Good Food – Good Farming!

Mut zur Sache - durch den Magen zu den Herzen

Europa steht an einem Abgrund. Das spüren in diesen Tagen viele und starren dabei wie Kaninchen auf die Euro-Schlange und deren BeschwörerInnen. Mit flauem Gefühl im Bauch hoffen wir auf irgendein gutes Ende, einen Trick vielleicht, der dem Spuk ein Ende macht. Sollten wir uns nicht noch viel mehr Sorgen machen um den Bestand der Bienen und die Erosion des Bodens, der uns ernährt, um das Bauernsterben und den Untergang unserer Kulturlandschaften? Sollten wir den mörderischen Leichtsinn, Nutztieren doppelt so viel Antibiotika zu füttern, wie die Humanmedizin braucht, nicht als fatales Menetekel unseres Gesundheitssystems verstehen; auch die Explosion von Allergien und Verfettung unserer Kinder?  Wie wird die Europäische Union den Raubbau, die Naturzerstörung, die verpassten Klima-Chancen je wieder ausgleichen, die sie sich anschickt, mit der Agrarpolitik der nächsten sieben Jahre anzurichten? 2013 kommt es zum Schwur. Die Agrarreform geht in die Zielgerade. Die Agrarminister pflügen sich Stück für Stück durch die Vorschläge der EU-Kommission, die ja bekanntlich schwach genug waren. Noch behält jede/r sein Pokerface. So sind sie es gewohnt: Es geht in erster Linie darum, wie viele Subventionsmilliarden sie „nach Hause“ bringen. Nur ja nicht mehr abgeben als nötig und auf keinen Fall ein Zugeständnis ohne Gegenleistung machen – schon gar nicht an die Umwelt! Der Agrarausschuss des Europäischen Parlamentes hatte seine Stellungnahme monatelang verschleppt. Erst wolle man wissen wie viel Geld es überhaupt gibt, meinten die dort versammelten Agrarier aller Länder und Fraktionen. Sie setzten bewusst auf maximalen Zeitdruck am Ende, um damit zu begründen, weshalb sie sich zuerst mit den Agrarministern einigen und erst danach den fertigen Kuhhandel dem Plenum des Parlamentes zur Abstimmung vorlegen. Der Trick ging zwar nach heftigen Protesten daneben. Doch die „Kompromissvorschläge“ des Ausschusses, die jetzt durchgesickert sind und im Januar abgestimmt werden sollen, schreien nach einem Aufstand aller Gutwilligen. Seit wann ist es die Rolle des Europäischen Parlamentes, den Reformwillen der EU Kommission noch weiter zu bremsen, zu verwässern und zu verhindern? Als im November erste Sparvorschläge für den EU-Haushalt einschließlich der Landwirtschaft bekannt wurden, ließ man in Brüssel und Berlin schon mal die Katze aus dem Sack: „No money – no Greening“ lautete prompt die Parole des Bauernverbandes und seiner Abgeordneten. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: „No Greening – no money!“ Zusätzliche ökologische Leistungen muss die Gesellschaft finanzieren. Das „Modell Ruckwied“ kann sie getrost sich selbst überlassen. Die alte „wachse oder weiche“ Rationalisierung der Landwirtschaft, Monokulturen, Tierfabriken, die Verbiogasung der Landschaft muß der Markt schon allein umsetzen, falls sich dafür tatsächlich politische Mehrheiten finden sollten. Damit das nicht geschieht, müssen wir jetzt gemeinsam auf die Strasse gehen und zeigen, dass die Mehrheit kein „Weiter wie bisher“ in der Landwirtschaft mehr akzeptiert. Niemand will mehr die weitere Industrialisierung der Landwirtschaft, ausser ein paar Unternehmen und Funktionären. Doch wer gebietet  ihr Einhalt? Wer macht die Alternativen so attraktiv, dass Steuerzahlerinnen und Verbraucher sich dafür einsetzen? Das ist leider nötig. Gegen die hohen Kosten der Zerstörung können wir uns, ist sie erst einmal angerichtet, nicht wehren. Die deutlich niedrigeren Vorsorgekosten ihrer Vermeidung dagegen lassen sich noch etwas hinausschieben, bis es zu spät ist. Das macht den Raubbau immer wieder zum Gewinner auf einem wirtschaftlichen und politischen Markt, der kurzfristige Gewinne statt nachhaltiger Entwicklung begünstigt. Unsere Chancen standen selten besser als heute. Unter dem Motto „Good Food Good Farming“ formiert sich derzeit in ganz Europa eine junge Bewegung in Stadt und Land, die mit frischem Mut zur Sache geht und dabei durch den Magen und auch zu Herzen. Einige ihrer Gesichter und Forderungen aus allen Regionen, Schichten und Generationen Europas sehen Sie in dieser Ausgabe. Zehntausende treffen Sie am 19. Januar in Berlin bei der großen Demonstration „Wir haben es satt!“. Das ist erst der Anfang. Wir wollen mit allen EU-Abgeordneten sprechen und sie besuchen bis März 2013, wenn das Plenum des EU-Parlamentes letztmals die Chance hat, Fruchtfolge und ökologische Vorrangflächen, den Erhalt von Grünland und eine gerechtere Verteilung der Mittel zwischen grossen und kleinen Landwirten durchzusetzen. Eine Antwort akzeptieren wir dabei nicht: „Da fragen Sie bitte unseren Agrarexperten“. Dafür wie sich unser Essen auf die Natur auswirkt, wohin vierzig Prozent des EU-Haushaltes fließen, ob unsere Agrarpolitik Hunger und Elend auf der Welt befördert oder bekämpft, sind wir bitteschön alle zusammen verantwortlich! Die Agrarpolitiker allein können es nicht. Das haben sie bewiesen. Good Food – Good Farming können wir nur gemeinsam. Schmeckt gut übrigens.
01.01.2013
Von: Zukunftsstiftung Landwirtschaft, Benny Haerlin