Dt. Naturschutztag sieht dringenden Handlungsbedarf auch in der Agrarpolitik

Anlässlich des 37. Deutschen Naturschutztages (DNT) appelieren führende Naturschutzorganisationen und Expert:innen an Politik und Gesellschaft, den besorgniserregenden Zustand der Natur nicht länger zu ignorieren, mahnen konkrete Maßnahmen auch in der Agrarpolitik an und warnen vor der Gefährdung des Naturschutzes durch den zunehmenden Rechtsruck in Europa.

Trotz einzelner Erfolge und positiver Entwicklungen im Naturschutz ist die Gesamtbilanz laut DNT weiterhin deutlich negativ: Über 80 Prozent der geschützten Lebensräume in der EU befinden sich in einem schlechten Zustand, und seit 1970 ist der Bestand an Feldvögeln um 80 Prozent zurückgegangen. Auch die Insektenbiomasse hat in den letzten 30 Jahren um über 75 Prozent abgenommen. Mit dem Verlust gesunder Ökosysteme stehen nicht nur die Artenvielfalt und Lebensräume auf dem Spiel, sondern auch grundlegende Ökosystemleistungen wie die Gewinnung von Trinkwasser, gesunder Luft und fruchtbaren Böden. Zudem tragen intakte Ökosysteme erheblich zum Klimaschutz bei und schützen uns vor den gravierenden Auswirkungen des Klimawandels, so der DNT.

Die nächsten Jahre werden nach Ansicht des DNT darüber entscheiden, wie Deutschland und die EU die wachsenden Herausforderungen für ein zukunftsfähiges und resilientes Europa erreichen können.  Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) und der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur seien in jüngster Zeit wichtige Schritte ergriffen worden. „Um den anhaltenden Negativtrend zu stoppen und umzukehren, müssen wir jetzt umso konsequenter in die Umsetzung kommen. Dies betrifft insbesondere die Wiederherstellungsverordnung sowie die Zielvorgaben der EU-Biodiversitätsstrategie, die vorsieht, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen“, so die zentrale Forderung der von den Teilnehmenden des DNT verabschiedeten „Saarbrücker Erklärung".

Zu den darin genannten Maßnahmen und Forderungen zählen unter anderem der „Umbau der EU-Agrarpolitik hin zu einem Instrument, das einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Natur- und Klimakrise leistet. Sämtliche pauschalen Direktzahlungen müssen daher in leistungsbezogene, ökologisch zielführende Fördermaßnahmen umgewandelt werden“ sowie „kein Abbau ökologischer Mindeststandards bei Planungen unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus.“ Einrichtung eines EU-Naturschutzfonds: Dieser Fonds soll langfristige Planungssicherheit gewährleisten und den Naturschutz in ganz Europa stärken.

Weiter heißt es in der Erklärung: „Mit dem Europäischen Green Deal wurden bereits zentrale politische Initiativen für eine sozial-ökologische Transformation auf den Weg gebracht. Dieser Prozess muss nun konsequent und verlässlich weitergeführt werden. Rückschritte wie die Abschaffung des Mindestanteils ökologischer Rückzugsflächen in der EU-Agrarpolitik, der Verzicht auf eine EU-Pestizidverordnung oder die wiederholt geforderte Aufweichung der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie können nicht hingenommen werden. Auch die Antworten auf die jüngsten Proteste der Landwirtschaft und anderer Branchen dürfen keinesfalls im Abbau von Mindeststandards und Förderprogrammen für den Natur- und Umweltschutz liegen. Denn dies kommt uns später umso teurer zu stehen.“

In Zeiten eines dramatischen Rückgangs der Biodiversität dürfen sich laut der Erklärung Maßnahmen nicht allein auf Schutzgebiete beschränken. „Der Einsatz von Pestiziden, die Überdüngung der Landschaft, Entwässerungen und Versiegelungen sind in allen Bereichen zu reduzieren. Auch in der „Normallandschaft“ ist sicherzustellen, dass es ökologische Rückzugsräume, Lebensraumkorridore zwischen den Schutzgebieten und extensiv genutzte Flächen gibt.“

Um die genannten Herausforderungen zu bewältigen, „muss der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Es ist daher umso besorgniserregender, dass der Naturschutz in jüngster Zeit vermehrt als Instrument der Spaltung missbraucht wird. Mit polemischen Botschaften gegen wissenschaftliche Fakten wird eine zukunftsweisende Umwelt- und Naturschutzpolitik verhindert und der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet. Auch der zunehmende Rechtsruck in Europa stellt für den Naturschutz eine Gefährdung dar. Es droht ein Missbrauch von Naturschutzthemen durch rechte Ideologien und nationalistische Strömungen. Weil die Natur aber vielfältig ist und keine Grenzen kennt, wollen wir Naturschutz in einem geeinten Europa grenzenlos betreiben“, heißt es in der Erklärung.

Die "Saarbrücker Erklärung" des Deutschen Naturschutztages.