Kommentar: Wir sehen uns in Berlin!

Es ist mittlerweile die 8. „Wir haben es satt“ Demonstration, zu der die AbL gemeinsam mit zahlreichen anderen Verbände aufruft. Die Demo 2017 war im Jahr der Bundestagswahl als sehr wichtig erachtet worden, aber für 2018 war nicht immer klar, welches Format der Protest anlässlich des Ministertreffens zur Grünen Woche haben soll. Jetzt ist sie wichtiger denn je geworden, denn es ist unwahrscheinlich, dass bis zum 20. Januar eine neue Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen haben wird. Dabei hat es Hoffnungen gemacht, was in den geplatzten Jamaika Verhandlungen im Bereich Landwirtschaft sondiert worden ist. Viele, von uns geforderten Punkte waren Bestandteil der Papiere. Sie waren es nur, weil wir immer wieder für eine bäuerliche, tiergerechtere und ökologischere Landwirtschaft streiten, deren Leistung von Politik und Gesellschaft auch honoriert werden. Aber so sehr die Diskussionen in der Politik, in der Wissenschaft und in der Gesellschaft auch Hoffnung machen, stecken wir noch in vielen Bereichen im alten System, und es gibt viele Bestrebungen, es auch so zu lassen. In Niedersachsen, dem Bundesland mit den meisten Hühnern und Schweinen, hat der bisherige Landwirtschaftsminister versucht, den von seinem Vorgänger übernommenen bundeswei ersten Tierschutzplan mit finanziellen Anreizen für die Tierhalter voran zu bringen. So werden Prämien für intakte Ringelschwänze bei den Schweinen und Ferkeln bezahlt, das freie Abferkeln von Muttersauen wird ebenso honoriert wie der Verzicht des Schnabelkupierens bei den Hühnern. Viele konventionelle Betriebe haben sich auf den Weg gemacht, um zu schauen, wie sie ihre Ställe so gestalten können, dass sie die Bedingungen einhalten. Es ist eine Blaupause für alle Bundesländer. Allerdings kündigt die neue niedersächsische Landwirtschaftsministerin in einem Interview an, den Tierschutzplan ihres Parteikollegen erst einmal pausieren zu lassen, und bei den Förderungen die Frage zu stellen, inwieweit sie denn dem Tierwohl dienen. Zur Ermutigung der Landwirte, sich in Richtung Tierschutz zu bewegen, tragen solche Kehrtwenden nicht bei, zumal viele von ihnen aufzeigen, wie es gehen kann. Vor einem Jahr hat der Bundeslandwirtschaftsminister angekündigt, ein staatliches Tierwohllabel in Deutschland einzuführen, was in einer verbindlichen Haltungskennzeichnung münden soll, ähnlich wie bei den Eiern. Zwar sind seit ein paar Monaten Kriterien veröffentlicht. Wie und wann das Label umgesetzt werden soll, ist allerdings immer noch unklar. Eine von uns seit 25 Jahren an den Pranger gestellte Ungerechtigkeit, nämlich, dass 80 % der EU Direktzahlungen an 20 % der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU gehen, scheint in Ansätzen Gehör im Landwirtschaftsministerium zu finden. So wird im Grünbuch des Bundeslandwirtschaftsministers angeregt, kleine und mittlere Betriebe besser zu unterstützen. Leider wird von dieser Möglichkeit, die es jetzt schon in Deutschland gibt, nämlich Gelder zugunsten der kleinen Betriebe umzuschichten, kaum Gebrauch gemacht. Unsere Landwirtschaft ist in den letzten 30 Jahren in die Richtung beraten worden, immer größer und damit produktiver zu werden. Dies hat nicht nur zu vielen Betriebsaufgaben geführt, es geht damit auch ein enormer Artenschwund einher und ein Verlust von Akzeptanz in der Bevölkerung. Um wieder eine gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft zu bekommen, wird es nicht reichen, den Verbrauchern zu erklären, was man da macht. Es muss sich was ändern, um Artenschwund, belastetes Trinkwasser und eine nicht artgerechte Nutztierhaltung zu stoppen. Es wird sehr stark von uns abhängen, ob diese Veränderungen von einer neuen Bundesregierung angepackt werden, sie im Koalitionsvertrag mit aufgenommen werden. Wichtig dabei ist, dass wir zeigen, dass Bauern und Gesellschaft gemeinsam für eine andere Agrarpolitik stehen. Wir sehen uns alle in Berlin!
02.01.2018
Von: Martin Schulz, AbL-Bundesvorsitzender, ein Kommentar

Martin Schulz, AbL-Bundesvorsitzender