Höfesterben ist kein Naturgesetz, sondern Folge verfehlter Politik

Eine aktuelle Studie für den EU-Agrarausschuss belegt erneut, dass der Strukturwandel Millionen von Arbeitsplätzen auf dem Land gekostet hat – und weitere Millionen kosten wird, wenn die Politik nicht eingreift. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, mahnt eine radikal veränderte Subventionspolitik an.

Die von der Fachabteilung Struktur- und Kohäsionspolitik in der Generaldirektion Interne Politikbereiche vorgelegte Studie zeigt nach Ansicht der Autor:innen unter anderem, „dass der zahlenmäßige Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe maßgeblich auf eine Marktstruktur zurückzuführen ist, die – bedingt durch niedrige Gewinnspannen und eine schwache Verhandlungsposition – eine intensive Produktion und Großbetriebe begünstigt.“ Weiterhin werde gezeigt, „dass die GAP nicht in der Lage ist, die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen angemessen zu bewältigen, und dass sie nur begrenzt in der Lage ist, die Zwänge der Agrarmärkte mit dem Europäischen Agrarmodell und neuen gesellschaftlichen Anforderungen in Einklang zu bringen. Der politische Rahmen verfolgt die Ziele der nachhaltigen Entwicklung in puncto Ökonomie, Ökologie und Soziales, mindert aber kaum die Auswirkungen der Marktmechanismen auf die strukturelle Anpassung und die Resilienz der Ernährungssysteme.“ Da die GAP-Politik sich schwerpunktmäßig mit wirtschaftlichen Themen befasse (Einkommen der Landwirte, Wettbewerbsfähigkeit, Marktdruck), fließe „ein unverhältnismäßig hoher Anteil der Agrarausgaben an Großbetriebe, was wiederum indirekt zur Beschleunigung der Konzentrationsprozesse führt.“ Um die Verfolgung nachhaltiger Entwicklungsziele zu unterstützen, sei es erforderlich, den strategischen Schwerpunkt verstärkt zu verlagern, wobei den verschiedenen Übergangsstrategien mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. „So gilt es, die agrarpolitischen Strategien gründlich zu überarbeiten, auch im Hinblick auf strukturelle Ziele, um ein Umfeld zu schaffen, das multifunktionale und resiliente Strategien unterstützt, einschließlich neuer Formen und Arten der Landbewirtschaftung, landwirtschaftlicher Verfahren und Marktbeziehungen“, heißt es in einer Zusammenfassung der Studie.

Häusling: Kleineren Betrieben effektiver helfen

Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling, kritisiert die Haltung des Bauernverbades und fordert die Politik zur Korrektur der Fehlentwicklungen auf. „Führende Vertreter der europäischen Bauernverbände nehmen den eklatanten, nicht enden wollenden Rückgang der Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe schulterzuckend und als eine Art Naturgesetz gedankenlos hin. Das ist schon deshalb irritierend, weil allein zwischen 2003 und 2016 fast ein Drittel der Höfe verschwand. Doch von den verbliebenen rund zehn Millionen Höfen drohen bis 2040 weitere zwei Drittel aufzugeben. So dass nicht einmal mehr vier Millionen übrigbleiben – ein Viertel des heutigen Stands“, erklärt Häusling.

Dieser Rückgang werde natürlich gerade in Regionen, die seit jeher schwerer zu bewirtschaften sind, drastische Folgen zeigen. Landwirtschaft werde dort verschwinden. „Damit verlieren ganze Regionen weitere Arbeitsmöglichkeiten und die Chance auf regionale Wertschöpfung. Doch die Konsequenzen werden nicht nur in Randlagen zu spüren sein: Die wachsende Konzentration in Gunstlagen wird es dort immer schwieriger machen, Ziele des Arten-, Wasser- und Klimaschutzes adäquat umzusetzen, zumal mit der schrumpfenden Zahl der Unternehmen die Flächengröße erheblich in aller Regel zunimmt“, so der EU-Abgeordnete.

In der Tat, so Häusling, scheint auch die im Auftrag des EU-Agrarausschusses erstellte Studie zur Zukunft des europäischen Agrarmodells diesen Prozess als nur schwer steuerbar darzustellen. Das aber beziehe sich vorwiegend auf die bisherige Gemeinsame Agrarpolitik, lege die Untersuchung nahe.

„Denn die in der Studie benannten wesentlichen Gründe für die Begünstigung der Großbetriebe und der intensiven Produktion können durch die Politik korrigiert werden. Wenn die Verfasser meinen, dass magere Gewinnspannen und eine schwache Verhandlungsposition am Markt vielen Betrieben auf Dauer ein Durchhalten vereiteln, dann muss die GAP an dieser Stelle ansetzen. Das bedeutet unter anderem: Wenn die Flächenprämien weiter das zentrale Instrument der EU-Politik bleiben, dann wird die unheilvolle Spirale in Gang gesetzt bleiben, und sie wird weiter angeheizt. Dann kassieren Großbetriebe weiter ungeniert ab – und die Kleinen bekommen Almosen, mit denen sie auf Dauer nicht konkurrenzfähig bleiben“, so Häusling.

Statt dem ignorierend weiter zuzusehen, müsse die GAP über Instrumente aus der 2.Säule individuellere Zuschnitte in der Förderung erlauben. „Es muss möglich sein, kleineren Betrieben effektiver zu helfen, damit sie am Markt bleiben können. Denn es gibt in Europa und auch in Deutschland mannigfach kleinere Höfe, die durchaus existenzfähig sind und dies jeden Tag auch demonstrieren. Auch die Studie verlangt an diesem Punkt, in der GAP den strategischen Schwerpunkt verstärkt zu verlagern“, erklärt Häusling abschließend.