Die Wende muss von unten kommen

Für Prof. Dr. Niko Paech, Nachhaltigkeitsforscher, Wachstumskritiker und Vertreter der sogenannten Postwachstumsökonomie muss die zur Erreichung von Nachhaltigkeit und zur Bekämpfung des Klimawandels auch in der Ernährungs- und Agrarpolitik notwendige Wende von unten kommen. Es sei eine der großen zivilgesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit, diese Wende selbst anzupacken. Dabei könnten viele kleine Projekte Nachhaltigkeit erlebbar machen. Das war eine der zentralen Aussagen seines Vortrages zum Thema „Landwirtschaft und Ernährung jenseits wirtschaftlichen Wachstums“ vor rund 250 Interessierten in Westerstede/Niedersachsen, zu dem ihn die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Niedersachsen/Bremen (AbL), der BUND Ammerland, der Küchengarten Westerstede, die Gruppe "Weniger. Ist. Machbar." - W.I.M., die Schutzgemeinschaft ländlicher Raum Nord-West und die Naturschutzgemeinschaft Ammerland eingeladen hatten. Prof. Paech machte deutlich, dass eine sichere Zukunft nur mit Reduktion möglich ist. Aus seiner Sicht bedeutet das aber nicht Verzicht, sondern vielmehr einen erheblichen Gewinn an Lebensqualität, wie mehr Zeit zu haben und mehr soziales Miteinander zu erleben. Zentrale Begriffe dabei sind Suffizienz und Subsistenz. Suffizienz, was mit Genügsamkeit übersetzt werden kann, beschreibt die Zufriedenheit mit dem, was man hat, sich von Ballast befreien, der einengt und Zeit raubt. Subsistenz ist in etwa gleichbedeutend mit Eigenproduktion, Selbstversorgung, Instandhaltung und gemeinnütziger Arbeit. Die elementaren Bedürfnisse, wie Essen, Trinken oder soziale Teilhabe seien im Laufe der jüngeren Geschichte erweitert worden um Statussymbole, wie SUVs, Flugreisen oder Kreuzfahrten, einem zweiten Fernseher oder einem dritten Smartphone, mit denen aber der Bezug zu den elementaren Bedürfnissen und deren Wert verloren gegangen sei. Wirtschaftliches Wachstum wird laut Paech paradoxerweise dadurch generiert, dass Güter eine bewusst eingebaute begrenzte Haltbarkeit haben, um sie immer wieder herstellen zu müssen. Innovation könne dagegen darin bestehen, Güter haltbarer und reparierbar zu machen und in dieser Hinsicht weiter zu entwickeln. Das ist für Paech nachhaltig und zukunftsfähig. Prof. Paech machte auch klar, dass einerseits besonders die flächenentkoppelte, industrielle Landwirtschaft einer der Verursacher des Klimawandels ist. Andererseits ist die Landwirtschaft selbst zugleich das Opfer des Klimawandels! Schon nach den beiden letzten trockenen Sommern gibt es Versorgungsengpässe beim Futter. Klimafreundliche regionale Ernährung ist möglich, wie eine Studie der Hamburger Hafen City 2016 ermittelt hat. Regionale Kreisläufe eröffnen eine ernst zu nehmende Perspektive für die Landwirtschaft, die zudem über Humusaufbau CO2 festlegen kann, um dem Klimawandel entgegen zu wirken. "Wir sehen den Input von Prof. Paech als Bestärkung in unserem Bestreben, die Akteure rund um Landwirtschaft, Klima- und Naturschutz mit Verbrauchern zusammen zu bringen" zieht Gunda Bruns von der Regionalgruppe Ammerland der AbL ein positives Fazit. "Die große Beteiligung zeigt, dass viele Menschen, Bäuerinnen und Bauern wie Verbraucherinnen und Verbraucher, verstanden haben, dass ein ‚Weiter so‘ die Konflikte um Landwirtschaft, Umwelt- und Klimaschutz nicht lösen kann, sondern dass dazu ein Umdenken und ein grundlegender Wandel des Systems nötig sind".
13.02.2020
Von: FebL/PM

Prof. Paech vor vollem Haus in Westerstede. Foto: Moritz Koennecke