Fair gehandelt – gut behandelt
Vielleicht sind es die Aktionen von NGO’s, vielleicht tragen die großen Demonstrationen in Berlin dazu bei, vielleicht ist es die Erkenntnis einer gesellschaftlichen Mitverantwortung oder vielleicht geht es doch nur darum, sich gegenüber den Mitbewerbern im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) Vorteile zu verschaffen: In einzelnen, wenn auch noch kleinen Marktsegmenten findet bei Discountern und Filialisten ein Umdenken in der Unternehmenskultur statt. Die Nachhaltigkeitsabteilungen in der Branche wandeln sich von Alibieinrichtungen zu immer einflussreicheren Bereichen des Managements. Dabei greifen sie zunehmend auf bestehende Erzeugungsstrukturen einer an Nachhaltigkeit und Artgerechtigkeit orientierten Landwirtschaft zurück, die bereits seit Jahrzehnten entwickelt wurden. Für die beteiligten Bäuerinnen und Bauern bietet sich hier die Chance, nicht nur auf breiterer Ebene ihre Erzeugnisse zu vermarkten, sondern als Marktpartner auch ein größeres Mitspracherecht einzufordern, um diese elende Existenz als Ablieferer zu überwinden. Die Qualität wird von Bäuerinnen und Bauern erzeugt. Die anderen Marktpartner verteilen sie nur. Es war ein weiter Weg für „Neuland“, die Absatzwege auszuweiten und dabei die Marke mit ihren Richtlinien und Ansprüchen ohne Wenn und Aber zu erhalten. In der Verbindung mit Aldi ist das gelungen. Unter der Überschrift „Es ist höchste Zeit, dass es Neuland-Fleisch bei Aldi gibt“, schreibt der Berliner Tagesspiegel über die Sorge, dass bäuerliche Strukturen auf diesem Weg verloren gehen könnten. Er betont jedoch: „Vielmehr muss diese Infrastruktur offensiv vermarktet und auch im Zusammenspiel mit Aldi, Lidl und Co beibehalten werden.“
Reichlich Stroh
Neben „Neuland“ hat Aldi eine Eigenmarke etabliert. Sie heißt „Fair und Gut“ und wirbt mit dem Slogan: „fair gehandelt -gut - behandelt“. Im Bereich Schwein betrifft dieses Segment Erzeuger im bislang konventionellen Bereich, die zum Teil „Pig Port“- also Frischluft- Ställe haben und zu bislang üblichen Bedingungen ihre Tiere vermarkten mussten, und Betriebe, die durch Um- und Ausbauten notwendige Haltungsvoraussetzungen mit reichlich Stroheinstreu geschaffen haben. Sie müssen den Tieren doppelt so viel Platz, Außenklima, getrennte Funktionsbereiche in den Buchten und Wühlmaterial anbieten. Derzeit wird für die Lieferbetriebe die Ferkelerzeugung mit Langschwänzen und gentechnikfreiem Futter aufgebaut. Besonders für Mastbetriebe besteht eine lange Warteliste. Mit dem Wissen, dass „die derzeitigen Haltungsbedingungen nicht zukunftsfähig sind“, sind viel Betriebe bereit, sich auf den Weg zu machen. Insbesondere dann, wenn der Absatz gesichert ist und die höheren Aufwendungen entlohnt werden. Erzeugnisse von „Neuland“ und „Fair und Gut“ werden in getrennten Märkten und Regionen angeboten. In Berliner Aldi-Märkten wird z.B. „Neuland“ nicht im Discount geführt.
Mitgliederbeteiligung
Die Lieferbetriebe haben zusammen eine Erzeugergemeinschaft gegründet. Auf Vorstandsebene ist auch „Neuland“ vertreten, um einerseits gemeinsame Interessen gegenüber den Marktpartnern zu wahren, aber auch um eigene Marktstrategien durchzusetzen. Diese Erzeugergemeinschaft ist an allen Entscheidungsprozessen beteiligt. Den Mitgliedern dieser Gemeinschaft ist bewusst, dass sie mit ihrer Erzeugung die Grundlage des Projektes sind. Die zweite Grundlage sind die Kunden, die mit ihren Kaufentscheidungen zum Gelingen dieses Vorhabens beitragen müssen. Und da ist noch einiges zu beweisen. Die Erzeugergemeinschaft arbeitet engt mit den Vertretern von Aldi und den Entscheidungsträgern der Firma Tönnies zusammen. Freilich werden unabhängige Kontrollsysteme einbezogen, um die Umsetzung der vereinbarten Richtlinien sicher zu gewährleisten. Die Zuverlässigkeit im Zusammenwirken aller Partner wird jedoch auch maßgeblich dadurch bestimmt, dass über vertragliche Bindungen hinaus ein Vertrauensverhältnis entsteht. Bislang ist es so groß, dass Aldi auf weitere Qualitätsgarantien durch Packungsaufkleber von Umwelt- und Tierschutzorganisationen und auf damit u.U. verbundene Zahlungen verzichtet.
Langer Löffelstiel
Über den Ruf der Geschäftspartner ist in den vergangenen Wochen hinlänglich geschrieben worden. Die beteiligten Bauern wissen, dass man einen langen Löffelstiel braucht, um mit ihnen aus einem Napf zu essen. Der Löffelstiel ist aber so lang, dass er als Maßstab für zukünftige Projekte dienen kann, die sich zwischen LEH und Landwirtschaft sicherlich entwickeln werden. Dazu zählen langfristige Verträge, durch die Investionen in Stallumbauten erst möglich werden, Preise kalkuliert von den Kosten der Schweinehalter aus, eine Ganztiervermarktung und ein kontinuierlicher Austausch. „Hofglück“ in Baden-Württemberg hatte zuvor schon in der Verbindung mit Edeka Süd-West eine hohe Messlatte hingelegt, „Neuland“ sowieso.
Für diejenigen, die das Vermarktungskonzept mit Aldi mitgestaltet haben, waren Zielsetzungen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ein wesentlicher Teil ihrer Bemühungen, und sie weisen über eine enge Mitgliedschaft hinaus in weite Bereiche einer bäuerlichen verfassten Landwirtschaft.