Eine Investition in die Zukunft

Rindfleisch ohne Gentechnik

Jörn Sierck ist konventioneller Milchviehhalter mit 70 Kühen auf dem Hof Fuhlreit in Schleswig-Holstein. Seine Milchprodukte erzeugt er schon seit Jahren ohne Gentechnik-Futtermittel, ebenso sein Rindfleisch. 2008 hat sich die Familie entschieden, eine hofeigene Meierei, „Geestfrisch“, aufzubauen und die Produkte selber zu vermarkten. Um das Label „ohne Gentechnik“ verwenden zu können, hat er die Unterstützung des Vereins „Lebensmittel ohne Gentechnik“ (VLOG) gesucht. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch Rindfleisch ohne Gentechnik auf dem Markt gibt“, hatte Alexander Hissting vom VLOG schon vor geraumer Zeit prognostiziert. Nun folgt tatsächlich die entsprechende Marktentwicklung. Auf dem Hof der Siercks ist die Fütterung von Jungvieh und Färsen kein Problem, sie haben Weidegang und höchstens etwas Getreide als Zufutter. Die Milchkühe bekommen neben Gras und Silage auch Kraftfutter aus Raps und Leguminosen, kein Soja. Um auch das Rindfleisch als gentechnikfrei gefüttert deklarieren zu können, muss Sierck die Futterlieferungen per Lieferschein dokumentieren. Auch die Landschlachterei, die die Tiere verarbeitet, gibt eine Erklärung dazu ab, wie sie die Gentechnikfreiheit sicher stellt. Die Produkte vermarkten die Siercks über ihren Hofladen und einen Lieferservice. Der Regional-Aspekt sei seinen Kunden sehr wichtig, so der Bauer, den verbänden sie automatisch mit Gentechnikfreiheit.

Rindfleisch im LEH

Im letzten Jahr begann die Erzeugergemeinschaft Traunstein (EG Traunstein), über eine bessere Vermarktung ihres Rindfleisches nachzudenken. Schon lange liefern ihre Betriebe Milch „ohne Gentechnik“ – u. a. an die Berchtesgadener Molkerei. Diese bietet neben Biomilch seit 2010 auch konventionelle Milch ohne Gentechnik an. Als sinnvoller Zusatznutzen erschien der EG auch die Zertifizierung ihres Rindfleisches als GVO-frei. Einerseits, weil der Hinweis auf „ohne Gentechnik” das Vertrauen der Käufer in ihre Marken erhöhe, andererseits als Zweitverwertung der Kühe, die eh schon gentechnikfreie Milch lieferten, so die Argumentation. Neben der Marke „Alpenrind“ hat die Erzeugergemeinschaft im Frühjahr 2016 eine neue Regionalmarke „Regionalrind Traunstein Miesbach“ entwickelt. Die Tiere müssen drei Viertel ihres Lebens mit gentechnikfreiem Futter gefüttert werden – kein Problem für die Region, die ausreichend eiweißreiches Grünlandfutter und auch Ackerfutter wie Leguminosen und Raps bietet. Schlachthof und Transportunternehmen mussten auditiert werden. Erste Testläufe wurden absolviert und Verhandlungen mit den Vermarktungspartnern geführt. Auf die Frage, ob sie viel Überzeugungsarbeit bei ihren 2.000 Erzeugerbetrieben leisten mussten, erklärte Vorstand Hans Grabner: „Bei den Betrieben, die sowieso gentechnikfreie Milch erzeugen, war es kein Problem. Die anderen Betriebe haben erst mal gerechnet, da die Umstellung des Betriebes mit einem gewissen Aufwand verbunden ist. Aber auch hier ziehen immer mehr Erzeuger mit, schließlich ist mit GVO-freien Schlachtrindern ein guter Mehrerlös am Markt zu erzielen.“ Der Einstieg sind die Altkühe, Weide- und Almrinder werden folgen. Für den Mehraufwand zahlt die EG einen Aufschlag. Wichtig sei ihnen, dass die Landwirte davon profitierten. Für das „Regionalrind“ suchen sie noch mehr regionale Absatzpartner, neben Metzgereien, Gastronomie, Kantinen auch den regionalen Lebensmitteleinzelhandel. Für das „Alpenrind“-Fleisch haben sie überregionale und internationale Abnehmer. „Einer der Marktpartner war bereit, Hack ohne Gentechnik im größeren Stil in seinen Filialen zu testen. Das löste bei der EG eine höchst erfreuliche Nachfrage aus“, berichtet Grabner. Am Ende könnte das Fleisch über Zwischenhändler wohl auch bei Lidl im Regal liegen. Durch ihre Aktivitäten seien andere Händler und Fleischvermarkter hellhörig geworden und würden nun ebenfalls nach Wegen suchen, Rindfleisch ohne Gentechnik anzubieten. Dies dürfe aber nicht dazu führen, die Zertifizierung laxer zu handhaben und die Verbraucher am Ende „hinter die Fichte zu führen“. Die EG Traunstein will jedenfalls sicherstellen, dass das, was auf dem Produkt steht, auch drin ist.

Lidl geht voran
Wie schon bei der Milch ist der Discounter Lidl Vorreiter in Sachen gentechnikfrei gelabeltes Rindfleisch. Mitte Januar 2017 gab der Konzern bekannt, dass sie ein Produkt ihrer Eigenmarke Landjunker ohne Gentechnik anbieten – im Laufe des Jahres bundesweit, ein zweites Produkt soll folgen. Gemeinsam mit seinen Lieferanten habe Lidl Zuschläge für die gentechnikfreien Produkte vereinbart, die zumindest die Mehrkosten kompensieren würden, so das Unternehmen. Genauere Auskünfte über die Höhe mochte Lidl nicht geben. Im Regal bietet Lidl aber das Rindfleischprodukt mit dem „ohne Gentechnik“-Siegel zum gleichen Preis an, wie das mit Gentechnik-Futter erzeugte Vergleichsprodukt. Für Einkaufsleiter Bock ist das eine „Investition in die Zukunft“. Lidl freue sich auch, wenn man eine Sogwirkung auf andere Marktteilnehmer erreichen könne. Zukünftig wolle man das Angebot kontinuierlich ausbauen, um den Kunden eine bewusste Kaufentscheidung zu ermöglichen. „Dabei sprechen wir uns deutlich gegen die gentechnische Veränderung von Organismen in der Produktionskette von Lebensmitteln aus“, so ein Unternehmensstatement. Bei Aquakulturen würde schon heute kein gentechnisch verändertes Futter geduldet, perspektivisch plant Lidl auch Schweinefleisch „ohne Gentechnik“ anzubieten.

08.03.2017
Von: Annemarie Volling, AbL-Netzwerk Gentechnikfreie Regionen