entsprechend umsetzt. Der Ministerpräsident hat laut Medienberichten angekündigt, sich das Abkommen genau ansehen zu wollen und Regelungen nicht zuzustimmen, die die irische Landwirtschaft ernsthaft gefährden.
Die von der Bauernorganisation FUGEA in Brüssel organisierte Demonstration wurde unter anderem von der internationalen Bauernbewegung La Via Campesina, deren Mitglied FUGEA ist und deren Mitglied aus Deutschland die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ist, von Klimaaktivisten sowie Mitgliedern des European Milk Board (EMB) unterstützt.
Für den EMB-Präsidenten und belgischen Milchbauern Erwin Schöpges stehen neben dem Rindfleischsektor insbesondere Probleme für den Milchsektor im Fokus. „Für die MilcherzeugerInnen der EU, die seit Jahren mit konstruktiven Konzepten darauf hinarbeiten, den Sektor zu stabilisieren, bedeutet dieses Handelsabkommen ein Rückschlag“, so Schöpges. So führe die Quote von 99.000 Tonnen Rindfleisch für Exporte aus den südamerikanischen Ländern dazu, dass die Rindfleischpreise in der EU stark sinken und Teile der einheimischen Fleischproduktionen verdrängt werden könnten. Aufgrund der beschlossenen Senkung der Mercosur-Exportzölle auf Soja und damit der Verbilligung dieses Futtermittels müsse man zudem laut Schöpges erwarten, dass die schädliche Überproduktion im Milchsektor noch verstärkt werde. Neben den Bedenken für den EU-Agrarsektor müsse man auch die Situation für die südamerikanischen Bäuerinnen und Bauern im Blick haben: „Das Abkommen sieht Zollsenkungen für Milchprodukte aus der EU vor. Damit riskiert man sinkende Milchpreise für die südamerikanische Landwirtschaft.“
Besorgniserregend sei zudem, dass sich die Agrarprodukte, die nun vermehrt zu uns nach Europa kommen werden, bezüglich der Standards und Produktionsanforderungen von den EU-Erzeugnissen unterscheiden. „Dadurch sind unsere Milchbäuerinnen und –bauern mit einer Wettbewerbsverzerrung konfrontiert“, erläutert Schöpges diese Problematik des Abkommens. „Und es ist auch sehr fraglich, ob die Standards, die im Abkommen zugesichert werden, überhaupt eingehalten werden“, ergänzt der EMB-Präsident.
Aber auch über den landwirtschaftlichen Sektor hinaus sieht das EMB Kritikpunkte am Abkommen der EU. „Der Umgang Brasiliens, dem wirtschaftlich stärksten Mercosur-Staat, mit Menschenrechten ist aktuell sehr bedenklich. Und auch seine Entscheidungen im Umweltbereich, wie beispielsweise verstärkte Rodungen des Regenwaldes, sehen wir als problematisch an“, so Schöpges.
Wie Erwin Schöpges jedoch unterstreicht, spricht sich das EMB nicht per se gegen Handelsbeziehungen aus, denn diese seien sehr wichtig. „Aber sie müssen fair gestaltet sein. Wirkliche soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit sollte daher bei den Verhandlungen zu Handelsabkommen immer eine zentrale Rolle spielen. Diesen Anforderungen wird das Mercosur-Abkommen jedoch leider nicht gerecht.“