„Bundesminister Özdemir, sichern Sie die Ernten der Zukunft!“

Angesichts der durch die Klimakrise, durch anhaltende Hitze und Trockenheit beeinflussten Ernteergebnisse fordern Naturschützer ein Umdenken in der Landwirtschaft und die Politik zum Handeln auf. Nach Ansicht des BUND muss der Ackerbau jetzt dringend geändert und müssen Klima und Biodiversität besser geschützt werden. Der NABU betont die Dringlichkeit, die Agrarpolitik endlich an ökologischen Maßstäben neu auszurichten. Und der WWF fordert den Bundeslandwirtschaftsminister auf, die Landwirtinnen und Landwirte bei der Bewältigung der Folgen der Klimakrise zu unterstützen, indem er zum Beispiel eine vernünftige nationale Ackerbaustrategie mit klaren Zielen und Maßnahmen auf den Weg bringt.

BUND: Den Ackerbau dringend ändern

Zur Vorstellung der Ernteberichts 2022 durch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Zwar ist die Ernte in einigen Bundesländern sehr gut ausgefallen, doch ist das leider kein Grund zu Freude. Es ist alarmierend, dass die Getreideernte bundesweit dieses Jahr unter dem langjährigen Durchschnitt liegt. Obwohl es regional große Unterschiede, wie zum Beispiel gute Ernten in Baden-Württemberg gibt, sind die Folgen der Klimakrise inzwischen deutlich spürbar.“ Um auf die immer häufigeren Dürren einerseits und den zunehmenden Starkregen andererseits besser vorbereitet zu sein, müsse sich der Ackerbau jetzt dringend ändern. Hier sei die Politik gefordert. Klima und Biodiversität müssen mach Ansicht des BUND-Vorsitzenden besser geschützt werden – nur so ließen sich Lebens- und die Produktionsgrundlage der Landwirtschaft langfristig erhalten.

„Gerade jetzt sollte ein möglichst großer Teil des mineralischen Düngers durch tierischen Dung und Gründüngung ersetzt werden. Denn mit energieintensivem mineralischem Dünger sind wir abhängig von Energieimporten und schaden unseren Böden. Außerdem muss die große Verschwendung ein Ende haben: Nur in Fünftel des verfügbaren Getreides wird für den menschlichen Verzehr genutzt. Viel zu viel Getreide landet weiterhin im Tank oder in Tiermägen. Um das Klima zu schützen, müssen wir weniger Tiere halten und weniger tierische Produkte verzehren“, so Bandt. 

Zum Hintergrund heißt es beim BUND: Aus Sicht des BUND hilft in erster Linie der Humusaufbau, um für Dürren besser gewappnet zu sein. Humusreiche Böden können Wasser speichern. Humus kann aufgebaut werden, indem eine vielfältige Fruchtfolge eingehalten wird, bei denen viele Pflanzenreste und Wurzeln im Boden bleiben. Es müssen zudem trockenheitsresiliente Systeme aufgebaut und das Wasser in der Landschaft gehalten werden. Außerdem notwendig: der Anbau von Pflanzen wie Lupinen, die Luftstickstoff binden, das Ausbringen von Stallmist und hofeigenem Kompost sowie der Anbau von Kleegras, Untersaaten und Zwischenfrüchten. Um die Verdunstung auf landwirtschaftlichen Nutzflächen zu reduzieren, hilft auch der Erhalt und Neuanlage von Gehölzstrukturen wie zum Bespiel Hecken. Auch Agrofrostsysteme, bei denen zum Beispiel Bäume zwischen Getreide stehen, müssten stärker gefördert werden als bisher.

NABU: Gezielte und ausreichende Förderung von regenerativen Anbausystemen notwendig

Vor dem Hintergrund der von Hitze und Trockenheit beeinträchtigten Ernteergebnisse betont der NABU die Dringlichkeit, die Agrarpolitik endlich an ökologischen Maßstäben neu auszurichten. Nur durch eine gezielte und ausreichende Förderung von regenerativen Anbausystemen werde unsere Landwirtschaft zukunftsfähig und krisenfest. Die Regeneration landwirtschaftlicher Böden sei in diesem Zusammenhang von fundamentaler Bedeutung.

Dazu erklärt NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Dieses Jahr zeigt sich erneut, wie wenig unsere Landwirtschaft an die Folgen des Klimawandels angepasst ist. Wenn wir es nicht schaffen, deutsche Agrarflächen widerstandsfähiger gegen die Klimakrise zu machen, werden sich zunehmende Extremwetterereignisse wie Dürren, aber Hochwasser noch negativer auf die Erträge der Landwirtschaft auswirken. Landwirtschaftliche Betriebe können nur dann klimaresilient werden, wenn wir gezielt die Regeneration von Agrarökosystemen, Landschaftswasserhaushalten und nachhaltigere Bewirtschaftung fördern.”

Humusreiche, gesunde und artenreiche Böden sichern, so der NABU, nicht nur langfristig die Erträge, sondern binden auch große Mengen an Treibhausgasen. So leisteten sie einen entscheidenden Beitrag im Kampf gegen die Natur- und Klimakrise. „Das Wasser muss durch eine nachhaltigere und strukturreichere Bewirtschaftung langfristiger in der Fläche gespeichert werden, bevor es abfließt. Nur resiliente Agrarökosysteme und natürlicher Klimaschutz bieten langfristig Ernährungssicherheit”, sagt Simon Krämer, NABU-Experte für Ernährungssystem- und Bodenpolitik.

Zum Erhalt der Artenvielfalt und für gesunde Böden sei auch eine deutliche Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes von großer Bedeutung. „Das wird seit Jahren nicht nur von Umweltverbänden, sondern auch von der Gesellschaft gefordert und von der EU nun auch endlich vorangetrieben”, so Krämer. A

ls Hintergrund zu Extremwetterereignisse in der deutschen Landwirtschaft heißt es beim NABU: Durchschnittlich haben sich die Gesamtniederschläge in Deutschland zwar nicht stark verändert, Niederschläge treten wegen des Klimawandels aber immer unregelmäßiger auf und sind ungleichmäßig verteilt. Gleichzeitig verdichten schweren Maschinen den Unterboden, so dass das Wasser schwerer in tiefere Bodenschichten versickert. In der Folge kommt es zu Überflutungen. Das Wasser, das versickern kann, wird meist schnell durch Drainagen abgeleitet, weil die Landschaft seit Generationen auf Entwässerung ausgelegt ist. Die Folge: der Boden kann Niederschläge nicht schnell genug aufnehmen, der Grundwasserspiegel sinkt stark ab und Nutzpflanzen fehlt in entscheidenden Wachstumsphasen das Wasser. Um dem entgegenzuwirken, wird das Grundwasser vielerorts für die künstliche Bewässerung angezapft – ein Teufelskreis entsteht. Um sowohl der Wasserknappheit als auch der Natur- und Klimakrise entgegenzuwirken, fordert der NABU, Flächen und Lebensräume in Deutschland umfangreich zu renaturieren.

WWF: Vernünftige nationale Ackerbaustrategie erforderlich

Anlässlich der Vorstellung des Ernteberichts appelliert der WWF an den Bundeslandwirtschaftsminister: „Bundesminister Özdemir, sichern Sie die Ernten der Zukunft!“ Zu den Ernteergebnissen erklärt Johann Rathke, Koordinator für Agrarpolitik des WWF: „Eine Mischung aus ausgelaugten Böden und Hochertragssorten macht vor allem viele konventionell wirtschaftenden Betriebe anfällig für Wetterextreme. Das drückt die Erträge. Erweiterte Fruchtfolgen, ein verbesserter Humusaufbau und Anbausysteme mit einer besseren Fähigkeit Wasser zu halten, erhöhen die Widerstandsfähigkeit der deutschen Ackerwirtschaft gegen die Folgen der Klimakrise. Und die Böden werden wieder fruchtbarer. Humusreicher Boden speichert zudem mehr Kohlenstoff. So bieten Landwirtinnen und Landwirte der Erderhitzung und damit verbundenen Wetterextremen clever die Stirn und sichern zukünftige Ernten. Bundesminister Cem Özdemir kann sie dabei unterstützen - zum Beispiel, indem er eine vernünftige nationale Ackerbaustrategie mit klaren Zielen und Maßnahmen auf den Weg bringt.“

Über 8 Millionen Hektar Ackerland werden, so der WWF, in Deutschland nur für den Anbau von Futtermitteln genutzt. „Wir können und müssen die vorhandenen Flächen besser für die Ernährung nutzen. Dazu braucht es eine nationale Ernährungsstrategie, die den Verzehr von proteinreichen pflanzlichen Alternativen zu tierischen Erzeugnissen fördert. Auch hier ist Bundesminister Cem Özdemir am Zug“, so Rathke.