Protest gegen Patente auf Saatgut vor dem Europäischen Patentamt und bei der KWS

Gegen Patente auf Saatgut hat das Bündnis Keine Patente auf Saatgut, dem auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft angehört, sowohl vor dem Europäischen Patentamt in München als auch bei der KWS (Kleinwanzlebener Saatzucht) in Einbeck/Niedersachsen protestiert.

Das internationale Bündnis Keine Patente auf Saatgut! hat dem Europäischen Patentamt (EPA) in München 250.000 Maiskörner aus ökologischer Züchtung übergeben. Jedes Maiskorn steht für eine Unterschrift für eine aktuelle Petition gegen Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen. Die darin erhobenen Forderungen werden von über 70 Organisationen aus 18 Ländern unterstützt. Mit der Aktion protestiert Keine Patente auf Saatgut! anlässlich einer Sitzung des Verwaltungsrates des EPA auch gegen ein jüngst erteiltes Patent der Firma KWS. Das Patent umfasst Maispflanzen, die nicht gentechnisch verändert sind.

Verpackt sind die Maiskörner in 39 Säcken, die jeweils mit einer der Landesflaggen der 39 Vertragsstaaten des EPA bedruckt sind. Deren VertreterInnen trafen sich am Tag des Protestes  im Rahmen der Sitzung des Verwaltungsrates. Keine Patente auf Saatgut! fordert Klarstellungen in den Patentgesetzen, um sicherzustellen, dass nur echte Erfindungen patentiert werden, nicht aber gängige Züchtungsverfahren und die biologische Vielfalt, die die Grundlage der Zucht ist.

„Die traditionelle Pflanzenzucht darf durch Patente auf Saatgut nicht behindert oder eingeschränkt werden. Das Züchterprivileg garantiert den ZüchterInnen die freie Verwendung aller auf dem Markt befindlichen Pflanzensorten, um noch bessere Sorten zu züchten. Nur dadurch kann auch in Zukunft die notwendige Vielfalt in der Pflanzenzucht gesichert werden," sagt Martha Mertens für den Bund Naturschutz in Bayern.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) unterstützt die Aktion in München aus Sorge um die Zukunft der Landwirtschaft: „Monopole auf Saatgut müssen verhindert werden, damit   die bäuerliche Landwirtschaft nicht in den Würgegriff der Saatgutmultis gerät. Wir fordern Freiheit für das Saatgut und einen Stopp des Missbrauchs des Patentrechtes", sagt Andrea Eiter, Geschäftsführerin der AbL in Bayern.

Mit der Petition von Keine Patente auf Saatgut! wird gefordert, dass die Schlupflöcher in der Auslegung des Patentrechts geschlossen werden. Tatsächlich verbietet das europäische Recht sowohl Patente auf konventionelle Züchtung als auch auf Pflanzensorten. Doch die aktuelle Praxis des EPA zielt auf eine Umgehung dieser Verbote.

Das Ende der traditionellen Pflanzenzucht

In Einbeck/Niedersachsen hat das Bündnis anlässlich der Jahreshauptversammlung der Firma KWS protestiert. Diese hat in den letzten Jahren vermehrt Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen angemeldet. Diese Patente gefährden das gesetzlich garantierte Züchterprivileg für konventionell gezüchtete Pflanzen, das die freie Zucht mit allen auf dem Markt befindlichen Pflanzensorten erlaubt. Keine Patente auf Saatgut! dazu einen Bericht zu den Patenten der Firma KWS, in dem gezeigt wird, welche Risiken von derartigen Patenten für die Pflanzenzucht ausgehen.

„Patente auf Saatgut dienen dazu, den Zugang zur biologischen Vielfalt zu kontrollieren, zu behindern oder gar zu blockieren. Sie bedeuten ein Ende der Freiheit der traditionellen Pflanzenzucht, die eine wichtige Grundlage der Nahrungsmittelsicherheit in Europa ist“, sagt Dagmar Urban von der Organisation Arche Noah, die selbst an Züchtungsprojekten beteiligt ist. „Patentierbar sind nur technische Erfindungen, nicht aber die genetische Vielfalt und die Eigenschaften von konventionell gezüchteten Pflanzen!“

Eines der vom Europäischen Patentamt (EPA) in München bereits erteilten KWS-Patente betrifft Mais mit einer erhöhten Verdaulichkeit (EP3560330). Dieses Beispiel wird vor Ort durch Skulpturen symbolisiert, die zwei Meter hoch sind. Weitere Standbilder visualisieren Patente auf Tomaten, Brokkoli und Braugerste, die vom EPA bereits für andere Firmen erteilt wurden. Mit einem Banner warnen die rund 20 DemonstrantInnen davor, dass die Patente der KWS die Zukunft der Pflanzenzucht gefährden. Sie fordern die Firma auf, ihre Patente zurückziehen.

„Die KWS sollte aus eigenem Interesse diese Patente zurückziehen. Anstatt das Patentrecht auf Bereiche auszuweiten, für die es nie gedacht war, sollte sich die KWS auf ihre Verantwortung für die Zukunft der Pflanzenzucht besinnen und sich auch aus ihrer Verantwortung gegenüber Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung für wirksame Verbote im Patentrecht einsetzen“, fordert Inka Baumgart von der jungen AbL, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.

Die von der KWS beanspruchten Eigenschaften betreffen wichtige züchterische Merkmale wie Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten, Viren und Pilzbefall, gegen Schädlinge wie Nematoden oder Toleranz gegen Klima-Extreme. Das Unternehmen bietet auf seiner Website Lizenzverträge für ihr konventionell gezüchtetes und patentiertes Saatgut für andere ZüchterInnen an. Diese müssen entsprechende Verträge unterzeichnen, wenn sie die patentierten Merkmale der KWS-Sorten vererben.

„Verwendet ein Züchter die von Patenten betroffenen KWS-Sorten, braucht er für deren Vermarktung eine Lizenz der KWS oder er muss langwierige und teure Patentrechtsstreitigkeiten befürchten. Da auch andere Konzerne ähnliche Patente anmelden, droht ein Lockdown der konventionellen Züchtung. Die rechtlichen Unsicherheiten sind für viele traditionelle Zuchtunternehmen kaum zu überblicken, ihnen drohen zumindest neue Abhängigkeiten von großen Konzernen,“ warnt Judith Düesberg vom Gen-ethischen Netzwerk in Berlin. „Mit ihren Patenten treibt die KWS einen Wettlauf um Patente an, den sie selber nicht gewinnen kann.“

Bisher gilt: Konventionelle PflanzenzüchterInnen können alle auf dem Markt befindlichen Sorten dazu verwenden, um noch bessere Sorten zu züchten und zu vermarkten. Dies ist nach dem sogenannten Züchtervorbehalt im Sortenschutz erlaubt und gewollt. Durch diese Freiheit der ZüchterInnen kann eine große Vielfalt an neuen Pflanzensorten entstehen.

Vor diesem Hintergrund fordert Keine Patente auf Saatgut!  auch sofortige Maßnahmen der Politik, auf nationaler wie internationaler Ebene für das Verbot der konventionellen Züchtung durchzusetzen und die Freiheit der traditionellen Züchtung zu bewahren.

13.12.2022
Von: FebL/PM

Protest vor dem Europäischen Patentamt in München. Foto: Falk Heller

Protest gegen Patente auf Saatgut vor dem Europäischen Patentamt in München und bei der KWS in Einbeck. Fotos: Kein Patent auf Saatgut/AbL