In der vergangenen Woche hat die neu eingerichtete „EU-Beobachtungsstelle für Landwirtschaft und Lebensmittelkette“ ihre Eröffnungssitzung abgehalten. Auf dem ersten Treffen der Mitgliedstaaten, des EU-Parlaments und diverser Verbände wurde nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) deutlich, dass die EU-Kommission und auch einige Vorreiter-Mitgliedsländer wie Frankreich, Spanien und Belgien ein ernsthaftes Interesse haben, die Erzeuger:innen in der Wertschöpfungskette zu stärken.
Das Ziel der Arbeit der Beobachtungsstelle ist es laut einer Mitteilung der Europäischen Kommission, „unter Wahrung der Vertraulichkeit und der Wettbewerbsregeln mehr Transparenz bei den Preisen, der Kostenstruktur und der Verteilung der Gewinnspannen und des Mehrwerts in der Lieferkette zu schaffen. Der Aufbau von Vertrauen zwischen allen Beteiligten und den Behörden ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass alle Akteure für ihre Beiträge und ihre Arbeit in der Lebensmittelversorgungskette gerecht entlohnt werden.“
Die Mitglieder der Beobachtungsstelle sind Vertreter der nationalen Behörden der 27 EU-Länder sowie von 48 Interessenverbänden, die in der Lebensmittelversorgungskette tätig sind. Diese reichen von Landwirten, Lieferanten von Betriebsmitteln, der Lebensmittelindustrie und dem Handel bis hin zu Transport, Logistik, Einzelhandel und Verbrauchern. Das Europäische Parlament, der Ausschuss der Regionen und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss haben einen Beobachterstatus. Für den Bereich Landwirtschaft sind unter anderem das European Milk Board (EMB), die Europäische Koordination Via Campesina (ECVC), der auch die AbL angehört, IFOAM, und die landwirtschaftliche Dachorganisation COPA-COGECA vertreten.
AbL: Europäischer Rückenwind für Vertragspflicht vor Lieferung
Europäischen Rückenwind für Vertragspflicht vor Lieferung, um Milchversorgung zu sichern, sieht mit Blick auf die Ziele und die Arbeit der Beobachtungstelle die AbL einen Tag nach der ersten Sitzung. Elmar Hannen, AbL-Milchbauer und im Vorstand des European Milk Board (EMB), ist Mitglied der Beobachtungsstelle und kommentiert: „Die Stimmen aus EU-Mitgliedsstaaten, die bereits wirksame Instrumente für ihre Erzeugerinnen und Erzeuger gesetzlich umgesetzt haben, werden immer lauter. Gestern hat Agrarkommissar Janusz Wojciechowski deutlich gemacht, dass es bei der EU-Beobachtungsstelle der Lebensmittelkette zu 100 Prozent um die Erzeuger und deren Stärkung in der Wertschöpfungskette gehen müsse. Das kann die Ampelregierung jetzt umsetzen, indem sie als ersten Schritt die wirksame Anwendung Vertragspflicht vor Lieferung für uns Milchbäuerinnen und -bauern als Einstieg anwendet.“ Und Ottmar Ilchmann, AbL-Milchsprecher, führt weiter aus:„Die Milchpreise decken nach wie vor nicht die Kosten. Die wirtschaftliche Situation auf den Höfen verbessert sich nicht, viele Milcherzeugerfamilien hören auf zu melken. Die Molkerei Friesland Campina vermeldet Milchknappheit und macht Lockangebote für Milchbetriebe. Tatsächlich ist unsere flächendeckende regionale Milcherzeugung in Gefahr. Aber nicht in erster Linie wegen der höheren Auflagen für Tierwohl und Umweltschutz, wie ständig behauptet wird, sondern weil wir Bäuerinnen und Bauern am Markt eine viel zu schwache Position haben, um kostendeckende Preise durchzusetzen. Diese veraltete Marktpolitik zugunsten der Verarbeiter ruiniert uns wirtschaftlich. Die Ampelregierung ist jetzt aufgefordert marktpolitische Rahmen einzuziehen. Das ist die Voraussetzung für die Sicherung der Milchversorgung. Gleichzeitig ermöglichen kostendeckende Preise uns Bäuerinnen und Bauern mehr Klimaschutz und Tierwohl – die teurer in der Produktion sind – umzusetzen.“
Die Liste der AFCO-Mitglieder (Agri-Food Chain Observatory) und Beobachter ist im Register der Expertengruppen der Kommission zu finden. Die zweite Plenarsitzung soll im Herbst dieses Jahres stattfinden.