Angespannte Lage auch auf dem Biomarkt

Nach zwei erfolgreichen Jahren in der Coronazeit tritt auch auf dem Biomarkt   Ernüchterung ein. Die in den letzten Monaten kontinuierlich gestiegenen Kosten für Energie- und Futter konnten lange durch steigende Preise einigermaßen ausgeglichen werden. Jetzt aber trifft die Kaufzurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher auch den Ökobereich. Noch sind es nur einzelne Marktsegmente, aber die Nervosität breitet sich in der erfolgsverwöhnten Branche aus.

Nach dem Pandemie-Ausnahmejahr 2020 mit einem Umsatzwachstum von 22% wuchs der Biomarkt im letzten Jahr mit 5,8%. Für Unruhe sorgte allein, dass für das gute Ergebnis vor allem der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) mit 9,1% verantwortlich war, während der Naturkosthandel mit 3,3% ins Minus ging und sich diese Tendenz auch im ersten Quartal 2022 fortsetzte. Monat für Monat rutschte der Saldo um insgesamt 14% im Quartal weiter ab und auch das Ostergeschäft war vielfach unbefriedigend.

Der Absatzrückgang trifft aber auf weitere schwierige Faktoren. Die biolandwirtschaftlichen Erzeugerpreise stiegen in allen wesentlichen Einzelmärkten in neue Rekordhöhen, ohne aber für die Bio-Bäuerinnen und -Bauern gleich ein zusätzliches Einkommen zu bringen, da die Kosten gleichzeitig kräftig anzogen. Die Herausforderungen sind aber von Markt zu Markt verschieden.

Getreide knapp und teuer

Die Bio-Getreideproduzenten können sich über Preissprünge freuen, weil bei ihnen sich zwar Energie- und Transportkosten verteuerten, aber eben nicht die Düngemittel. Der Großhandel zahlte laut Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) Ende März für Brotweizen etwa 55 €/dt gegenüber 40 im Vorjahr. Futterweizen stieg von 35 auf 46 €/dt, Körnermais von 35 auf 45 €/dt und Roggen von 29 auf 41 €/dt.

Als Gründe werden genannt die kleinere Ernte 2021, die seit Jahresbeginn gestiegene Nachfrage als Folge der vorgeschriebene 100% Biofütterung für Mastschweine und Geflügel sowie die Warenverknappung durch den Ukraine- Krieg. Denn entgegen landläufiger Meinung benötigt auch der Biomarkt Mengen an Importfuttermittel. Die offene Frage bleibt, wieviele heimische Erzeuger von diesem Boom profitieren, da das meiste Getreide aus der alten Ernte längst verkauft ist. Aber für die kommende Ernte ist mit ähnlichen Preisen zu rechnen.

Getrieben wird diese Entwicklung weniger als im konventionellen Getreidemarkt durch den Ukraine-Krieg bzw. die fehlenden Weizenexporte aus der Kriegsregion als durch die allgemeine Kostenentwicklung und die Nachfrage. Da der Biomarkt im Wesentlichen ein regionaler (teilweise europäischer) Markt ist, der weniger durch globale Preisschwankungen beeinflusst wird, spürt er auch die Preisexplosionen nicht so sehr. Der Preisabstand zu konventionellem Getreide reduziert sich zusehends. Bei Weizen oder Mais bleibt eine Differenz bestehen, während Roggen und Hafer etwa auf gleicher Höhe liegen. Tatsächlich bedeutet das ein klarer Preisvorteil für die konventionelle Produktion, da die Erträge etwa 60% höher liegen. Konventionelle Marktkommentatoren können eine gewisse Schadenfreude nicht verhehlen. „Biogetreide jetzt billiger als normales Getreide“, heißt es, auch wenn bekannt ist, dass es nur auf einige Regionen und auf bestimmte Getreidearten zutrifft, die für die Gesamtproduktion weniger bedeutend sind. Außerdem ist zu prüfen, ob die Großhandelspreise nicht stärker gestiegen sind als die Erzeugerpreise. Trotzdem ist festzuhalten, dass aktuell besonders die heimischen konventionellen Getreideproduzenten von der Weltmarkthausse profitieren, aber auch für Dünger und Pflanzenschutz viel mehr ausgeben müssen. Es macht aber die hohe Abhängigkeit vom globalen Markt deutlich – und auch von der Spekulation im Welthandel. Ob sich das mittelfristig auszahlt, bleibt doch sehr die Frage.

Biomilch: Preisabstand schwindet    

Auch im Milchmarkt zeigt sich eine ähnliche Tendenz. Getrieben vom Weltmarkt, vor allem China, sind die konventionellen Erzeugerpreise in den letzten Monaten kräftig auf 44,8 ct/kg im März angezogen – Tendenz weiter steigend. „Milchpreise bald höher als Biomilchpreise – kein Witz“, ulkt der Marktkommentator in „agrarheute“ und fragt, wann die konventionelle Milch die Biomilch einholt oder gar überholt, zumal der Börsenmilchwert bei 66 ct/kg liegt, was anzeigt, dass der Preis noch viel Luft nach oben hat - aber auch dass sich die Exportmolkereien reichlich bedienen.

Tatsächlich ist der Abstand zwischen Biomilch und „normaler Milch“ von 13 ct. in 2021 auf etwa 8 ct/kg im März gesunken. Laut Bioland liegen die Biomilchmilchpreise bundesweit bei ca. 53 ct/kg, aber die Spanne reicht von 49 bis 57 Cent. Ein Unterschied in den Vermarktungswegen, Handels- oder Markenmolkereien sei nicht festzustellen. Im konventionellen sind die Exportmolkereien deutlich im Vorteil gegenüber den regionalen oder Marktmolkereien.

Der Biomilchabsatz, der etwa 4-5% Marktanteil erzielt, ist in 2021 um 2,6% gestiegen, stagniert aber derzeit und geht mancherorts zurück, z.B. im Naturkosthandel. Aber der Markt bleibt ausgeglichen.

Die steigenden Kraftfutterkosten, vor allem bei Eiweißkomponenten, verderben den Bäuerinnen und Bauern die Freude über die gestiegenen Preise. Wichtig wird deshalb in den nächsten Wochen und Monaten, wie das Grundfutter eingefahren werden kann. Erste Dürreanzeichen lassen nichts Gutes erahnen.

Bio-Schweine: trotz Rekordpreisen verunsichert

Der Bioschweinepreis kennt seit Monaten nur eine Richtung, nach oben. Laut AMI hat er im März im Schnitt 4,15 €/kg erreicht gegenüber 3,73 €/kg im Vorjahresmonat. Ferkel liegen mit 163 Euro etwa 18 Euro über März 2021. Damit übertreffen sie aber die konventionellen Preise um mehr als das Doppelte. Dennoch hat sich die Wirtschaftlichkeit nicht verbessert, da das Futter und andere Betriebsmittel erheblich zugelegt haben (s. Bio- Getreidepreise). Das gilt besonders für Betriebe mit wenig eigenem Futter. Einige Betriebe erwägen bereits, ihr Getreide in der neuen Ernte zu verkaufen statt zu verfüttern. Deshalb sollen bereits weniger Masttiere aufgestallt werden. Das trifft besonders die bisherigen niederländischen und dänischen Sauenhalter, die zuletzt die Ferkellücke auffüllten und die sich deutlich unterhalb der deutschen Preise bewegten.

Der Preisboom beim Bio-Schweinefleisch ist bisher kaum an der Ladentheke angekommen. Das scheint sich nach Ostern zu ändern. Jedenfalls ist die Nachfrage vorsichtiger geworden. Das seit Beginn der Schweinekrise vor zwei Jahren (Corona, ASP) gewachsene Umstellungsinteresse stockt zurzeit. Eine Entscheidung wird vielfach überdacht, weil die notwendigen Um- und Neubauten angesichts des Anstiegs der Baukosten kaum mehr finanziert werden können.

Überschüsse bei Bio-Eier

Bio-Eier gelten in der Bioerzeugung als besonders erfolgreich. Jedes Jahr werden etwa 100 Mio. Bio-Eier mehr gelegt. Der Anteil in Beständen von über 3.000 Legehennen an der Gesamtproduktion hat in 2021 die 13%-Marke (AMI) überschritten. Nimmt man noch die gerade im Biobereich hohe Zahl an kleineren Beständen (Mobilställe u.a.) hinzu, dürfte der Anteil wesentlich höher sein. Weiterhin stellen Betriebe auf Bio-Hühnerhaltung um, da sie mit der konventionellen Geflügelhaltung (auch Schweine) kein Auskommen erwirtschaften können.

Seit Anfang des Jahres berichten Marktteilnehmer von Überschüssen bei Bio-Eiern. Diese mussten dann auf dem Spotmarkt oder konventionell verkauft werden, was mit heftigen Verlusten verbunden ist. Da das Futter, der größte Kostenanteil, bereits im 4. Quartal 2021 und erst recht seit dem Ukraine-Krieg ungewöhnliche Preishöhen erreicht hat, steigt die Nervosität. Besonders Betriebe, die auf Zukauffutter angewiesen sind, trifft es hart, so dass erste Ställe schon leer bleiben. Da auch die Kosten für Junghennen steigen, ist ein Ausgleich für die Mehrausgaben nur beim Verbraucher zu holen. Doch der sperrt sich nach dem auch nicht berauschenden Ostergeschäft gerade. Die gestiegenen Preise versucht man durch die kleinere Verpackungsgröße (30% der Bio-Eier im Sechserpack) zu kaschieren. Ob es gelingt?

Bio-Geflügelmarkt bleibt angespannt    

Bio-Geflügelfleisch war im letzten Jahr ein Renner. Es hat sogar das Schweinefleisch in der Gunst der Kunden übertrumpft und ist nach Wurstwaren und Rindfleisch an die dritte Stelle im Biofleisch-Ranking gerückt. Aber auch hier ist die Lage angespannt. Einerseits werden noch Betriebe für Hähnchen, Puten oder Gänse gesucht. Andererseits macht sich der Preisauftrieb beim Futter, besonders beim notwendigen Eiweißfutter, bemerkbar – wenn überhaupt genügend Menge zu bekommen ist. Das scheint besonders die EU-Biobetriebe zu treffen. Außerdem haben sich die Fütterungsbedingungen seit dem Inkrafttreten der neuen Ökoverordnung verschärft. Daneben macht die Vogelgrippe in einigen Regionen den Landwirten Sorge. Einige Puten- und Hähnchenställe bleiben aus ökonomischen Gründen schon leer.     

Wenn als Folge z.B. Bio-Hähnchenbrustfilet, das wichtigste Geflügelprodukt, im LEH für 30 bis 35 €/kg angeboten wird (im Bioladen noch höher) und es für den Erzeuger trotzdem nicht reicht, wird schon mal die Frage gestellt werden, wieweit der Biokunde zu zahlen bereit sein muss.

Der Marktbeobachter meint, dass auch im Biobereich die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Green Deal, farm to fork und 30% Bio bis 2030 als Ziel der neuen Regierung haben große Hoffnungen geweckt, manchmal vielleicht sogar Übermut. Die politischen Leitziele sind richtig und notwendig. Aber wie sagte schon der Wirtschaftsphilosoph: „Entscheidend ist auf‘m Markt.“ Und dort wird es für die „Bios“ ein herausforderndes Jahr.  

Hugo Gödde