2021 - Wieder ein turbulentes Jahr am Schweinemarkt zu erwarten

Das bisherige System der ständigen Rationalisierung bzw. der Billigfleischproduktion stößt überall an seine Grenzen. Nimmt man noch die Anforderungen der Gesellschaft und die neuen gesetzlichen Auflagen von der Kastration, dem Kupierverzicht, den Kastenstandsanforderungen bis zur Düngeverordnung und dem Insektenschutz hinzu, benötigt man keine große Phantasie, um die Anzeichen der Zeitenwende in der Schweinehaltung zu erkennen. Zu diesem Ergebnis kommt Marktbeobachter Hugo Gödde beim nachfolgenden Blick auf den Schweinemarkt, in dem er auch „einen interessanten Ausweg aus der Krise“ aufzeigt. Nach 2020 scheint auch dieses Jahr wieder ein turbulentes Jahr an den deutschen Schlachtviehmärkten zu werden. Anfang des vergangenen Jahres sah es noch sehr vielversprechend aus, dass Marktexperten „ordentliche Perspektiven und einen warmen Regen“ vorhersagten, so Dr. Frank Greshake im westfälischen Wochenblatt: „2020 wird ein gutes Jahr“. Aber auch Marktexperten können sich irren, vor allem in solch turbulenten Zeiten wie diesen. Bis zum Frühsommer sah alles noch gut aus, dann zog Corona die Handbremse und die Preise fielen ins Tal. Als dann noch im Herbst der Ausbruch der Afrikanischen Schweinpest (ASP) und der Exportstopp in wichtige Drittländer dazukam, rutschte der Preis auf das tiefste Niveau seit Jahren. Trotzdem lag der Schweinepreis im Schnitt 2020 bei 1,60 €/kg zwar um 8% unter 2019, aber über dem langjährigen Schnitt. Auch das 28 kg Ferkel schnitt mit 54,57 € (so die Berechnungen des Agrarmarkt-Informationsdienstes AMI) im langjährigen Mittel nicht so schlecht ab. Aber die dringend erforderlichen erfreulichen Gewinne des Wirtschaftsjahres 2019/2020 und der entsprechende Kontostand haben sich im zweiten Halbjahr in Luft aufgelöst. 2020 deckt viele Probleme und Schwächen auf
Nicht nur die aktuell mangelhaften Erzeugerpreise zeigen die grundlegenden Probleme des Schweinemarktes auf. Neben den katastrophalen Arbeitsverhältnissen der osteuropäischen Werksarbeiter auf den Schlachthöfen, die mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz des Bundes und einem baldigen Tarifvertrag hoffentlich in normale Bahnen gelenkt werden, verstärkten sich auch andere Entwicklungen. Der Fleischverbrauch schrumpfte auch im letzten Jahr um 3% und besonders der Schweinfleischverzehr ging auf 31,7 kg pro Kopf um 5% zurück. In den letzten sechs Jahren sank er sogar um 20%. Auch für 2021 wird mit minus 4% gerechnet. Allein der gestiegene Geflügelkonsum stellt sich gegen den Trend. Weniger Export und weniger Import
Der Export, der noch bis zum Sommer 2020 alles herausriss, reduzierte sich über ganze Jahr gesehen um ca. 7%. Neben den Rückgängen in andere EU- Länder um 3% waren die Ausfuhren in Drittländer um über 10% rückläufig. Dabei zeigte sich die ganze Abhängigkeit vom Export und besonders von dem Absatz nach China. Dr. Greshake hatte im Januar 2020 recht mit seiner Prognose: „Alles schaut nach China.“ Chinas Bauern litten unter der ASP und wir profitierten – bis September. Jetzt hat sich der Wind gedreht. In China werden die Bestände wieder aufgebaut. Die Sauenbestände sind schon wieder auf dem Weg zu Vor-ASP-Zahlen und auch die Schlachtzahlen steigen. In zwei bis drei Jahren will Peking wieder auf altem Stand sein und den Import um zwei Drittel zurückfahren. Solange können sich die Exporteure aus aller Welt, von EU, USA, Brasilien und Kanada auf ein Zwischenhoch freuen. Ausgerechnet in dieser Zeit fällt voraussichtlich der Export für Deutschland weitgehend aus, wenn sich die Regierungen nicht auf neue ASP- Handelsregeln einigen. Bis September gingen 25% der deutschen Exporte bzw. 67% der Drittlandsausfuhren ins Reich der Mitte. Auch die früher beliebten Umwege über Hongkong sind angesichts des politischen Konflikts riskant geworden. Und für 2021 wird ein Exportrückgang von etwa 20% prognostiziert. Gut, dass sich auch die Lebendimporte um 10% reduzierten. Die Einfuhren von Ferkeln und Schweinen aus Dänemark (-5%), Niederlande (-8%) und Belgien (-46%) fielen auf 13 Mio. Tiere. Weniger Schweine und weniger Schlachtungen
Auch die Schlachtungen gingen um 4-5% im letzten Jahr zurück. Wenn man die offiziell nach Fleischgesetz meldepflichtigen Schlachtungen zugrunde legt, sanken die Schlachtungen von 47,5 auf 44,3 Mio. Schweine ( -6,7%). Auch für 2021 wird mit sinkenden Zahlen gerechnet, nicht nur weil immer wieder Coronafälle in den Schlachthöfen auftauchen, die die Betriebe stilllegen oder die Kapazitäten beschränken, sondern weil voraussichtlich die Schlachttiere fehlen werden. Aktuelle Schätzungen der AMI gehen bei der Inlandserzeugung von einem Minus um mehr als 10% aus. Die Sauenzählung im November ergab einen Rückgang von 6% und auch die erhöhten Sauenschlachtungen der letzten Monate weisen in die gleiche Richtung. Zeitenwende und Umbau der Schweinehaltung
Rückgang der Schweine, Rückgang der Schlachtungen, Rückgang des Schweinefleischverzehrs, Rückgang des Exports – diese Entwicklungen bedeuten kurzfristig nicht nur eine Erzeugungs- und Marktkrise, sondern verschärfen auch den Strukturwandel, d.h. die Aufgabe von Höfen. Das bisherige System der ständigen Rationalisierung bzw. der Billigfleischproduktion stößt überall an seine Grenzen. Nimmt man noch die Anforderungen der Gesellschaft und die neuen gesetzlichen Auflagen von der Kastration, dem Kupierverzicht, den Kastenstandsanforderungen bis zur Düngeverordnung und dem Insektenschutz hinzu, benötigt man keine große Phantasie, um die Anzeichen der Zeitenwende in der Schweinehaltung zu erkennen. Marktexperten geben Prognosen aus, dass die Tierzahlen im zweiten Quartal so weit sinken, dass sich die Preise erholen werden. Die ersten Anzeichen bei den leicht steigenden Ferkelpreisen seit Neujahr stützen diese Annahme. Aber diese Erholung wird von den Bauern teuer erkauft werden, weil sie nicht auf einer Strategie ruht und keine Perspektive für die Erzeuger anbietet, sondern nur Einkommensverfall und Hofaufgabe. Wieder nach der alten Devise des Marktes: Wenn genügend aufgeben, bleiben für die Überlebenden wieder ein paar Krümel des Kuchens übrig – bis in der nächsten Krise die nächsten weichen müssen. Aber auch viele Bäuerinnen und Bauern erkennen zunehmend, dass die Krise als Zeichen einer Zeitenwende zu verstehen ist, in der die Tierhaltung und die Fleischproduktion sich nach den gesellschaftlichen Erfordernissen ausrichten werden – mit mehr Tierwohl, einer differenzierten Erzeugung, einer Tierwohlprämie beim Verbraucher, einer Unterstützung durch „die Politik“ und einem Kostenausgleich für die Erzeuger. Die Empfehlungen der Borchert- Kommission haben einen interessanten Ausweg aus der Krise gezeigt, der auf dem Umbau der Tierhaltung fußt und auch die gesellschaftliche Kritik an der aktuellen Erzeugungs- und Marktkrise einschließt. Aber je länger der Umbau verzögert wird, desto mehr Verluste wird es kosten. Wenn bis Ende eines weiteren turbulenten Jahres endlich Schritte in diese Richtung erfolgt wären, könnte 2021 trotzdem noch ein gutes Jahr werden.
08.02.2021
Von: FebL/Hugo Gödde

Bei einem "Weiter so" in der Agrarpolitik droht nur Einkommensverfall und Hofaufgabe. Foto: FebL