Am 22. September stellten die beteiligten Wissenschaftlerinnen in Berlin die Ergebnisse der bundesweiten Studie „Frauen.Leben.Landwirtschaft“ vor. Die letzte Erhebung zur Situation von Frauen in der Landwirtschaft fand vor der Wiedervereinigung statt. Die nun von der Uni Göttingen und dem Thünen-Institut für Betriebswirtschaft über drei Jahre durchgeführte Studie, mit über 7.000 befragten Frauen schafft eine solide Datengrundlage. Gefördert wurde die Studie vom BMEL und unterstützt vom Deutschen LandFrauenverband.
Die Studie befasst sich mit den vielfältigen Rollen von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben, dokumentiert die vorherrschende Geschlechterungerechtigkeit, belegt die hohe Belastung von Frauen auf den Höfen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Einschätzung der sozio-ökonomischen Lage von Bäuerinnen und Landfrauen.
Bundesminister Cem Özdemir eröffnete die Veranstaltung mit harten Fakten in seinem Grußwort: 20 Prozent weniger Verdienst und 35 Prozent weniger Rente, vier Stunden unbezahlte „Care-Arbeit“ pro Tag – das ist die Realität von Frauen in der Landwirtschaft. Sie seien systemrelevant, aber wenig sichtbar.
Burn-out-gefährdet
Die Zahl, die aufrütteln sollte und doch viele nicht überrascht: 21 Prozent der befragten Frauen sind Burn-out-gefährdet und haben damit die Belastungsgrenze überschritten. Es wird noch von einer weit höheren Zahl ausgegangen, denn „Frauen, die mehr als gefährdet sind, haben wohl nicht an der Studie teilgenommen“, betont Anne Dirksen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen später in der Podiumsdiskussion und bezieht sich damit auf ihre Erfahrungen aus dem Beratungsalltag auf den Höfen. Prof. Dr. Claudia Neu (Uni Göttingen) ergänzte: „52 Prozent der Befragten gaben an, fast immer müde zu sein.“ Das sind alarmierende Zahlen, die ernst genommen werden müssen, so waren sich alle Rednerinnen einig.
Petra Bentkämper, Präsidentin des DLV, erklärte, dass die Zukunft in den ländlichen Räumen davon abhänge, ob junge Frauen Zukunftsperspektiven bekämen. Sie ständen für „Vielfalt, Visionen, Verständigung. Das Ziel müsse daher sein, jeder Frau möglichst attraktive Perspektiven in der Landwirtschaft zu geben. Frauen müsse freigestellt sein, welche Aufgaben sie auf den Höfen übernehmen möchten, ob Trecker oder Haushalt. Juliane Vees, Vize-Präsidentin des DLV, ergänzt: „Frauen sollen sich aus dem in der Landwirtschaft häufig vorherrschenden traditionellen Rollenbild befreien können.“
Zugangsbarrieren für Frauen
Strukturelle Hindernisse, wie veraltete Geschlechterrollen und traditionelle Vererbungspraxen, erschweren Frauen die Hofübernahme und machen Existenzgründungen nahezu unmöglich. Frauen brauchen Mut und Selbstbewusstsein, um Höfe zu übernehmen. Dieser Mut muss auf die Höfe transportiert und politisch unterstützt werden.
Das Thema der finanziellen Absicherung wurde in den Vorträgen und Diskussionen immer wieder aufgegriffen. Die Beiträge der Landwirtschaftlichen Alterskasse können nur einen Teilbeitrag für die Altersvorsorge leisten. Ein großer Anteil der Frauen (26 Prozent) wisse schlicht nicht, wie sie nach dem Tod des Mannes oder bei einem Scheidungsfall abgesichert seien. 30 Prozent fühlten sich schlecht abgesichert. Anne Dirksen empfiehlt klare Regelungen zu treffen, um dem entgegenzuwirken, z. B. im Rahmen eines Ehevertrages. Für sie gilt der Grundsatz „Besser einen Tag unromantisch als später arm“, der im Laufe der Veranstaltung immer wieder aufgegriffen wurde.
Die Parlamentarische Staatssekretärin Manuela Rottmann resümiert, es sei längst überfällig, genau hinzuschauen, aber das könne „nur der Anfang sein“. Der Kampf gegen das Patriarchat werde überall geführt, habe sich jedoch noch in keinem Bundesministerium niedergeschlagen.
Deshalb müssen wir als AbL den Kampf für gerechte Arbeitsteilung auch weiterhin auf den Höfen führen, uns vernetzen und die enorme Leistung von Frauen sichtbar machen. Ebenso muss die Politik auf Bundes- und Landesebene tätig werden und konkrete Programme für Frauen in der Landwirtschaft entwickeln und bei Gesetzesvorhaben berücksichtigen. Baden-Württemberg zeigt, dass es möglich ist. Hier gibt es ein spezielles Innovationsprogramm, das explizit Frauen fördert und damit vor allem junge Frauen zu Hofübernahmen ermutigt.