JEFTA: Meilenstein im Ausverkauf der bäuerlichen Landwirtschaft
Die Europäische Union (EU) und Japan haben am 17. Juli in Tokio das bisher größte Freihandelsabkommen JEFTA (Japan-EU Free Trade Agreement; offiziell: Economic Partnership Agreement - EPA) unterzeichnet. Die EU und Japan stellen zusammen ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung und weisen ein jährliches Handelsvolumen von fast 130 Milliarden Euro auf, das mit JEFTA um weitere 20 Milliarden steigen soll. Verkündet werden der Wegfall von über 90 Prozent der Zölle zwischen der EU und Japan und rosige Zeiten für die Exportwirtschaft. Insbesondere die Pharma- und Medizinbranche, Lebensmittel landwirtschaftlicher Herkunft, Fahrzeuge und Transportausrüster sollen von dem Abkommen profitieren. "Eine gute Nachricht für die Landwirtschaft in der EU", verkündet EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker laut agrarheute bei der Unterzeichnung des Vertrages zusammen mit Japans Premierminister Shinzo Abe und EU-Ratspräsident Donald Tusk.
„Aus der Sicht von uns Bauern und Bäuerinnen ist dieses Abkommen abzulehnen“, sagt demgegenüber Johann Kriechbaum, Milchbauer aus Oberösterreich und Obmann der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung (ÖBV Via Campesina Austria). Und „einen weiteren Meilenstein im Ausverkauf der bäuerlichen Landwirtschaft hier und auch in Japan“ sieht Elisabeth Waizenegger, Milchbäuerin im Allgäu und im Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), in dem Abkommen. “Unsere Höfe, allen voran in der Milch- und Fleischerzeugung, schlittern von einer Preiskrise in die nächste“, so Waizenegger in einer gemeinsamen Erklärung mit der ÖBV und der japanischen Bauernorganisation Nouminren.
Ursache sei die politisch einkalkulierte Überschussproduktion. „Dadurch sollen unsere Bauernhöfe auf Kostenreduzierung getrimmt werden, damit die verarbeitende Nahrungsmittelindustrie am Weltmarkt expandieren kann“, erklärt Waizenegger. Exportorientierte Molkereien und Schlachtunternehmen profitierten von diesem Geschäft, aber das Höfesterben werde dadurch angeheizt. „Mit JEFTA sollen für die europäische Milch- und Fleischindustrie die lukrativen Märkte in Japan geöffnet werden, in unserem Sinne ist das nicht“, so Kriechbaum.
In Japan treffen Dumpingexporte eine besonders kleinstrukturierte Landwirtschaft. „JEFTA wird unseren Milchmarkt und auch andere landwirtschaftliche Sektoren weiter liberalisieren. Das trifft unsere bäuerlichen Strukturen besonders schmerzlich“, sagt Yoshio Sasawatari, Vorsitzender der japanischen Bauernorganisation Nouminren. „Die steigenden Agrarimporte aus Europa bedrohen unsere Bauernhöfe.“
„Darüber hinaus ist im JEFTA-Abkommen das Vorsorgeprinzip nach EU-Recht nicht abgesichert. Diese Leerstelle geht auf Kosten von Umwelt, Gesundheit und Sicherheit der Lebensmittel.“ so Kriechbaum abschließend. Im Gegensatz zu JEFTA befürworten die AbL und die ÖBV einen Welthandel unter fairen Bedingungen mit hochpreisigen Qualitätsprodukten, die eine Wertschöpfung für die Bauernhöfe ermöglichen und in anderen Ländern keinen Schaden anrichten.
„Die streng geschützte und sehr kleinteilige japanische Landwirtschaft darf nicht auf dem Altar des Freihandels geopfert werden. Japan hat ganz besonders hohe Vorstellungen von Qualität bei Lebensmitteln und ein tief verwurzeltes Kulturverhältnis und eine außerordentliche Wertschätzung gegenüber seiner Landwirtschaft, ganz besonders für den ökologischen Landbau“, erklärt der Sprecher für Agrarpolitik der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen Friedrich Ostendorff. Das gehe weit über das europäische Vorstellungsvermögen hinaus.
Das neue Freihandelsabkommen gefährde dieses wertvolle, traditionelle Kulturgut. „Wieder zählen nur rein wirtschaftliche Argumente. Deutschland braucht Abnehmer für seine Industrieschweine – reine Dumpingware für den Weltmarkt. Japan erhofft sich besseren Zugang zum europäischen Automarkt. Weder Tier noch Menschen spielen eine Rolle. Die bäuerliche Kultur, sowohl in Japan, als auch hier in Deutschland kommt im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder“, so Ostendorff.
Ein „abgekartetes Spiel zwischen Konzernlobbyisten und EU-Kommission“ sieht die Organisation LobbyControl in dem JEFTA-Abkommen und bezieht sich dabei auf das Ergebnis einer Auswertung interner Dokumente der EU-Kommission bezüglich Lobbyaktivitäten im Rahmen der JEFTA-Verhandlungen zwischen Januar 2014 und Januar 2017 durch ihre Partnerorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) gemeinsam mit der Arbeiterkammer Österreich. Die Ergebnisse sprechen laut LobbyControl eine deutliche Sprache: 89 Prozent der Treffen fanden mit Lobbyisten der Großkonzerne statt, kleine und mittlere Unternehmen sowie Gewerkschaften spielten überhaupt keine Rolle. Die Zivilgesellschaft hatte gerade mal einen Anteil von vier Prozent an den Treffen. Von den 213 Treffen mit Lobbyisten hinter verschlossenen Türen in dem genannten Zeitraum fanden 190 mit Vertretern von großen Konzernen statt. Ähnlich wie bei den TTIP-Verhandlungen spielten sektorenübergreifende Verbände, wie der größte europäische Arbeitgeberverband BusinessEurope, die bedeutendste Rolle beim Lobbying zu JEFTA. Danach folgten die weltweit agierenden Agrar- und Lebensmittelkonzerne vor der Automobilindustrie mit ihrem europäischen Dachverband ACEA oder dem US-Autobauer Ford.