Bender: "Klar ist, noch ist nichts entschieden"

„Ganz klar ist, noch ist nichts entschieden“, sagt die Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), Silvia Bender, auf der Bauerndemonstration am Montag mit Blick auf den von der EU-Kommission vorgelegten Verordnungsentwurf zur EU-Pflanzenschutzpolitik. Zu der Demonstration waren rund 500 Teilnehmer:innen mit bis zu 200 Treckern vor dem Landwirtschaftsministerium in Bonn erschienen. Vertreter der Bewegung Land schafft Versorgung NRW (LsV NRW), die zu dem Protest aufgerufen hatte, übten scharfe Kritik an Nichtregierungsorganisationen und Politik, eine Kritik, der sich in einem Grußwort auch der Vertreter des Rheinischen Landwirtschafts-Verbands (RLV) anschloss.

In ihrem Statement auf der Demonstration erklärte Bender, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Regelungen zu den sensiblen Gebieten, in denen keinerlei Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mehr stattfinden dürfe, auch dem Ministerium zu weit gehen und ihrer Meinung nach Landschaftsschutzgebiete nicht in die Liste der sensiblen Gebiete aufgenommen werden sollten. Ganz klar sei, dass bisher nichts entschieden sei. Der Entwurf der Kommission sei ein Entwurf, der nun im EU-Agrar- und -Umweltrat und im EU-Parlament weiter diskutiert werde. Im BMEL werde eine gute und ausgeglichene Position zu diesem Entwurf erarbeitet. Aktuell sei man dabei, sich die Datails genau anzuschauen. Dazu gehöre neben den Regelungen zu den sensiblen Gebieten auch die Frage, wie sich nationale Reduktionsziele errechnen sollen, denn hier seien in Deutschland schon Einsparungen erbracht worden, die berücksichtigt werden müssten.

Klar sei aber auch, dass das Ministerium den Ansatz der Kommission unterstützt, den Pflanzenschutz in Europa weiter zu harmonisieren und auch eine Absenkung des Einsatzes und insbesondere des Risikos, das mit dem Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln verbunden ist, zu erreichen. Auch stehe die Bundesregierung hinter den Zielen der farm to fork-Strategie und werde sich in den weiteren Verhandlungen mit der EU-Kommission dafür einsetzen, dass die Ziele so umgesetzt werden, dass sie ihren Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise und des Artensterbens leisten können „ohne die Ernährungssicherheit zu gefährden und ohne insbesondere auch die Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaft weiter nach unten zu setzen“. 

Dem Ministerium sei es wichtig, „mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, erklärte Bender, einige Pfiffe und Buhrufe auslösend, in Richtung der Demo-Teilnehmer:innen, unter anderem um gemeinsam tragfähige Wege zu finden und so die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Nach ihrem Statement nahm sich die Staatssekretärin noch eineinhalb Stunden Zeit, um auf Fragen der Demo-Teilnehmer:innen zu antworten.

Vor der Staatssekretärin hatte Eröffnungsredner Ansgar Tubes als Vertreter des LsV NRW scharfe Kritik an Nichtregierungsorganisationen und der Politik, insbesondere auch an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geübt. Deren Politik sei Ideologie-getrieben und orientiere sich nicht an Fakten. Den Umbau der Tierhaltung definiere das Ministerium als Abbau der Tierbestände und führe die Diskussion nur mit ideologie-geleiteten Argumenten. Wenn der Entwurf aus Brüssel zu den sensiblen Gebieten umgesetzt werde, dann seien davon ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland betroffen, in Nordrhein-Westfalen sogar 80 Prozent. Die Ergebnisse der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft hätten Anlass zur Hoffnung gegeben. Es fehle aber die Finanzierung und auf dem Rücken der Landwirte alleine könne die Transformation nicht stattfinden. Mit ihrer Politik setze das Ministerium die Ernährungssicherheit aufs Spiel. Tubes kündigte an, dass mit dieser Auftaktveranstaltung ein heißer Herbst eingeläutet werde.

Ähnlich äußerte sich in seinem Grußwort auch der Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV), Bernhard Conzen. Er zeigte sich „sauer“ und „fassungslos“ über den Vorschlag aus Brüssel und betonte ebenfalls, dass auf 80 Prozent der Fläche nicht mehr vernünftig gewirtschaftet werden könne, wenn der Vorschlag umgesetzt werde. „Ich bin es Leid, dass uns die Krawattenträger in den Brüsseler Amtsstuben vorschreiben wollen, wie wir unsere Flächen zukünftig bewirtschaften sollen“, erklärte Conzen und nannte dies „fortgesetzte inkompetente Einmischung“.

„Wir setzen uns zur Wehr, hier und in Brüssel“, rief er den Teilnehmer:innen zu. Dabei sei ein langer Atem und Solidarität erforderlich und das gesamte Instrumentarium des Protestes zu nutzen, wobei er appellierte, sich nicht von Scharfmachern verleiten zu lassen, die es auch im Vorfeld dieser Demo gegeben habe, was aber nicht der Sache diene.

16.08.2022
Von: FebL

Silvia Bender neben LsV NRW-Vertreter Ansgar Tubes auf der Demo in Bonn. Bildquelle: LsV NRW/facebook screenshot