Kommentar: Veränderungs- und Bündelungswille gefragt!

Der bäuerliche Blick auf den aktuellen Milchmarkt und dessen Entwicklung ist ein zwiespältiger. Zum einen zeigt jede Milchabrechnung, die einige Tage nach dem jeweiligen Monatsletzten ins Haus flattert und sich nochmal später auf dem Kontoauszug wiederfindet, dass es Luft nach oben gäbe, wenn es darum geht, was den generell steigenden Produktionskosten mehr gerecht werden könnte, um einen wirtschaftlich gerechteren Erlös erzielen zu können. Zum anderen tönen von vielen Seiten (Politik, Interessenverbände, Marktbeobachter) unterschiedliche Ansätze, Einkommen der Milchbäuerinnen und -bauern zu stabilisieren und den Wert der Arbeit ins passendere Verhältnis zum Aufwand zu setzen. Das ist alles richtig, spiegelt sich aber auf unseren Kontoauszügen nicht wieder. Ein Knackpunkt ist dabei, dass wir die Milch liefern statt sie zu verkaufen. Wir Milchbäuerinnen und -bauern sind das seit jeher so gewohnt. Die Bündelung in Erzeugergemeinschaften ist gerade im Milchsektor noch zu wenig ausgeprägt. Wir haben jetzt die Chance auf Veränderung.

Der Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) ist dabei ein wichtiger und längst notwendiger Hebel, denn er schreibt eine Vertragspflicht vor Lieferung mit Mengen-Preis-Bezug vor. Die AbL fordert eine wirksame Umsetzung dieses Instruments. Und auch andere Seiten dringen lange schon darauf, was jetzt endlich als Ansatz in der politischen Arbeit angekommen ist. Es ist zwar kein Allheilmittel, aber es ist ein Einstieg in ein neues System für uns Bäuerinnen und Bauern.
Dessen Anwendung kann, wenn wirksam ausgestaltet, das bisherige Ablieferungssystem verändern, das ist auch gut so und längst überfällig. Zugleich bringt der Art. 148 aber auch die Verantwortung und die Verpflichtung mit sich, anfangen zu müssen, für seine Verhandlungsmacht einzustehen. Der Systemwechsel wird ein anspruchsvoller sein – weg von der vermeintlichen Sicherheit der Andienungspflicht, die jedes abgelieferte Kilogramm Milch vergütet. Wir müssen uns mit guten Vertragsinhalten beschäftigen, keine wirtschaftlich ungünstigen Knebelverträge zulassen, aber wir dürfen auch den Mut haben, es gut machen zu können. Verbände wie die MEG Milch Board und das European Milk Board haben dafür schon Leitfäden für uns Bäuerinnen und Bauern erarbeitet. Eine weitere Wirkung des Art. 148 GMO kann eine Abmilderung der Volatilität des Marktes sein.
„Allein machen sie dich ein“ heißt eine Textzeile der Band 'Ton Steine Scherben'. Wir werden uns bündeln müssen in Erzeugergemeinschaften, um unsere Verhandlungsmacht zu stärken.

Ziemlich außer Acht gelassen wird politisch immer noch eine Weideprämie. Vor allem Betriebe mit höherem Grünlandanteil können in der aktuellen GAP nicht an den Ökoregelungen in dem Maß partizipieren, wie es für den notwendigen und sinnvollen Umbau der Nutztierhaltung mit den allgegenwärtigen Forderungen nach mehr Tierwohl richtig und honorierend wäre. Die Mehrarbeit im bäuerlichen Alltag wird derzeit in keinster Weise im erlösten Milchpreis abgebildet.
Gerade das Thema Tierwohl und sinnvoller Umbau der Nutztierhaltung stellt viele Betriebe vor große Herausforderungen. Der Investitionswille ist da, es müssen aber Finanzierung und verlässliche langfristige Planbarkeit gegeben sein. Wir brauchen jetzt Mut, wir brauchen Veränderungswillen und wir brauchen Erzeugergemeinschaften und Bündelungswillen. Es liegt an der Politik, marktpolitische Rahmenbedingungen zu setzen, und es wird weitere Instrumente brauchen. Es liegt an uns Bäuerinnen und Bauern, diese zu nutzen und uns aus der Situation des Restgeldempfängers raus zu bewegen und unsere guten Erzeugnisse wirklich zu verkaufen.