Bauern-Proteste müssen Anlass für Planungssicherheit und wirtschaftliche Perspektiven sein

„Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss!“. Unter diesem Motto fand in Berlin mit 1.500 Treckern die zentrale Protestveranstaltung angesichts der Sparpläne der Ampel-Koalition bei der Agrardieselbeihilfe und der Kfz-Steuerbefreiung statt. Und sie zeigte die landwirtschaftlichen Verbände in seltener Einigkeit, was auch darin zum Ausdruck kam, dass Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied in seiner Rede die Unterstützung der vom Bauernverband initiierten Demonstration durch Land schafft Verbindung (LsV), die Freien Bauern und die AbL erwähnte. Protestiert wurde aber auch in zahlreichen anderen Orten bundesweit, Innenstädte und Autobahnen mit Treckern „stillgelegt“. Und ein Ende der Proteste ist nicht abzusehen, eine Fortsetzung bereits angekündigt, denn die Spitze der Ampel-Koalition hält an ihren Streichplänen fest, trotz anderslautender Stimmen aus den eigenen Partei- und Fraktionsreihen. So soll auch Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir aufgefordert sein, die vorgesehene Summe von rund einer Milliarde Euro in seinem Ministerium einsparen zu müssen, wenn nicht beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer, dann eben an anderer Stelle in seinem Haus.

Nicht nur mit Blick auf die vergangenen Proteste mahnen AbL und Bioland konkrete Maßnahmen zum Umbau der Tierhaltung und der Transformation der Landwirtschaft an, wie sie beispielweise von der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) vorgeschlagen werden. Und auch der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling hält eine Kurskorrektur der Ampel für dringend nötig.

AbL lehnt die Streichung ab

„Die Proteste sind gerechtfertigt. Die Streichung der Agrardieselbeihilfe und der KFZ-Steuer-Befreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge ist für viele Betriebe nicht akzeptabel. Seit Jahren erzeugen wir Bäuerinnen und Bauern unter den Erzeugungskosten. Der Vorschlag trifft uns in einer Situation, wo viele bereits mit dem Rücken an der Wand stehen. Die AbL lehnt die Streichung ab“, erklärt Martin Schulz, Bundesvorsitzender der AbL. Für ihn rächt es sich jetzt, dass die Regierung die Vorschläge der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission nicht umgesetzt hat, und damit die Umsetzung und Finanzierung eines breiten bäuerlichen und gesellschaftlichen Konsenses versäumt hat. „Gleichzeitig zeigt dies einmal mehr, dass die Bäuerinnen und Bauern in die Lage versetzt werden müssen, am Markt auskömmliche Preise für ihre Produkte zu erwirtschaften. Deshalb muss Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation für eine generelle Vertragspflicht umsetzen. Das kündigt er schon lange an“, so Schulz.

Bioland: Landwirtschaft hat Schlüsselfunktion

Maßnahmen zum Umbau der Land- und Ernährungswirtschaft mahnt auch Bioland an. „Vielleicht dämmert dem einen oder anderen Mitglied der Bundesregierung nun, dass die geplante Abschaffung wichtiger landwirtschaftlicher Subventionen nicht die beste Idee war. Dabei war auch vergangene Woche schon klar: Die Landwirtschaft kann nicht von heute auf morgen auf 1 Milliarde Euro verzichten. Dass alle Landwirt*innen innerhalb kürzester Zeit auf alternative Antriebe oder Treibstoffe umsteigen, ist reine Utopie, denn diese stehen gar nicht zur Verfügung. Der Diesel dürfte sich durch die steigende CO2-Abgabe ohnehin deutlich verteuern – und auch Pflanzenöl als Alternative wird zusätzlich besteuert“, erklärt Bioland-Präsident Jan Plagge.

Eine sozial-ökologische, klimafreundliche Transformation der Landwirtschaft sei nötig. Aber sie müsse gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern gestaltet werden und ihnen nicht zusätzliche Probleme aufbürden, die sie allein gar nicht lösen können. Warum bei den Haushalts-Kürzungen nun gerade die Landwirtschaft überproportional zur Kasse gebeten werden soll, ist für Plagge ohnehin nicht nachvollziehbar.

„Das Dienstwagenprivileg etwa verschluckt ein Vielfaches der Summe von Agrardiesel und KFZ-Steuerbefreiung zusammen. Eine Kürzung an dieser Stelle hätte einen viel größeren Einspareffekt. Und diese Maßnahme hätte wenigstens auch eine Klimawirkung: Denn Landwirt*innen können nicht einfach ihren Trecker stehen lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Wir fordern die Bundesregierung auf, der Landwirtschaft den Stellenwert einzuräumen, den sie besitzt: Sie hat Schlüsselfunktionen für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Das muss bei der Haushaltsplanung unbedingt berücksichtigt werden – sonst werden nicht nur die Trecker ausgebremst, sondern der Umbau der Land- und Ernährungswirtschaft gleich mit“, erklärt der Bioland-Präsident.

Häusling: Kurskorrektur dringend nötig

Die Streichung der Beihilfe zum Agrarsprit ist für den grünen EU-Abgeordneten Martin Häusling ein falsches Signal für die Zukunft der Landwirtschaft und eine Kurskorrektur dringend nötig.

„Die Landwirtschaft befindet sich wirtschaftlich nicht in rosigen Zeiten und der Berufsstand kämpft jeden Tag. So zum Beispiel mit der Tatsache, dass das Erzeugerpreisniveau wieder auf das Niveau vor Beginn des Ukrainekrieges gesunken ist. Die Steuervergünstigungen beim Agrardiesel sowie die Steuerbefreiung für Traktoren sind ein Instrument, das besonders kleinbäuerliche und ökologisch wirtschaftende Betriebe entlastet. Diese zu streichen, wäre ein falsches Signal für die Transformation der Landwirtschaft“, so Häusling.

Einem einzigen Berufszweig nun übermäßig Lasten aufzubürden, um die Sanierung des Haushaltes voranzutreiben sei nicht tragbar und überfordere einen ganzen Sektor. „Es darf nicht sein, dass die Landwirtschaft 10 Prozent der Kürzungen tragen muss, während sie insgesamt nur 1,4 Prozent vom Haushalt bekommt. Der Berufsstand der Landwirtschaft wird das nicht akzeptieren. Vor allem würde es schwierig werden, dem ländlichen Raum zu vermitteln, dass ausgerechnet die Landwirtschaft die Lasten von Kürzungen überproportional zu tragen hat“, erklärt der EU-Abgeordnete.

In der Landwirtschaft können Fahrzeuge weniger gut auf alternative Antriebe ausweichen und für eine Reduktion des Pflanzenschutzes brauchen Betriebe aus verschiedenen Gründen einen höheren Technikeinsatz.

„Deshalb der dringende Appel von meiner Seite: Alle drei Koalitionspartner müssen sich dringend nochmals zusammensetzen und nach anderen Lösungen suchen. Vor allem nachdem Agrarminister Cem Özdemir und die FDP signalisiert haben, dass sie nicht hinter diesem Vorschlag stehen. Die Landwirtschaft darf nur in einem vertretbaren und für eine Transformation sonnvollen Maße mit Kürzungen belastet werden oder es müssen parallel Ausgleiche geschaffen werden. Ansonsten wird die Agrarpolitik der Bundesregierung keinerlei Akzeptanz mehr im ländlichen Raum finden“, mahnt Häusling.

20.12.2023
Von: FebL/PM

Trecker soweit das Auge reicht bei der Demonstration in Berlin.