Agroforstsysteme verbinden unterschiedliche Landnutzungen auf einer Fläche
Die landwirtschaftlichen Flächen sind knapp. Eine Intensivierung der Nutzung geht oft zulasten der ökologischen Vielfalt. Agroforstsysteme bieten Möglichkeiten beides zu verbinden. Dieses Landnutzungskonzept wird von ihren Befürwortern deshalb als wichtige Säule für eine zukunftsfähige Landwirtschaft angesehen. Die Agroforstkampagne beispielsweise habe es sich zur Aufgabe gemacht, die Art der Anbauweise bekannter zu machen und deren Umsetzung voranzutreiben, erklärt Robert Strauch, Koordinator der Kampagne. Die Initiative wurde von dem gemeinnützigen Verein zukunftsFähig e. V. sowie einzelnen Personen, die sich mit dem Konzept der Permakultur befassen und danach arbeiten, begründet.
Aber was bedeutet Agroforstwirtschaft eigentlich? Laut Definition die Kombination von Ackerbau, Mäh- und Weideflächen mit Bäumen und Sträuchern auf der gleichen Fläche. Streuobstwiesen sind ein klassisches Beispiel: Obstgehölze kombiniert mit einer Unternutzung wie Beweidung oder Futtergewinnung sind altbewährt und auf vielen bäuerlichen Betrieben zu finden.
Das Spektrum an Umsetzungsmöglichkeiten von Agroforstsystemen ist jedoch breiter. Von Waldgärten über Windschutzhecken bis zu „Alley Cropping“, einem System, in dem Gehölze streifenweise auf landwirtschaftlichen Nutzflächen angebaut werden, ist alles möglich.
Vorteile von Acker oder Weide mit Bäumen
„Bäume können in der Landwirtschaft verschiedenste positive Effekte wie Erosionsschutz, Ertragssteigerung, Verbesserung des Wasserhaushaltes und die Erhöhung der Biodiversität mit sich bringen“, so Kampagnenkoordinator Strauch. Ausgeräumte Landschaften sind einfacher maschinell zu bearbeiten, doch diese Bewirtschaftungsform hat ihren Preis. Strukturarme Schläge wirken sich negativ auf das Mikroklima und die Biodiversität aus. Über Hecken oder andere Strukturen auf dem Acker wird wegen der umständlicheren Bearbeitung oft geschimpft. Doch deren Wirkung wird unterschätzt. Windschutzhecken beispielsweise reduzieren die Windgeschwindigkeit. Dadurch kann die Wasserverfügbarkeit auf landwirtschaftlichen Flächen erhöht werden, da die Verdunstung verringert und die Bodenfeuchte stabilisiert wird. Dies gilt für die gesamte Fläche. Am Rand der Struktur ist der Effekt durch die direkte Wasserkonkurrenz der Hecke und der Kultur meist nicht direkt zu erkennen. Durch den Widerstand der Strukturen wird der Abtrag der Bodenkrume durch Wind und Wasser vermindert. Diese Faktoren wirken in ihrer Gesamtheit ertragssteigernd. Außerdem können Strukturen puffernd gegen Abdrift von Nachbarschlägen wirken.
Ertragshecken könnten bei günstigen politischen Rahmenbedingungen ein für Bäuerinnen und Bauern zukunftsfähiges und attraktives Konzept sein. Ökonomische Faktoren wie Wertholz- und Wildobsterzeugung könnten mit positiven Umwelteffekten verknüpft werden.
Ein weiterer Vorteil ist, dass durch Agroforstsysteme langfristige stabilere Ökosysteme geschaffen werden können. Hecken und Baumreihen beispielsweise liefern zusätzlichen Lebensraum und erhöhen damit die Biodiversität. Sie sind wichtige Trittsteine und verbinden Habitate. Durch stabile Ökosysteme können sich Gegenspieler von Schadorganismen etablieren, die regulierend auf die Schädlingspopulation wirken. Strukturen auf dem Acker werten die Kulturlandschaft ästhetisch auf und erhöhen deren Attraktivität.
Zusätzlich wird durch die ständig absterbenden Feinwurzeln über längere Zeiträume Biomasse angereichert. In der Schweiz konnte bei einem Versuch des Kompetenzzentrums des Bundes für landwirtschaftliche Forschung Agroscope eine Humusanreicherung von 18 % in nur sieben Jahren unter Agroforstsystemen festgestellt werden. Der erhöhte Humusgehalt konnte sogar bis 60 cm Tiefe nachgewiesen werden. Die Kohlenstoffsenke im Boden sowie die längerfristige Etablierung von Bäumen dienen dem Klimaschutz und ganz konkret der Umweltbilanz des Betriebs. Durch die tiefen Baumwurzeln können Nährstoffe aus tieferen Schichten mobilisiert und damit pflanzenverfügbar werden. Über die Laubstreu gelangen sie in den betrieblichen Nährstoffkreislauf.
Dazu kommt der Aspekt der Holzproduktion. Energieholz- oder gar Wertholzproduktion auf dem Acker könnten zukünftig durchaus an Relevanz gewinnen und eine weitere Einkommensquelle bilden.
Politische Rahmenbedingungen
Die EU lässt Spielräume zur expliziten Förderung von Agroforstsystemen, die beispielsweise in Frankreich durch unterschiedliche Maßnahmen und Programme genutzt werden. Dort haben Baumstreifen die gleichen Zahlungsansprüche wie Ackerkulturen. Die Fläche mit Agroforstsystemen hat in Frankreich in den letzten Jahren stark zugenommen.
In Deutschland hingegen wurden diese Möglichkeiten der EU-Ebene nicht umgesetzt. Alle Systeme hier, die nicht als Kurzumtriebsplantagen (KUP) oder Streuobstwiesen gelten, fallen aus dem Raster der Förderfähigkeit. Derzeit dürfen Bäume keine pflanzenbaulichen Bestandteile eines Ackers sein.
Bäume, die im Kurzumtrieb gepflanzt werden, müssen spätestens nach 20 Jahren gefällt werden. Hecken oder ähnliche Strukturen könnten als geschützte Landschaftselemente gelistet werden. Die Rechtslage ist mehr als unklar. Doch genau dafür braucht es mutige Bäuerinnen und Bauern, die vorangehen. Möglicherweise können mit den regionalen Behörden Ausnahmeregelungen vereinbart werden.
Ein Pionier, der etwas Neues gewagt hat, ist Jochen Hartmann vom Hof Hartmann in Lüneburg. Er hat mehrere mobile Hühnerställe. Seine Hühnerausläufe hat er zur Strukturierung mit Bäumen bepflanzt. Hühner als Waldtiere fühlen sich umgeben von Bäumen sicherer. So verteilen sie sich weiter in der Fläche, was beispielsweise die Nitratbelastung im stallnahen Bereich verringert. „Wir haben durch die Bäume auch weniger Probleme mit dem Habicht. Für mich ist diese Form der Hühnerhaltung das artgerechteste System der Zukunft“, so Hartmann.
Die Anlage wurde zu 80 % von einem lokalen Supermarkt finanziert, an den die Hartmanns Eier liefern. „Bisher hat alles sehr gut geklappt. Natürlich ist auch ein eigenes Risiko dabei, aber die positiven Effekte sprechen für sich. Die Bäume sind außerdem mein kleines Aktienpaket für die Zukunft“, meint Jochen Hartmann zufrieden.
Auch Robert Strauch ist von der Zukunftsfähigkeit von Agroforstsystemen überzeugt. Er möchte weiterhin Druck auf die Politik ausüben, sodass die Neuanlage attraktiver für Bäuerinnen und Bauern gestaltet wird. Die Agroforstkampagne hat eine Absichtserklärung auf ihrer Internetseite platziert, auf der Interessierte zeigen können, dass Agroforstsysteme für sie von Relevanz sind. Strauch erhofft sich, mit den anonymisierten Interessensbekundungen der Notwendigkeit klarer rechtlicher Rahmenbedingungen für Bäuerinnen und Bauern der Politik gegenüber mehr Ausdruck zu verleihen. „Aktuell suchen wir Partnerinnen und Partner, die offen sind und mit uns gemeinsam Ideen und Möglichkeiten entwickeln wollen. Gerne beraten wir betriebsindividuell und entwickeln gemeinsam Anbausysteme, die auf den Betrieb abgestimmt sind“, so Strauch.