Weidemilch-Bündnis: „Label-Pläne von REWE, Lidl, Aldi und Edeka fatal"

Die Handelsketten ignorieren die Bedenken des Weidemilch-Bündnisses an den Label-Plänen zur Haltungskennzeichnung und gehen in die Umsetzung der umstrittenen Pläne. Bereits Mitte Juli sollen laut Medienberichten die neuen Kennzeichnungen umgesetzt werden. Mit einer ungewöhnlich breiten Allianz von Tierschutz-, Umwelt- und Agrarverbänden hatte Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte im Mai die Pläne des Einzelhandels abgelehnt, Weidemilch künftig der Haltungsform-Stufe 3 und damit nicht der Stufe 4 „Weide" im neuen 5-stufigen Haltungsform-Kennzeichnungssystem zuzuordnen. Nun gibt es Hinweise darauf, dass der Lebensmitteileinzelhandel (LEH) bereits Molkereien anweist, die Einstufung der Weidemilch in die neue Haltungsstufe 3 vorzubereiten. Eine Aktion, die Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte und das Bündnis alarmiert. Das Bündnis fordert, Weidemilch in die Haltungsstufe 4 „Weide" einzustufen.

Anlässlich der aktuellen Hinweise erklärt Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte: „Die vier Handelsriesen Aldi, Lidl, Rewe und Edeka werden mit ihrer Marktmacht die Weidemilchbetriebe an die Wand drücken. Dies passiert hinter verschlossenen Türen - ohne Dialog mit den Beteiligten. Mit Slogans wie ‚Wir lieben Lebensmittel' ist scheinbar nicht die Weidemilch gemeint. Wir wollen, dass mehr Tiere auf der Weide stehen, nicht weniger. Genau das wird aber passieren, wenn der Handel bei seiner Haltung bleibt." Ministerin Staudte forderte den Handel auf, den Dialog mit den Beteiligten zu suchen. Parallel werde Niedersachsen auf den Bund zugehen, um dort für das Anliegen zu werben, dass sich der Mehrwert der Weidemilch auch in einer entsprechenden Position in der staatlichen Produktkennzeichnung wiederfinden muss.

Und auch die weiteren Vertreter:innen der Allianz unterstreichen angesichts der aktuellen Hinweise die Notwendigkeit der richtigen Kennzeichnung.

Dr. Arno Krause, Geschäftsführer des Grünlandzentrums Niedersachsen/Bremen und Vorsitzender des Kuratoriums ProWeideland: „Sollte ProWeideland mit seinen fachlich fundierten Haltungsvorgaben nicht in der einzig dafür vorgesehen Haltungsform-Stufe 4 eingeordnet werden, wird das den Rückgang der Weidehaltung noch deutlich beschleunigen. Es ist völlig unverständlich und entbehrt aus unserer Sicht einer fachlichen Begründung, warum Weidebetriebe unbedingt zusätzlich einen Laufhof am Stall vorweisen müssen, die einer Eingruppierung von ProWeideland in Stufe 4 einzig im Wege steht. Das wäre ja so, als würde man Menschen, die eine Terrasse im Garten haben, vorschreiben, zusätzlich noch einen Balkon zu bauen."

Peter Habbena, Landesvorsitzender des BDM: „Durch eine Weidehaltung schaffen wir Lebensräume - angefangen von dem Kuhfladen als Insekten Hotspot über ein daraus resultierendes Büfett für die Küken vieler befiederter Lebewesen - und auch die Möglichkeit für Wiesel, Rebhuhn, Lerche, Hase und Kiebitz ein Habitat bzw. die Kinderstube zu erhalten."

Ottmar Ilchmann, Landesvorsitzender der AbL Niedersachsen/Bremen: „Die großen Einzelhandelskonzerne Aldi, Lidl, REWE und Edeka nutzen ihre Marktmacht, um die Weidemilch unter Wert einzustufen. So wollen sie sich mit dem guten Image der Weidehaltung schmücken, ohne den Bäuerinnen und Bauern einen angemessenen Preis dafür zu zahlen. Das ist zynisch und trägt zum weiteren Rückgang der gesellschaftlich so erwünschten und wertvollen Weidehaltung bei. Wir fordern die Konzerne eindringlich auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und das Label "Pro Weideland" da einzuordnen, wo es hingehört: In die Stufe 4 "Weidehaltung". Alles andere ist Verbrauchertäuschung!"

Manfred Tannen, Milchviehhalter und Mitglied des Kuratoriums ProWeideland: „Um mit der Neuordnung bei der Haltungsform den Rückgang der Weidehaltung nicht dramatisch zu beschleunigen, gibt es eine moralische Verpflichtung der Akteure des Lebensmitteleinzelhandels mit uns Landwirten in die Diskussion um die Kriterien der neuen Haltungsform 4, genannt Auslauf/Weide, einzutreten."

Frank Kohlenberg, Milchviehhalter und Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen: „Die Milchviehhalter, die die Möglichkeit haben, ihre Kühe auf die Weide zu bringen, appellieren an das Gremium der Haltungsform.de die Kriterien so aufzustellen, dass deren Erzeugnisse in Haltungsform 4 eingruppiert werden können."

Anne Hamester, Geschäftsführerin von PROVIEH, Deutschlands Organisation für Nutztierschutz: „Wer Tierwohl will, muss Weidehaltung fördern. Doch Aldi, Lidl, Edeka, Rewe - die Entscheidungsträger des Labels Haltungsform - untergraben hier ihr Tierwohlversprechen. Trotz eindringlicher Forderungen und Gesprächsgesuche wurde offensichtlich entschieden, Weidemilch in der Stufe Frischluftstall abzuwerten. Damit trickst der LEH Verbraucher:innen wie Landwirt:innen aus, um Tierwohl-Milch günstiger einkaufen zu können und gefährdet ganz klar die Weidehaltung in Deutschland. Jetzt muss die Notbremse gezogen werden und das Label Haltungsform schnellstmöglich angepasst werden. PROVIEH fordert: Weidemilch gehört in die Haltungsstufe Weide, nicht in die Stufe Frischluftstall!"

Stephanie Töwe, Agrarexpertin von Greenpeace Deutschland: „Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel will mit einer modifizierten Haltungskennzeichnung, Weidemilch mit Milch von Kühen gleichsetzen, die nie in ihrem Leben eine Weide betreten haben. Das ist ein riesiger Fehler, nicht nur aus Tierschutzsicht. Der Handel nimmt sich damit selbst eines der wichtigsten Instrumente zum Erhalt der Artenvielfalt. Denn Weiden gehören zu den artenreichsten Lebensräumen Europas. Wer die Weidemilch degradiert, bringt diese Lebensräume in Gefahr. Wir fordern vom LEH, dieses Vorgehen umgehend zu stoppen. Weidemlich muss in der Haltungsform des LEH höher eingestuft werden und fair bezahlt werden."

Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU: „Die Weidehaltung leistet einen wichtigen Beitrag für den Erhalt der Artenvielfalt. Wird sie jedoch nur in Haltungsstufe 3 eingeordnet, könnten wir etliche Weidehalter und damit die wichtigen Ökosystemleistungen der Weiden verlieren. Statt weiterer Hürden müssen Landwirte und Landwirten angemessen für die Weidehaltung entlohnt werden - etwa über eine weitere Förderung des Staats oder höhere Marktpreise. Dazu muss der Verbraucher und die Verbraucherin klar erkennen können, welche Betriebe und Produkte einen Mehrwert für Tier und Artenvielfalt liefern."

27.06.2024
Von: FebL/PM

Eine breite Allianz kritisiert die Haltungsform-Kennzeichnungspläne zur Weidehaltung im LEH. Foto: FebL