Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit für Verbesserungen des Tierwohls bei der Haltung von Kälbern und Hühnern

Im Rahmen der laufenden Überarbeitung der Tierschutzgesetzgebung der Europäischen Union hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ein Gutachten zur Bewertung der Richtlinie für die Kälberhaltung in Europa veröffentlicht und in einem anderen Vorgang Empfehlungen für die Haltung von Masthühnern und Legehennen vorgestellt. Tierschutzorganisationen sehen sich mit den Veröffentlichungen in ihrer Kritik an den bestehenden Haltungssystemen bestätigt.

Zur Kälberhaltung heißt es mit Blick auf ein entsprechendes wissenschaftliches Gutachten der EFSA: Mastkälber sollten in den ersten Lebenswochen in kleinen Gruppen untergebracht werden. Um das Tierwohl zu verbessern, sollte außerdem die Nutzung von Einzelboxen vermieden werden. Kälber benötigen zudem ausreichend Platz zum Ausruhen und Spielen sowie Zugang zu bequemer Einstreu. Die Wissenschaftler der EFSA erklären, dass langgeschnittenes ballaststoffreiches Futter wie Heu Kälbern ab einem Alter von zwei Wochen zur Verfügung gestellt und die Futtermenge im Laufe der Zeit schrittweise erhöht werden sollte. Die Aufnahme großer Ballaststoffmengen sei erforderlich, damit die Tiere ausreichend wiederkäuen können und ihr Eisenbedarf gedeckt ist.
Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigten, dass Kälber mit begrenztem Kontakt zum Muttertier häufig unter Isolationsstress leiden und nicht säugen können. Um ihr Wohlbefinden zu verbessern, sollten die Jungtiere mindestens einen Tag lang zusammen mit dem Muttertier gehalten werden, wobei ein längerer Kontakt aufgrund der Vorteile hinsichtlich des Tierwohls sowohl für das Kalb als auch für die Kuh empfohlen wird.

PROVIEH: Verhaltensgerechte Unterbringung endlich umsetzen

„Vollumfänglich bestätigt“ durch die EFSA-Äußerungen sieht sich die Tierschutzorganisation PROVIEH in den von ihr angeprangerten unzulänglichen Haltungs- und Fütterungsbedingungen sowie dem unzureichende Gesundheitsmanagement bei Kälbern in der Milchviehhaltung. „Die weitgehend übliche isolierte Haltung neugeborener Kälber in den sogenannten Kälberiglus muss schnellstmöglich verboten werden. Das EU-Gutachten stellt klar, dass die Haltung in Kleingruppen eine Vielzahl an Vorteilen bringt und widerlegt das Vorurteil, dass eine isolierte Aufzucht gesundheitliche Vorteile hat”, zeigt sich Kathrin Kofent, Fachreferentin für Rinder bei PROVIEH über das Gutachten erfreut. “PROVIEH fordert die Politik auf, die vom Tierschutzgesetz geforderte “verhaltensgerechte Unterbringung” endlich umzusetzen und die Haltungsverordnung für Kälber entsprechend anzupassen!”

Mit der Einzelhaltung von Kälbern werden nach Ansicht von PROVIEH jegliche Bedürfnisse der Tiere unterbunden. Die bewegungsfreudigen Kälber werden in eine winzige Box gesperrt, sie haben keinen Kontakt zu Artgenossen und können dementsprechend soziale Interaktionen nicht ausleben. Auch ihr Lern- und Spielverhalten wird in dieser Form der Haltung massiv beschnitten. Die Einzelhaltung ist mit großem vermeidbarem Stress für die Kälber verbunden.
Wie PROVIEH fordert auch die EU-Behörde die mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht und insgesamt mehr gemeinsame Zeit für Kuh und Kalb. Eine unmittelbare Trennung des Kalbes von seiner Mutter bringt zahlreiche Nachteile mit sich. PROVIEH sieht sich durch das EFSA-Papier einmal mehr darin bestärkt, dass die kuhgebundene Kälberhaltung flächendeckend in der Milchviehhaltung etabliert werden sollte.

Die hohe Kälbersterblichkeit auf Milchviehbetrieben von bis zu 15 Prozent in den ersten vier Lebenswochen zeige eindeutig, wie groß der Handlungsbedarf bei Kälbern ist. Neben einer Anpassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung fordert PROVIEH ein umfassendes Maßnahmenpaket zum Schutz der Kälber: Statt der Hochleistungszucht auf Milch sollte eine Zweinutzungszucht die Kälber für eine hochwertige Milch- und Fleischgewinnung nutzbar machen. Und anstelle von Kälber-Exporten ins Ausland sollten Kälber hierzulande artgemäß gemästet und Kälbertransporte minimiert werden. Zeitgleich bedarf es einer ganzheitlichen Gesundheitsstrategie und einer Beendigung des Enthornens. Erst in diesem Zusammenspiel könnten Kälber aus der Milchviehhaltung umfassend geschützt werden

Tierschutzbund: Einige wichtige Punkte fehlen

Die von der EFSA vorgestellten Empfehlungen für Masthühner und Legehennen werden vom Tierschutzbund begrüßt. „Die EFSA stellt mit ihren Papieren die wesentlichen Defizite bei der Haltung und beim Umgang mit Hühnern in der konventionellen Landwirtschaft klar heraus und leitet sinnvolle Verbesserungen ab. So sind deutlich mehr Platz, Beschäftigungsmaterial und Strukturierung sowie ein Außenklimabereich etwa wichtige Punkte, die die Situation für die Tiere erheblich verbessern würden“, sagt Inke Drossé, Leiterin des Referats für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund. „Diese wichtige wissenschaftliche Ausarbeitung darf die Politik bei den anstehenden Novellierungen auf Bundes- und EU-Ebene auf keinen Fall ignorieren!“

Anders als in den aktuell geltenden Verordnungen in Deutschland und der EU sollten Hühner laut EFSA so gehalten werden, dass die Vögel ihr natürliches Verhalten ausleben können. Die Behörde fordert dafür Picksteine, erhöhte Ebenen, Sitzstangen und Rampen und betont die Wichtigkeit einer ständig trockenen Einstreu. Außenklimabereiche und Auslauf werden explizit empfohlen. Außerdem gibt die EFSA konkrete Empfehlungen für Besatzdichten, die endlich auch Regelungen für Elterntiere und Junghennen enthalten. Als besonders positiv begrüßt der Deutsche Tierschutzbund, dass zumindest bei Masthühnern auch die negativen Folgen der Hochleistungszucht klar herausgestellt und langsamer wachsende Zuchtlinien gefordert werden. Für verbesserte Kontrollen empfiehlt die EFSA die Erhebung tierbezogener Kriterien, die auch am Schlachthof erfasst werden sollen und anhand derer sich diverse Haltungs- und Zuchtprobleme verlässlich ablesen lassen. Bislang müssen solche Kriterien wie Lahmheiten, Verschmutzung oder Verhaltensauffälligkeiten nicht kontrolliert werden. Die Experten positionieren sich zudem klar gegen die in anderen Ländern noch immer verbreitete Käfighaltung und gegen Verstümmelungen wie das schmerzhafte Schnabelkürzen, das ebenfalls in anderen EU-Ländern noch praktiziert wird.

Obwohl die Tierschützer die EFSA-Empfehlungen zum Großteil positiv einschätzen, fehlen dem Deutschen Tierschutzbund einige wichtige Punkte: Dass auch Legehennen unter der extremen Zucht leiden und die Eierlegeleistung begrenzt werden sollte, wird nicht klar thematisiert. Außerdem werden die Bruderhähne und ihre Bedürfnisse nur kurz erwähnt. „Insgesamt stellen die Vorschläge dennoch einen großen Schritt in die richtige Richtung dar“, so Drossé. „Die Papiere der EFSA stellen klar, dass bei Masthühnern und Legehennen EU-weit das gesamte Produktionssystem in seiner jetzigen Form höchst problematisch ist und an den Bedürfnissen der Tiere ausgerichtet werden muss, statt sie weiterhin an das System anzupassen!“

05.04.2023
Von: FebL/PM

Die EFSA empfiehlt, zur Verbesserng des Tierwohls auf die Nutzung von Einzelboxen zu verzichten. Foto: FebL