40 Jahre AbL NRW: „Es braucht die kritisch- konstruktive Stimme der AbL – mehr denn je“

So fasste Bernd Schmitz, Vorsitzender der AbL NRW, auf dem Jubiläum zum 40- jährigen Bestehen die Erfahrungen und Perspektiven des Landesverbands aus den letzten Jahrzehnten zusammen. Gerade in der heutigen Zeit, die durch einen starken Veränderungsdruck auf die Landwirtschaft, durch Enttäuschungen auf politischer Ebene und durch ein Vordringen rechtspopulistischer Vorstellungen gekennzeichnet sei, seien demokratische Organisationen auf dem Lande besonders gefordert. Seit ihrer Gründung 1983 habe die AbL NRW die Agrarpolitik des Landes mitgeprägt und dabei immer auch die soziale Frage gestellt. Vor allem in den Bereichen artgerechter Tierhaltung, Gentechnikfreiheit, Eiweißpflanzenanbau oder nachwachsende Rohstoffe habe sich der Verband in den vergangenen 40 Jahren intensiv eingebracht.
 

Umbau der Tierhaltung im Mittelpunkt
Im Fokus der Diskussion zwischen Podiumsteilnehmenden und Publikum stand nach einem Rückblick auf die Entwicklung der AbL insbesondere der Umbau der Tierhaltung und die Auflösung des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, der „Borchert-Kommission“. Karl Friedrich Osenberg, Gründungsvorsitzender der Bundes- AbL aus dem Sauerland, wies auf die besondere Bedeutung der Tierhaltung für die bäuerliche Landwirtschaft hin, die einer Mehrzahl von Betrieben das Einkommen sichere. Die AbL als Vertreter der kleineren und mittleren Betriebe habe immer für eine gerechte und faire Bezahlung der geleisteten Arbeit gestritten und dürfe das auch unter heutigen Bedingungen einer zunehmenden Auflagenpolitik und eines Preisdrucks durch den nachgelagerten Sektor einschließlich des Handels nicht vernachlässigen. Auch zusätzliche Anforderungen aus Umwelt- oder Tierschutzgründen müssten hinterfragt, begründet und ausgeglichen werden. Besonders kritisch setzte er sich als langjähriger Rinderhalter mit dem Thema Wolf auseinander. „Wir wollen und sollen die Rinder auf die Weide lassen, schützen sie aber nicht wirklich vor dem Wolf. Das ist nicht einzusehen,“ ärgerte er sich auch mit Blick auf Organisationen im Agrarbündnis.

 

Umstritten: Wolf und Tierzahl- Halbierung

Onno Poppinga, emer. Agrarprofessor brachte seine Erfahrungen mit Bauerngruppen in Baden- Württemberg und Nordhessen in der Gründerzeit ein und betonte die Wichtigkeit der Kenntnisse über das Marktgeschehen. „Ohne die Zusammenarbeit mit einem christlich gesinnten Landhändler wären wir damals nicht so erfolgreich gewesen.“ Scharf wandte er sich gegen heutige Forderungen nach Halbierung der Tierzahlen in der Rinderhaltung. „Wie soll ohne Rinder das Grünland genutzt werden. Wir haben bei uns viel weniger Rinder als vor 100 Jahren und sollen für die Erderwärmung und für den schädlichen Methanausstoß des Klimawandels verantwortlich sein?“

 

Was kommt nach „Borchert“?

In Anwesenheit von Jochen Borchert, Leiter der sogenannten „Borchert Kommission“, wurde besonders die Zukunft der Tierhaltung diskutiert. Der AbL- NRW Vorstand bedankte sich in vielen Beiträgen für die großartige Arbeit der Kommission für die Weiterentwicklung besonders bei der Schweinehaltung in Deutschland. Die Leistung, in schwierigen Zeiten mit gesellschaftlichen Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz einschl. einer breiten wissenschaftlichen Begleitung einstimmige Ergebnisse zu erzielen, die nicht nur Formelkompromisse darstellen, sondern echte Perspektiven aufzeigen, hätte vielen Tierhaltern Mut gemacht, erläuterte u.a. Friedrich Ostendorff, Mitbegründer und langjähriger Landesvorsitzender der AbL NRW. Er bedauere die Auflösung der Kommission, auch wenn er die Motive verstehen könne. Als ehemaliger Agrarsprecher der Grünen im Bundestag beklagte er: „Die Umstellungskosten, die uns Bäuerinnen und Bauern durch den Umbau der Tierhaltung entstehen, müssen honoriert werden. Aber Özdemir laviert herum. Die Grünen bekennen sich absolut zum Städtischen, nicht zur bäuerlichen Landwirtschaft.“ Julius Jacobi, Jungbauer und Vertreter der Jungen AbL ergänzte: „Die Zukunftskommission war gerade für die junge Generation wichtig. Sie hat uns eine Perspektive gegeben, die uns jetzt – selbst als ökologisch wirtschaftender Betrieb – fehlt. Es scheint, als wolle keiner die Tierhaltung.“

Auch Ursula Heinen-Esser, ehemalige Agrar- und Umweltministerin in NRW bedauerte die Entwicklung: „Die Kommission hat den Landwirten ein Zukunftsbild gezeichnet. Durch die fehlende Berücksichtigung der Ergebnisse und der daraus resultierenden Auflösung ist eine wesentliche Brücke abgeschlagen worden. Wo war der riesige Aufschrei? So fahren wir die Landwirtschaft gegen die Wand.“

 

Geist von „Borchert“ muss weiterleben

Landesvorsitzender Bernd Schmitz war sich mit dem anwesenden Präsidenten des Westfälisch – Lippischem Landwirtschaftsverbandes, Hubertus Beringmeier, einig, dass die Arbeit und die Ergebnisse nicht verloren gehen dürften. Man wolle nicht wieder in die Wagenburgen zurück und sich gegenseitig bekämpfen, auch wenn es Meinungsunterschiede wie bei der Gentechnik u.a. gebe. Die Einheit in Vielfalt in der Landwirtschaft und eine Zusammenarbeit im „Geiste“ der Borchert- Kommission sei angesichts der großen Herausforderungen von großer Bedeutung für den notwendigen Umbau der Landwirtschaft.

Über den Vortrag von Wolfgang Reimer, Ex- Amtschef in Baden Württemberg und Vorsitzender der agrarsozialen Gesellschaft zum Thema:

„Landwirtschaft – Zukunft in einer Welt der Veränderung und Unsicherheit“ Entwicklungspfade für die Landwirtschaft“ berichten die Bauernstimme – Nachrichten in der nächsten Ausgabe.

 

13.09.2023
Von: Hugo Gödde

Eindrücke von den unterschiedlichen Podien zum 40 jährigen Jubiläum der AbL NRW, Fotos: Schievelbein