Amazon fresh: Direktvermarktungsstrukturen in Gefahr?

Kampagne „Essen ohne Amazon“ gestartet

Amazon ist im Mai auch in Deutschland ins Geschäft mit frischen Lebensmitteln eingestiegen. Vollmundig kündigte Konzernchef Jeff Bezos an, die Kühlschränke erobern zu wollen und das Einkaufen zu revolutionieren. Es ist bereits bekannt, dass der Online-Riese ein aggressives Marktverhalten an den Tag legt. Er sammelt Daten in großer Menge und fügt sie zu komplexen Profilen von Kund*innen und Partner*innen zusammen. Er verletzt massiv die Rechte von Arbeitnehmer*innen und spart mit Steuertricks Milliarden. Der Konzern hat viele kleine Buchläden auf dem Gewissen und zahlreiche Wettbewerber aus der Unterhaltungsbranche aufgekauft oder ruiniert. Was aber bedeutet Amazon fresh für die Landwirtschaft, für existierende Direktvermarktungsstrukturen und für die Zukunft des Lebensmittelhandels? Amazon wendet sich mit seinem Frischeangebot zunächst an zahlungskräftige Kund*innen in Berlin, Potsdam, Hamburg und München. Wer die Lebensmittel an die Haustür bekommen will, muss sowohl gebührenpflichtig Amazon-Prime-Kund*in sein als auch einen zusätzlichen Amazon-fresh-Monatsbeitrag zahlen. Dafür wirbt der Konzern mit der größten Produktvielfalt des Lebensmittelhandels. Er hat Kooperationsverträge unter anderem mit den bisher regional orientierten Ketten Tegut und Feneberg, mit der Biokette Basic sowie mit konventionellen Händler*innen geschlossen. Einer der ersten Effekte: Foodsharing-Aktive aus Berlin berichteten, dass bei Basic seit dem Einstieg in das Amazon-fresh-Konzept massiv mehr Lebensmittel weggeworfen würden. Aktion Agrar fragte nach der Motivation der genannten Händler für die Zusammenarbeit mit Amazon. Tegut antwortete: „Die Möglichkeit, eine eigene Online-Distribution aufzubauen, haben wir bei Tegut (…), als kleinerer Lebensmitteleinzelhändler mit rund einem Prozent Marktanteil auf Deutschland bezogen, leider nicht.“ Darin liegt ein großer Teil des Problems. Amazon hat die ausgefeilteste Online-Bestell-Software und -Logistik und ist Meister der Kundenbindung. Bisher weisen nur Erfahrungen aus anderen Branchen darauf hin, wie es kleineren Partnern des Konzerns ergeht. Amazon macht sie austauschbar, konkurriert sie mit billigeren Produkten und mit Hilfe von Algorithmen zur Preisbildung nieder und schraubt die Anforderungen stark in die Höhe. Amazon ist nämlich nicht nur ein mächtiges Handelsunternehmen, sondern stellt auch die Infrastruktur bereit und ist Betreiber virtueller Marktplätze. Das Internet spielt auch eine wichtige Rolle für moderne Direktvermarktungsstrukturen von der regionalen Biokiste über die Marktschwärmer bis hin zu lokalen Online-Marktplätzen. Die Kampagne „Essen ohne Amazon“ befürchtet, dass sie alle unter Druck geraten könnten, wenn Amazons Marktmacht bei Lebensmitteln sich wirklich entfaltet. Tegut versuchte, sich die Verdrängung lokaler Strukturen schönzuschreiben: „Insbesondere schaffen wir es auf diese Weise, nachhaltig produzierte Lebensmittel in die Urbanität zur Städteernährung zu bringen, wo Haus- und Hofläden leider nicht mehr zu finden sind.“ Die Kampagne „Essen ohne Amazon“ ruft nun zur Auseinandersetzung mit dem Online-Riesen auf: Sie kombiniert die Anstiftung zum eigenen konzernfreien Einkauf mit Forderungen an die Politik. Die Konzernmacht im Lebensmitteleinzelhandel und die der größten Internetkonzerne muss beschränkt, regionale Direktvermarktung weiterentwickelt und dabei gefördert werden. Aktuell läuft die Aktion „Weihnachten ohne Amazon“, folgen sollen Vorstellungen für die echten Alternativen bei der Lebensmittelbeschaffung auf Augenhöhe mit Bäuerinnen und Bauern.
29.11.2017
Von: Jutta Sundermann, Aktion Agrar

Kleine Direktvermarkter haben gegen Amzon keine Chance