Aussetzen der Flächenstilllegung mit nur geringem Effekt

Die Landwirtschaftsminister von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Barbara Otte-Kinast (CDU) und Sven Schulze (CDU) haben eine Aussetzung der Stilllegung von 4 % der Agrarflächen ab 2023 gefordert und begründen das mit den „drohenden Ausfällen beim Getreideimport“ im Zuge der Ukraine-Krise und aus Verantwortung für die Welternährung. Bauer Willi und LSV rufen dazu auf, grüne Vieren aufzustellen, um gegen die 4 % Stilllegungspflicht zu protestieren, stellen dabei aber auch die Gemeinsame Agrarreform (GAP), den Green Deal und die Farm to Fork-Strategie in Frage. Sie kündigen zivilen Ungehorsam an, indem sie sich an die Stilllegungspflicht, sollte sie beibehalten werden, nicht halten werden.

Dass ein Aussetzen der Flächenstilllegung (Brache) und der dortige Getreideanbau nur geringe Effekte auf den Getreidemarkt und die Getreidepreise hätte, zeigt ein von Agrarökonom:innen erstelltes und von der Boell-Stiftung jetzt vorgelegtes Papier „Auswirkungen einer Änderung der Flächenstilllegung in der EU auf den globalen Getreidemarkt“.

In dem Papier heißt es: Laut den aktuellsten verfügbaren Daten der FAO, waren im Jahr 2019 in der EU-27 circa 6,1 Mio. Hektar Stilllegungsflächen. Dies entspricht in etwa 6 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der EU. Auffällig ist, dass der Anteil an Brachflächen in den einzelnen Mitgliedsländern sehr unterschiedlich ist. So weisen mediterrane Länder wie zum Beispiel Spanien, Griechenland und Portugal deutlich höhere Anteile von Brachflächen auf als andere EU-Länder. Allein in Spanien liegen fast die Hälfte aller EU-weiten Brachflächen.

Weltweit wurden im Jahr 2019 laut FAO knapp 3 Mrd. Tonnen Getreide produziert, dabei waren Mais mit gut 1,1 Mrd. Tonnen und Weizen mit knapp 0,8 Mrd. Tonnen die wichtigsten Getreidearten. Für diese Getreidearten sind auch die EU und die Ukraine sowie Russland wichtige Anbauregionen. Die EU produzierte 2019 etwa 10,1 Prozent der globalen Getreidemenge. Zum Vergleich, der Anteil der Ukraine lag im selben Jahr bei ca. 2,5 Prozent, der Russlands bei 4,0 Prozent. Bei Weizen lagen die Weltmarktanteile der EU, der Ukraine und Russlands bei 18,2 Prozent, 3,7 Prozent und 9,7 Prozent, und bei Mais lagen die Anteile bei 6,1 Prozent, 3,1 Prozent und 1,3 Prozent.

Als Ergebnis der Betrachtung unterschiedlicher Szenarien (4% Brache; keine Brache; Brache zu Getreide; Ernteausfall Ukraine; Ernteausfall Ukraine plus Handelsstopp Russland) kommen die Verfasser:innen des Papiers zu dem Ergebnis, dass nur eine geringe zusätzliche Getreidemenge auf den freiwerdenden Flächen produziert werden könnte, die globale Getreideproduktion durch die Umsetzung des Stilllegungsziels von 4 Prozent in der EU nur marginal sinken würde und dies sich kaum auf den Weltmarktpreis auswirken würde.

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung: „Der brutale Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine führt dazu, dass die Preise für Getreide extrem steigen. Millionen Menschen werden zusätzlich hungern und in existenzielle Not geraten. Darauf müssen wir jetzt in kürzester Frist mit ernsthaften Strategien und nicht mit Scheindebatten reagieren. Unsere Analyse zeigt, dass ein Aussetzen der Flächenstilllegung in der EU diese Krise kaum beeinflusst. Um die drohende Hungerkatastrophe in vielen Ländern der Welt abwenden zu können, brauchen wir jetzt in kürzester Zeit eine massive Ausweitung der Finanzhilfen für das WFP – für die Hilfe in der Ukraine selbst und weltweit. Die Nothilfe – gerade in Ländern wie Jemen oder Afghanistan- darf nicht durch mangelnde Finanzierung stocken. Gleichzeitig ist es jetzt genau das falsche Signal, die ökologische Wende der Landwirtschaft auszusetzen. Die Klimakrise ist schon heute eine der größten Bedrohungen der Ernährung weltweit. Der Kampf gegen die Klimakrise ist kein Luxus, sondern existentiell und darf gerade jetzt nicht aufgekündigt werden.

In dem Papier wird unter anderem nicht davon ausgegangen und es als „unrealistisch“ bezeichnet, dass alle Stilllegungsflächen zum Getreideanbau geeignet sind. Während Bauer Willi und LSV in ihren Äußerungen davon ausgehen, das auf den 4% Stilllegungsflächen der Durchschnitts-Ertrag der EU von 6,1 t/ha Weizen zu erzielen ist.

22.03.2022
Von: FebL