Der „Brotbaum“ geht, was kommt?

Seit drei Jahren zu wenig Regen, insbesondere in der Vegetationsperiode, dafür aber viel Sonne und hohe Temperaturen. Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums zeigt für weite Teile Deutschlands bis in die Tiefe von 180 cm eine extreme Trockenheit. Auch der Oberboden ist zu trocken, in fast allen westdeutschen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern. Massive Schäden in den Wäldern und Forsten sind zu verzeichnen. Über 30 Millionen Festmeter Schadholz sind in NRW bereits angefallen, die doppelte Menge, die Wirbelsturm Kyrill produzierte und ca. 30 Prozent des gesamten Fichtenvorrats. Diese Schäden treffen vor allem die Waldbesitzer*innen – aber die langfristigen Folgen wird die ganze Gesellschaft zu spüren bekommen. „In unserem Betrieb ist die Situation katastrophal. Wenn es in dem Tempo weitergeht, ist bei uns Ende kommenden Jahres Schluss mit Fichte. Zuletzt sind auch in mehreren jungen Beständen Käferschäden aufgetaucht. Wir schlagen so viel, wie wir schaffen, sowohl mit Hilfe von Unternehmern als auch selbst. Im Frühjahr, vor dem ersten Flug des Borkenkäfers, waren wir einigermaßen nachgekommen mit dem Einschlag des befallenen Holzes, seitdem laufen wir wieder hinterher. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, jetzt regnet es und ich hoffe, dass das auch so bleibt“, so die frustrierte Aussage zur Situation von Johannes Cordes, Waldbesitzer im sauerländischen Kreis Olpe. Ähnlich äußert sich auch Ulf Allhof-Cramer, der ca. 10 ha 70-jährigen toten Fichtenwald in der Nähe von Balve im Sauerland sein Eigen nennt: „Die Situation ist eine totale Katastrophe, das Wachstum und die Arbeit einer ganzen Menschengeneration gehen derzeit zugrunde. Die Erlöse reichen nicht für die Wiederbewaldung, es wird für Jahrzehnte keine Einnahmen mehr geben aus den Wäldern, und ob überhaupt jemals wieder, ist in Anbetracht der Klimakrise völlig ungewiss. Das Sterben der Wälder nimmt tausenden Höfen in den Mittelgebirgen ihre Einnahmen aus dem Wald, die Sparkasse Wald ist pleite.“ Monokultur Fichte Die meisten Waldbesitzer*innen erkennen, dass nicht der Borkenkäfer die Hauptursache ist, sondern der Klimawandel. Die geschwächten Bäume haben dem Massenauftreten der Borkenkäfer dann nichts mehr entgegenzusetzen. Aber natürlich hat auch der großflächige, monokulturelle Anbau des „Brotbaums“ Fichte dazu beigetragen, dass die Zerstörung der Forste so schnell und so massiv vonstattengeht. Aber es sind ja nicht nur die Fichten, die absterben: Auch Kiefern und z. T. Douglasien sehen schlecht aus; Laubbäume haben lichte Kronen und vertrocknete Äste. Derzeit ist der Holzmarkt völlig überschwemmt, ein großer Teil des anfallenden Holzes wird nach China exportiert, pro Festmeter bleiben ca. zwei bis acht Euro auf dem Konto der Verkäufer, vor vier Jahren waren es noch ca. 60 Euro (erntekostenfrei). Paradoxerweise hat der Schnittholzpreis angezogen und die Sägewerker haben darüber hinaus die Chuzpe, in diesem schwierigen Jahr das Land NRW auf 180 Millionen Euro Schadensersatz zu verklagen, weil sie angeblich in den Jahren 2005 bis 2017 aufgrund einer Kartellsituation zu viel für den Holzeinkauf bezahlt haben. Viel kommt zusammen Der Unmut unter den Waldbesitzenden wächst. Sie fühlen sich trotz Millionenhilfen von der Politik im Stich gelassen. Nochmal Allhof-Cramer: „Die Regierung muss die Waldbesitzenden viel stärker unterstützen, um die Wälder mit vielen verschiedenen Nutzbaumarten neu bewalden zu können. Es ist eine Ungeheuerlichkeit, dass die klimazerstörende Kohle-, Flug- und Autoindustrie mit Unsummen gestützt und gerettet werden, während Waldbauern mit dem Totalverlust ihrer Wälder nahezu alleingelassen werden.“ Auch der bürokratische Aufwand, um durch die Extremwetterförderrichtlinie NRW Unterstützung zu bekommen, sorgt für viel Missstimmung in NRW. Leider greifen einige dann auch zu Mitteln, die nichts mit einer nachhaltigen, biodiversitätsschonenden Waldwirtschaft zu tun haben – denn nicht nur Holzpolter werden mit Pestiziden begiftet, sondern auch stehende Bestände. So hoffen einige, das Ende der Fichte heraus zu zögern, um in zwei oder drei Jahren mit den vielleicht geretteten Beständen etwas Geld zu verdienen. Ein anderes Problem, das den Waldbesitzer*innen in NRW zu schaffen macht, ist die derzeit laufende Umstellung der Beförsterung von der indirekten zur direkten Förderung. Johannes Cordes, der auch stellvertretender Vorsitzender einer Forstbetriebsgemeinschaft ist: „Die Förderung wird zum Bürokratiemonster. Durch den bürokratischen Aufwand werden für viele Vereinigungen die Beförsterungsverträge nicht mehr tragbar.“ Insbesondere wird dem Ehrenamt vieles an zusätzlicher Arbeit aufgebürdet. Ursächlich für diese Veränderung ist ein Verfahren, welches den freien Förster*innen gleiche Wettbewerbschancen auf dem Markt der Betreuungsdienstleistungen für Waldbesitzer*innen geben und den Landesbetrieb Wald und Holz nicht mehr bevorteilen soll. Wie weiter? Und was ist die Zukunft? Cordes, der mit seinem Vater rund 90 ha bewirtschaftet, hat klare Vorstellungen: „Wenn noch Geld da ist, werden wir Mischwälder aufforsten. Das machen wir schon die letzten zwanzig Jahre. Fichten haben wir zuletzt ein paar nach Kyrill gepflanzt, gemischt mit Douglasie und Lärche. Das werden wir zusätzlich mit Laubwald durchmischen. Von der Gesellschaft wünschen wir uns Unterstützung für die Schäden, welche der Klimawandel/die Gesellschaft verursacht hat. Von Seiten des Bundes wäre eine Baum- oder CO2-Prämie wünschenswert.“ Hier gilt es aber aus bäuerlicher Sicht aufzupassen: Eine reine CO2-Prämie ohne Konditionierung bzw. Bindung an weitere gesellschaftliche Leistungen wird den Druck auf die Flächen erhöhen. Insbesondere große Industrieunternehmen werden ein Interesse daran haben, sich die Senkenleistung des Waldes auf ihre CO2-Emissionen anrechnen zu lassen und in den kommenden Jahren großflächig Waldflächen aufkaufen. Bei der Waldentwicklung für die Zukunft müssen alle sogenannten Ökosystemleistungen (u. a. Luftreinhaltung, Erholung, Biodiversität, Schallschutz, Wasserreservoir) des Waldes berücksichtigt und ihr Erhalt gefördert werden.
30.10.2020
Von: Gregor Kaiser, AbL NRW, Waldbauer

Stadtwald Lemgo Anfang August 2020