Ermutigung für Menschen im ländlichen Raum

Was würde eine UN-Erklärung der Rechte von Bauern bringen?

Vor gut 15 Jahren entstand in der Menschenrechtsarbeitsgruppe von La Via Campesina die Idee, ein eigenes völkerrechtliches Instrument für den Schutz der Rechte von Kleinbauern zu fordern. Jean Ziegler, der ehemalige UN-Sonderberichterstatter zum Recht auf Nahrung, hat das Thema 2009 in den Beratungsausschuss des Menschenrechtsrates eingebracht. Dort hat es die Unterstützung einiger Staaten gewonnen, vor allem der Regierung von Bolivien. Im Mai 2017 wird die eingerichtete Arbeitsgruppe wieder tagen und ihr liegt ein durch die Vorsitzende, die UN-Botschafterin von Bolivien, überarbeiteter neuer Textentwurf vor. Warum kann es sinnvoll sein, eine UN-Erklärung zum Schutz der Rechte von Kleinbauern und anderer Menschen in ländlichen Regionen zu erarbeiten? Ist die Zielgruppe nicht viel zu heterogen für eine gemeinsame Erklärung? Ländliche Regionen sind weltweit politisch besonders vernachlässigte Regionen. Sie erhalten oft geringe finanzielle Unterstützung und politische Aufmerksamkeit. Hier leben teilweise ethnische Minderheiten oder sozial diskriminierte Gruppen, wie ehemalige Sklaven oder Kastenlose. Ländliche Regionen werden selten technologisch oder kulturell gefördert. Diese jahrzehntelange Vernachlässigung führt zu einer schlechten oder kaum vorhandenen Infra- und Informationsstruktur (Straßen, Kommunikationsinfrastruktur, Energieversorgung, Gesundheitsversorgung, Bildungsinfrastruktur, Wetter-, Markt- und Börsendaten, Agrarberatung und -planung). Kleinbauernfamilien haben oft keinen Zugang zu Land, zu Banken, zu Finanzdienstleistungen und Krediten. Ländlichen Raum stärken Dabei sind ländliche Regionen von besonderer Bedeutung – für die Umsetzung vieler Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf angemessene Nahrung, für die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele, für die Anpassung und Bewältigung des Klimawandels etc. In ländlichen Regionen werden weltweit Nahrungsmittel angebaut, wird über die Zukunft der Böden, der Wasserversorgung, der Artenvielfalt entschieden. Es gibt weltweit ca. 530 Millionen bäuerliche Familien, die mehr als 2,5 Mrd. Menschen umfassen. Es ist und bleibt erstaunlich, dass 80 Prozent aller hungernden Menschen in ländlichen Regionen leben, und dies ist nur mit der Vernachlässigung dieser Regionen erklärbar. Ländliche Regionen sind von enormer Gewalt betroffen, gegen Frauen, durch bewaffnete Gruppen, durch staatliche Repression. Gerade Führerinnen von Kleinbauernorganisationen und Landarbeitergewerkschaften werden oft bedroht, auch getötet. Die Schwäche ländlicher Infrastruktur und der Institutionen in ländlichen Regionen ist zusätzlich relevant gegenüber privaten Investoren. So wichtig diese auch für ländliche Regionen sein und staatliches Handeln ergänzen können, so konfliktiv verlaufen derzeit viele inländische und ausländische Investitionsvorhaben, wenn es keine Einbettung in funktionierende Institutionen für Pachtverhältnisse, für Flächennutzung oder Wassernutzung gibt. Leitschnur in Verfahren Vor diesem Hintergrund könnte eine Erklärung der Vereinten Nationen, die entlang aller Menschenrechte durchbuchstabiert, welche Menschenrechte für Menschen in ländlichen Regionen von besonderer Bedeutung sind und wie sie am besten umgesetzt werden könnten, ein sehr hilfreiches Dokument sein. Sie wäre eine enorme Ermutigung für Menschen in ländlichen Regionen, da ihre Rechte bekräftigt würden. Sie könnte nationalen Parlamentariern eine wichtige Leitschnur für Gesetzgebungsverfahren sein. Sie würde es Menschen in ländlichen Regionen erlauben, auf ihre Rechte hinzuweisen, staatliches Handeln an einer solchen Erklärung zu messen und zu beurteilen. Natürlich würde sie nicht über Nacht die Machtverhältnisse in ländlichen Regionen verbessern, sie wäre aber eine Orientierung für Regierungen, für Investoren und für die Menschen selbst. Große Zustimmung nötig Auch wenn die bolivianische Regierung versuchen möchte, den Text schnell in der UN-Arbeitsgruppe anzunehmen, spricht doch viel dafür, sich mehr Zeit zu nehmen. Viele Industrieländer, hier auch insbesondere Mitglieder der EU, unterstützen die vorliegende Erklärung noch nicht. Auch die Bundesregierung hat noch große Vorbehalte gegenüber verschiedenen Formulierungen des Erklärungsentwurfs. Eine solche Erklärung müsste aber mit einer großen internationalen Zustimmung angenommen werden, um eine Strahlkraft bis in alle Länder zu haben. Sie benötigt einen breiten Konsens der Regierungen, aber auch der verschiedenen Teile der Zivilgesellschaft.
04.04.2017
Von: Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Mensche

Viele Teilnehmer beim internationalen Bauernkongress