Einmischen ist gefragt

Die erste bäuerliche Demonstration in diesem Jahr vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Eine Delegation von 30 Bäuerinnen und Bauern mit ihren Treckern, Jugendblock mit Schubkarren, klare politische Botschaften. Eine Kundgebung, organisiert von der AbL, im Namen der Wir-haben-es-satt- Demonstration. Redner:innen des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft, der Kampagne Meine Landwirtschaft und der AbL machen den Ernst der Lage klar, tragen Erwartungen und Positionen vor. Der Bundesminister, begleitet von allen drei Staatssekretärinnen, nimmt sich mitten auf der Wilhelmstraße Platz, umringt von sehr vielen Medienvertretern, geht auf die Forderungen ein. Er stellt viele Gemeinsamkeiten nach vorne, versucht aber auch die Protestbewegung in die Pflicht zu nehmen, um seine Vorstellungen von einer anderen Agrar- und Ernährungspolitik auch durchsetzen zu können. Das ist doch jetzt ein grünes Ministerium, da können Sie sich doch mal ausruhen und abwarten, so eine Journalistin im Vorfeld. Können wir nicht, war meine Antwort. Der Erhalt von bäuerlichen Strukturen und Höfen, gerechtere Rahmenbedingungen – sie fallen nicht vom Himmel, nur weil die politische Hausspitze wechselt. Wir werden sie uns hartnäckig erkämpfen müssen und dazu bleibt der Druck der Straße wichtig. Die Herausforderungen sind groß: die Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik durch ein Punktesystem für die Leistungen auf dem Acker und im Stall gerechter machen; die Finanzierung für den kostenintensiven Umbau zu einer flächendeckenden artgerechten Tierhaltung sichern; außerlandwirtschaftliche Investoren stoppen, u. a. durch eine Reform der Grunderwerbssteuer und die Vergabe der BVVG-Flächen nach Gemeinwohlkriterien; die gezielte Förderung für junge Menschen, um Zugang zu Land und Kapital für Existenzgründung zu bekommen; faire Preispolitik durch kartellrechtliche Veränderungen genauso wie Marktkriseninstrumente durchsetzen. Die Akzeptanz der Maßnahmen wird auch davon abhängen, ob vermehrte Kostenbelastungen mit finanziellen Entlastungen einhergehen. Die Neue Gentechnik muss reguliert werden, Vorsorge und Wahlfreiheit sind für uns unverzichtbar, wir setzen auf gentechnikfreie Bewirtschaftung. Die Unterstützung von Veränderungen, um nicht nur bei uns, sondern weltweit Klimagerechtigkeit herzustellen und unsere Ernten zu schützen. Immer auch die Menschen in anderen Teilen der Welt im Blick haben, die unter noch weit schwierigeren Bedingungen ums Überleben kämpfen, und deshalb fairen Handel in Vereinbarungen verankern, statt Konzerninteressen mit Aktienrenten für Landraub zu puschen. Notwendige Veränderungen gelingen nicht, wenn die Beteiligten halbherzig und zähneknirschend mitmachen sollen. Sie gelingen, wenn viele sie als Möglichkeit zur Verbesserung auch der eigenen Lebensgrundlagen begreifen. Vom praktischen Ermöglichen mehr profitieren als vom Verweigern. Wenn beim Blick morgens in den Spiegel gesagt wird: Ja, das kann ich sozial und wirtschaftlich vertreten, da kann ich mein persönliches Umfeld gewinnen, und ich finde gut, wenn ich aktiver Teil dieser Erneuerung werde, statt ins Abseits gestellt zu werden. Was folgt daraus für bäuerliche Interessenvertretungen? Gegen eine kommende Ökodiktatur wettern, Hass und Hetze in den digitalen Netzen verbreiten? Da stemmen wir uns gegen. Knallharte Opposition oder verlängerter Bewegungsarm der Politik sein? Beides falsch. Umarmen und kuscheln? Schön, aber hier unangebracht. Die AbL ist gut beraten, eine kritische politische Wegbegleitung zu machen und an der Umsetzung inhaltlich und aus der praktischen Sicht von Bäuerinnen und Bauern mitzuarbeiten. Politische Einmischung ist gefragt. Auf geht’s.

02.02.2022
Von: Georg Janßen AbL-Bundesgeschäftsführer

Georg Janßen