Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) und die Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) haben am 3.Juni das neue System vorgestellt, über das Landwirtinnen und Landwirte ab dem 15. Juli 2024 eine „Erntegut-Bescheinigung“ zur Vorlage bei ihren Abnehmern generieren können. Nach Auffassung der IG Nachbau und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) verschärfen der BDP und ihr Inkassounternehmen STV damit den Nachbau-Streit. Dabei wäre es nach 25 Jahren harter politischer und rechtlicher Auseinandersetzungen um das bäuerliche Recht auf Nachbau von Saat- und Pflanzgut eigentlich an der Zeit, dass sich Züchter und Landwirte auf Augenhöhe an eine Lösung der Probleme machen. Bereits vor dem 3. Juni hatten die IG Nachbau und die AbL nach Bekanntwerden erster Pläne von BDP und STV kartellrechtliche Schritte gegen die Pläne eingeleitet und allen Berufskolleginnen und Kollegen geraten, bei den bislang vorgelegten Lieferverträgen nicht zu unterschreiben.
„Der heutige Vorschlag von BDP und STV mit einer geplanten „Erntegut-Bescheinigung“ will alle Landwirte, die Ackerbau betreiben, in eine Datenerfassungsfalle locken“, kommentiert Georg Janßen, Geschäftsführer der IG Nachbau, das “neue System“ von BDP und STV. „Als Begründung für das Vorgehen von BDP und STV dient ein Urteil des BGH aus dem November 2023, wonach die Erfassungshändler einer Erkundigungspflicht über sortenschutzrechtliche Unbedenklichkeit des Ernteguts unterliegen. Jedoch hat der BGH den Rahmen der Erkundigungspflicht nicht bestimmt, eine Ausforschungs- oder Investigationspflicht ist jedenfalls nicht begründet. Genau diese Ausforschung wollen BDP und die STV aber nun durch die Hintertür einführen“, so Janßen.
Seiner Ansicht nach wäre in diesem Streit Vernunft angesagt, statt umfassenden Kontrolldruck gegenüber den Landwirtinnen und Landwirten kurz vor der anstehenden Ernte auszuüben. „Die geplante Datenerfassung der Landwirte soll nicht nur den An- und Nachbau von Ackerfrüchten erfassen. Sie ist vielmehr die Vorstufe für die komplette Kontrolle des milliardenschweren Saatgutgeschäfts durch die Konzerne. Die multinationalen Saatgutkonzerne sind alle Mitglied im BDP. Diese Konzerne erklären mittlerweile offen, dass sie nicht nur den Verkauf von Saatgut in den Griff bekommen wollen. Sie beanspruchen auch über Patente die Rechte zur zukünftigen Nutzung des Wissens, des angeblichen geistigen Eigentums und der Verwendung der neuen Gentechnik-Verfahren. Sie wollen auch das alleinige Recht, neue Sorten zu entwickeln“, erklärt der IG-Nachbau Geschäftsführer und fragt: „Warum sollten wir das alles zulassen?“
IG Nachbau und AbL wollen weiter dagegenhalten. „Wir empfehlen den Berufskollegen sich nicht voreilig auf die vorgesehene „Ernte-Bescheinigung“ von BDP und STV einzulassen. Zugleich fordern wir den Deutschen Raiffeisenverband und den Agrarhandel auf, ihre Mitgliedsunternehmen nicht länger anzuhalten, von den anliefernden Landwirtschaftsbetrieben grundlos Erklärungen mit Vertragsstrafenversprechen abzuverlangen.“
Bereits vor dem 3.Juni haben die AbL und die IG Nachbau kartellrechtliche Schritte eingeleitet. Und IG Nachbau-Geschäftsführer Georg Janßen erklärte: „Wir raten allen Berufskolleginnen und Kollegen, bei den bislang vorgelegten Lieferverträgen nicht zu unterschreiben. Die Raiffeisengenossenschaften und den Privaten Landhandel fordern wir auf, die bisherigen Liefererklärungen zu widerrufen. Vielmehr sollten sie dem Beispiel einzelner Genossenschaften und privaten Landhändlern folgen, die sich schon mit uns und den Landwirten auf Augenhöhe zusammensetzen, um eine Erklärung auszuarbeiten, die dem BGH-Urteil gerecht wird und mit denen beide Seiten klarkommen.“