Schweiz: Kein Pestizidverbot – Sieg für Bio?

Auf den ersten Blick ist das Ergebnis widersprüchlich. Die Schweizer Bevölkerung stimmt gegen mehr Bio, und die Bioverbände feiern es als Sieg. Mit einem doppelten Nein gegen ein Pestizidverbot und einen verschärften Trinkwasserschutz haben die Schweizer in einer Volksabstimmung zwei Initiativen mit jeweils etwa 60% der Stimmen abgelehnt, die den Landwirten verschärfte Umweltschutzauflagen gebracht hätten. Erstaunlicherweise lehnten auch Schweizer Bioverbände wie Bio Suisse die Forderung „für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide“ ab, die bei Erfolg sicherlich mehr Umstellungen auf biologischen Landbau zur Folge gehabt hätte. Ziel der Initiative war es, so berichtet die Bio- Fachzeitschrift „Biohandel“, synthetische Pflanzenschutzmittel grundsätzlich zu verbieten. Auch der Import von Lebensmitteln, die unter Einsatz von Pestiziden hergestellt werden, sollte verboten werden. Bio gegen Trinkwasserschutz?
Mit der Trinkwasserinitiative war die Forderung verbunden, dass nur noch Betriebe mit Direktzahlungen oder Subventionen unterstützt werden, die keine chemischen Pflanzenschutzmittel einsetzen, in der Tierhaltung ohne vorbeugenden Antibiotikaeinsatz auskommen und nur soviel Tiere halten, wie sie vom eigenen Betrieb füttern können. Beide Initiativen hatten in den Städten deutlich mehr Befürworter als auf dem Land. Tatsächlich ist auch in der Schweiz das jährliche Höfesterben mit 2% erheblich. Und trotz deutlich höherer politischer Auflagen und Subventionen sind große Probleme bei Trinkwasserschutz und Artenvielfalt entstanden, die nun mit Unterstützung von Greenpeace, WWF Schweiz und dem ältesten Naturschutzverband pro Natura zurückgedrängt werden sollten. Zugleich sollte die Erzeugung von Bio- Lebensmitteln gefördert werden über den aktuellen Bio-Marktanteil von 11% hinaus. Neben dem Bauernverband, der vor einem Niedergang der heimischen Landwirtschaft und mehr (ökologisch schlechteren) Importen warnte, stellten sich ausgerechnet einige Bioorganisationen quer. Die IG Bio Schweiz lehnte beide Abstimmungen ab, weil die Forderungen zu weit gingen. Der Bio-Dachverband Bio Suisse vollzog einen Zickzack-Kurs. Ende 2020 befürwortete man das Pestizidverbot, aber man wollte sich nicht aktiv einsetzen. Mitte April dann die Kehrtwende. Die Mehrheit der Delegierten sprach sich gegen die Trinkwasserinitiative aus. Man sei sich zwar des Problems der Pestizidrückstände bewusst, allerdings sei das nicht nur ein Problem der Landwirtschaft. Intern wurde aber auch als Grund die Sorge vor einer Überhitzung des begrenzten Biomarktes und einem Preisverfall genannt. Eine organische, politisch gestützte Marktentwicklung sei vorzuziehen gegenüber politischen Kraftakten. Parallel zu den zwei genannten Initiativen scheiterte auch ein geplantes Gesetz zur Reduzierung des CO2- Ausstoßes. Mit diesem Gesetz wollte die Schweiz ihre Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens erfüllen. Agrarpolitische Beobachter müssen erkennen, dass auch die Schweiz kein Garten Eden für Landwirtschaft, Ökologie und Klimaschutz ist.
21.06.2021
Von: hg

Die Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» bedauert den Ausgang der Abstimmung.