Wer Neue Gentechniken sät, wird Patente ernten

Ursprünglich führten Konzerne wie Bayer und Monsanto die Patentierung ein, um ihr mit Gentechnik erzeugtes Saatgut zu einem lukrativen Geschäftsmodell zu machen. Inzwischen werden auch die Pflanzen aus neuer Gentechnik (NGT) regelmäßig zum Patent angemeldet. Große internationale Konzerne wie Corteva (ehemals DowDuPont) und Bayer sind hier führend. Mittelständische europäische Züchter, die mit neuer Gentechnik arbeiten wollen, müssen oft Verträge mit den großen Konzernen unterschreiben und geraten so in neue Abhängigkeiten. Corteva und Bayer (zusammen mit Monsanto) haben die höchste Anzahl an Patenten, die für Firmen in diesem Zusammenhang erteilt wurden, und auch die höchste Anzahl an Patentanträgen: Corteva hat bis Ende 2022 fast 100 und Bayer mehr als 60 Patente angemeldet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Europäische Patentamt bereits rund 30 dieser Patente für Corteva erteilt. Ohne Zweifel hat diese US-Firma schon jetzt eine dominierende Marktposition bei NGT-Pflanzen.

Auch konventionell gezüchtete Sorten
In vielen Fällen ist die Reichweite dieser Patente aber keineswegs auf die Gentechnikpflanzen begrenzt. Der Trick: Beansprucht werden die jeweiligen Genveränderungen, unabhängig davon, ob sie gezielt mit der Genschere herbeigeführt wurden oder per Zufall entstanden sind. So wurden für die Kleinwanzlebener Saatzucht (KWS) Patente auf Maissorten erteilt, die aus konventioneller Züchtung stammen, aber mit der Genschere CRISPR/Cas „nachgemacht“ werden könnten. Das Perfide: Firmen wie die KWS wollen den Zugang zur biologischen Vielfalt auch dann kontrollieren, wenn keine Gentechnik eingesetzt wird. In den letzten Jahren stieg in Europa die Zahl von Patenten auf traditionell gezüchtete Pflanzen wie Brokkoli, Tomate, Melone, Spinat, Salat, Mais, Weizen oder Gerste stark an. Mehr als 1.000 konventionell gezüchtete Pflanzensorten sind bereits von Patenten betroffen. Das stellt die ZüchterInnen vor erhebliche Probleme und große rechtliche Unsicherheiten: Bisher konnten sie alle konventionell gezüchteten Sorten für ihre eigenen Züchtungen verwenden und so dazu beitragen, dass immer noch bessere Sorten entstehen. Diese Freiheit der traditionellen Züchtung (Züchterprivileg), die eine Grundlage für die Vielfalt auf dem Acker und unserer Ernährung ist, könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Viele ZüchterInnen werden entweder die Züchtung aufgeben müssen oder durch den Abschluss von Lizenzverträgen in die Abhängigkeit der großen Unternehmen geraten. Die Folgen betreffen uns alle: Landwirtschaft, Lebensmittelhersteller und VerbraucherInnen.

Behindert und blockiert
Die Unabhängigkeit von traditionellen ZüchterInnen in Europa muss erhalten bleiben. Der dafür notwendige Zugang zu biologischer Vielfalt, auch um auf Klimawandel und Artensterben zu reagieren, darf nicht durch Patente kontrolliert, behindert oder blockiert werden. In der Folge müssen Patente auf Verfahren, die auf Kreuzung, Selektion, der Verwendung natürlicher genetischer Variationen oder zufälligen Mutationen beruhen, ebenso verboten werden, wie die Ausweitung von Ansprüchen von Gentechnikpatenten auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere, auf Pflanzensorten und Tierrassen. Gestoppt werden können die Patente auf konventionelles Saatgut durch eine geänderte Auslegung der Patentgesetze. In Österreich hat der Gesetzgeber das nationale Patentgesetz schon erfolgreich geändert und die Patente auf Gentechniksaatgut begrenzt. Damit diese Regelungen auf europäischer Ebene wirksam werden, müsste vor allem die EU jetzt klarstellen, dass nur gentechnisch veränderte Pflanzen patentiert werden können, konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere aber nicht. Entsprechende Verbote gibt es bereits, sie müssen jetzt vor dem Hintergrund der Neuen Gentechnik auch durchgesetzt werden.

Bereitschaft zu handeln
Tatsächlich scheinen viele PolitikerInnen bereit, hier aktiv zu werden. Sowohl im EU-Parlament als auch in den EU-Mitgliedsstaaten wächst das Problembewusstsein und damit die Bereitschaft zu handeln. Dabei wollen viele Akteure nicht nur Patente auf die konventionelle Zucht, sondern auch auf NGT-Pflanzen verbieten. Doch hier stößt die EU an ihre Grenzen: Sollen Patente auf Pflanzen verboten werden, die aus gentechnischen Verfahren stammen, müsste nicht nur das Patentrecht der EU, sondern das aller 39 Vertragsstaaten des Europäischen Patentamtes (EPA) geändert werden. Das scheint derzeit nicht umsetzbar. Die EU kann aber einen ähnlichen Weg wie Österreich gehen: Verhindern, dass sich diese Patente auch auf die konventionelle Zucht auswirken. Kommt es hier nicht zu einer klaren und rechtssicheren Auslegung der Verbote, werden Konzerne wie Bayer und Corteva schon bald jegliches Saatgut kontrollieren können – mit oder ohne Gentechnik. Die entscheidende Frage ist also nicht, ob NGT-Pflanzen patentiert werden – davon ist sicher auszugehen. Wer NGT-Pflanzen anbaut, wird Patente ernten. Die richtige Frage ist, wie verhindert werden kann, dass diese Patente auch die konventionelle Zucht betreffen.

11.01.2024
Von: Christoph Then, Geschäftsführer der NGO Testbiotech, Sprecher Save our Seeds

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