Arbeitsgruppe aus ZKL und Borchert-Kommission schlägt Mehrwertsteuerlösung zur Tierwohlfinanzierung vor

Verschiedenen Medienberichten zufolge (u.a. AGRA Europe, BILD-Zeitung, top agrar, taz) hat eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) und der Borchert-Kommission (Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung) einen Vorschlag für eine langfristige Tierwohlfinanzierung vorgelegt. Demnach spricht sich die Arbeitsgruppe im Vorfeld des heutigen Gesprächs mit Bundeskanzler Olaf Scholz für eine schrittweise Anhebung der ermäßigten Mehrwertsteuer auf tierische Produkte aus. Eine solche Anhebung sei “vergleichsweise einfach, weil kein neues Politikinstrument geschaffen, sondern lediglich ein Steuersatz einer bestehenden Steuer angepasst werden muss”, heißt es demnach in dem Vorschlag. Mitglieder der Arbeitsgruppe wie der Namensgeber der Borchert-Kommission, Jochen Borchert, äußerten sich zufrieden mit dem Ergebnis. In ersten Reaktionen zeigte sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir „offen“ für diesen möglichen Finanzierungsweg, während beispielsweise Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied den Vorschlag ablehnt, obwohl DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken der Arbeitsgruppe angehörte, die laut dem Arbeitsgruppen-Mitglied Prof. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzring (DNR), „konsensual“ entschieden habe.

Jochen Borchert begrüßte gegenüber AGRA Europe die Einigung. Er sei sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Arbeitsgruppe und hoffe, dass die Koalition den Vorschlag aufgreife. Die Chancen, dass noch in dieser Legislaturperiode eine Umsetzung erfolgt, beurteilt der frühere Bundeslandwirtschaftsminister allerdings zurückhaltend. Gegenüber der taz erklärte er: „Ich bin sehr skeptisch, weil die FDP bei ihren roten Linien ‚Keine neuen Steuern, keine Steuererhöhungen‘ geblieben ist, und ich habe große Zweifel, ob sie jetzt bei der Finanzierung der Transformation der Nutztierhaltung einer Erhöhung der Mehrwertsteuer zustimmt“.

Von einem „Meilenstein“ sprach laut AGRA Europe (AgE) der DNR-Präsident Prof. Kai Niebert. Erstmals melde damit ein Sektor nicht nur Finanzierungsbedarfe für die Transformation an, sondern mache auch einen konsensualen Vorschlag, wie diese bezahlt werden sollen. Niebert zeigt sich laut AgE zuversichtlich, „dass der Bundeskanzler diese Chance erkennt und die Ampelkoalition noch in dieser Legislaturperiode erste Schritte für eine Mehrwertsteuerlösung auf den Weg bringt“.

Die Arbeitsgruppe ist sich laut Niebert zudem einig, dass ein Förderzeitraum von sieben Jahren für die Landwirte nicht ausreicht. „Die Landwirte brauchen langfristige Verträge, wenn sie in mehr Tierwohl investieren sollen“, betonte Niebert laut AgE. Dass dafür politische Lösungen möglich und staatliche Förderungen über 20 Jahre machbar seien, zeige das Beispiel EEG.

Özdemir: Die Höfe brauchen eine wirtschaftliche Perspektive

Mit Blick auf den Vorschlag der Arbeitsgruppe erklärt Minister Özdemir: “Auf Wunsch der Regierungsfraktionen hat mein Ministerium ein Finanzierungskonzept für einen Tierwohlcent ausgearbeitet, um unsere Landwirtschaft langfristig zu unterstützen. Das haben wir geliefert und auch dem federführenden Bundesfinanzministerium zur Verfügung gestellt.
Ich habe aber auch immer betont, dass ich für andere Finanzierungswege – etwa über die Mehrwertsteuer – offen bin. Voraussetzung ist dabei, dass dieser Weg auch von der deutschen Landwirtschaft unterstützt wird. Ich begrüße daher, dass die ZKL, in der vom Bauernverband bis zur Verbraucherseite alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten sind, sich klar dafür ausspricht, die unter Druck stehende Tierhaltung in Deutschland zu unterstützen. Der Vorschlag der ZKL, die Mehrwertsteuer auf Fleisch schrittweise zu erhöhen und gleichzeitig bei Obst und Gemüse auf null zu setzen, hätte auch eine gesundheitsförderliche Lenkungswirkung und unterstützt so auch die Ackerbauern und den Gartenbau.“

Nun ist es nach Ansicht des Ministers an der Politik, sich zu einigen. „Vergessen wir nicht, es geht um die Zukunft unserer Landwirtschaft. Was nicht geht, ist, jeden machbaren Vorschlag abzulehnen und keine konsensfähige Alternative vorzulegen. Die Höfe brauchen eine wirtschaftliche Perspektive. Jeder Hof, der nicht aufgibt, sondern auch künftig Tiere unter guten Bedingungen hält, sorgt dafür, dass weiterhin gutes Fleisch aus Deutschland kommt", so der Minister.

Rukwied: Erhöhung auf den Regelsteuersatz lehnen wir ab

„Für die aktuellen Meldungen über steigendende Fleischpreise im Zuge des Umbaus der Tierhaltung hat der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, kein Verständnis“, heißt es in einer Mitteilung des DBV. „Eine Mehrwertsteuererhöhung auf den Regelsatz oder einen Tierwohlcent lehnen wir ab. Das Geld für den Tierwohlumbau muss aus dem Bundeshaushalt kommen. Zudem muss zuerst sichergestellt werden, dass die notwendigen Beträge bei den Landwirten ankommen. Darüber hinaus sind Verträge mit einer Laufzeit von 20 Jahren eine zwingende Voraussetzung. Nur unter diesen Bedingungen kann der Tierwohl-Umbau gelingen“, so Rukwied.

Beteiligt an der Arbeitsgruppe waren laut AgE der Präsident vom Deutschen Naturschutzring (DNR), Prof. Kai Niebert, Jochen Borchert, Thünen-Präsident Prof. Folkhard Isermeyer, Raiffeisenpräsident Franz-Josef Holzenkamp, DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken, der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt, Tierschutz-Präsident Thomas Schröder, der AbL-Vorsitzende Martin Schulz, BÖLW-Vorstandsmitglied Hubert Heigl, VZBV-Vorstand Ramona Pop, Björn Fromm vom Lebensmittelhandelsverband Deutschland sowie Agora Agrar-Direktor Prof. Harald Grethe.

11.04.2024
Von: FebL

Eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission hat einen Vorschlag für eine langfristige Tierwohlfinanzierung, zum Umbau der Tierhaltung vorgelegt. Foto: FebL