Für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) fallen die Bauernproteste nicht vom Himmel. Viel zu lange haben die Verantwortlichen in der Politik es versäumt, die notwendigen Veränderungen in der Landwirtschaft mit den Bäuerinnen und Bauern und mit anderen Teilen der Gesellschaft gemeinsam zu erarbeiten und dann gezielt umzusetzen.
Georg Janßen, AbL-Bundesgeschäftsführer, sagt am Rande der Demonstration in Berlin: „Es ist richtig, Frust und Wut über die schwierige Lage auf unseren Höfen und über die ungeklärten Fragen der Zukunft nicht herunterzuschlucken, sondern aufzustehen und mit oder ohne Trecker für den Erhalt und die Zukunft der Betriebe zu demonstrieren. Über Jahrzehnte gab es von Politik, Wissenschaft und Verbänden die Ansage, dass wir es richtig machen, wenn wir die internationale Kostenführerschaft mit billigen Preisen anstreben und dafür schnelle und große Wachstums- und Intensitätsschritte vollziehen. Dieses Agrarmodell der Rationalisierung stößt jetzt immer deutlicher an wirtschaftliche, ökologische, gesellschaftliche und politische Grenzen. Wir erzielen keine fairen Preise und kein ausreichendes Einkommen für unsere Arbeit, die Auswirkungen auf Umwelt und Natur werden stärker wahrgenommen und – was sehr bedenklich für uns ist – wir drohen bei einem Weiter-So die Unterstützung der Gesellschaft zu verlieren. Die Bundesregierung reagiert spät auf den öffentlichen Druck und will nun mit Gesetzen und Verboten gegensteuern. Das kann aber noch mehr Berufskollegen und Berufskolleginnen zur Aufgabe ihrer Höfe bringen. Das wollen wir nicht. Aus dieser Situation kommen wir nur heraus, wenn wir uns alle in die Pflicht und in die Verantwortung nehmen. Bäuerinnen und Bauern, Verbraucher- und Umweltbewegung, Lebensmitteleinzelhandel, Milch- und Fleischunternehmen und Politik sind jetzt gefordert aufeinander zuzugehen. Es sind doch viele Bäuerinnen und Bauern bereit, sich für Artenvielfalt und Klimaschutz praktisch einzusetzen – das ist doch in unserem ureigenen Interesse. Es sind viele bereit, auf artgerechte Tierhaltung zu setzen und den Umbau der Tierhaltung anzugehen. Wir können das und sind dabei auch bereit, frühere Wachstums-Leitbilder in Frage zu stellen und zu korrigieren. Ganz gleich, ob größere oder kleinere Betriebe, ganz gleich, ob konventionell oder biologische Wirtschaftsweise – wir alle sind in unserer bäuerlichen Arbeit von politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Die Bundesregierung muss deshalb mit allen Beteiligten eine Nutztierstrategie, eine Ackerbau- und eine Grünlandstrategie vorlegen, aus der klar hervorgeht, welche Ziele angepackt und umgesetzt werden sollen, in welcher Zeit dies erfolgen soll, was das für unsere Höfe kostet und welche finanzielle Unterstützung dafür genutzt bzw. geschaffen wird. Es muss endlich darum gehen, nicht den Ausstieg aus der Landwirtschaft zu forcieren, sondern den noch vorhandenen Höfen eine wirtschaftliche Perspektive aufzuzeigen. Die Bundesregierung muss mit uns darüber verhandeln, wie sie eine Qualitätsstrategie umsetzen will, die unsere Erzeugnisse auf regionalen Märkten nach vorne bringt, anstatt unsere heimische Landwirtschaft den Exportinteressen mit Freihandelsabkommen wie Mercosur zu opfern. Die Bundesregierung muss erklären, wie sie das Spannungsfeld der notwendigen Veränderungen zusammenbringen will mit der praktischen Umsetzung für uns Bäuerinnen und Bauern und wie das bezahlt wird. Wir brauchen einen gemeinsamen Zukunftskonsens mit Politik und Gesellschaft darüber. Wir sind dazu bereit.“