20.000 ha Agrarfläche in Deutschland verkauft – Statistikdaten zeigen: Das ist kein Einzelfall.
Eine Agrarholding – oder eine Unternehmensgruppe, wie das Statistische Bundesamt die Konzerne nennt – besteht aus einer Unternehmenszentrale und einer ganzen Reihe rechtlich selbstständiger Tochtergesellschaften. Die Töchter sind überwiegend Agrarbetriebe. Allerdings sind viele Konzerne auch in anderen Branchen aktiv, z. B. in der Energieerzeugung, im Lebensmittelhandel, in der Pharmaindustrie etc. Oft befindet sich ein Unternehmensteil im Ausland; das eröffnet Möglichkeiten der Steuerumgehung, die landwirtschaftlichen Familienbetrieben nicht zur Verfügung stehen. Experten berichten immer wieder, keine der deutschen Agrarholdings würde mit der Landwirtschaft Geld verdienen. Lukrativ sind die 10.000 oder 20.000 ha großen Konglomerate trotzdem: Sie profitieren von EU-Subventionen und Steuererleichterungen, die ursprünglich für 50-ha-Familienbetriebe kalkuliert wurden. Und sie verdienen an der Umgehung der Grunderwerbsteuer und der stetigen Bodenspekulation seit der Finanzkrise 2007.
Landgrabbing in Deutschland
Kürzlich hat die Gustav-Zech-Stiftung in Liechtenstein ihre Tochter „Deutsche Agrar Holding“ (DAH) mit rund 20.000 ha bewirtschafteter Fläche und 55 MWp Biogasanlagen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern für angeblich 300 Mio. Euro verkauft. Vermutlich kein schlechtes Geschäft für den Verkäufer aus Liechtenstein, der die DAH im Jahr 2016 aus der Konkursmasse der KTG Agrar für 5 Mio. Euro erworben hatte. Käufer ist die australische „Igneo Infrastructure Partners“ (Anlagevolumen 19 Mrd. Euro), eine Tochter der australischen First Sentier Investors, die wiederum der Mitsubishi UFJ Trust and Banking Corporation in Japan gehört. Möglicherweise möchte der neue Eigentümer an der „Goldgräberstimmung“ im Bereich Photovoltaik partizipieren. Die DAH selbst plant derzeit die Umwandlung von etwa 1.400 ha (1.000 MWp) in PV-Flächen. Wie es zu der Wertsteigerung des Unternehmens kam, ist unklar. Die bewirtschaftete Fläche und die Biogaskapazität haben sich kaum verändert. Denkbar wären eine starke Ausweitung der Eigentumsflächen oder eine Optimierung der Betriebsabläufe. Aber ohne spekulative Elemente ist ein derartiger Wertzuwachs kaum erklärbar. Der Verkauf der DAH ist der bislang größte Share Deal in Deutschland, und vermutlich einer der größten in der EU. Schließlich ist es der erste Fall, der tatsächlich eine Definition von Landgrabbing (Erwerb von Agrarflächen durch ausländische Investoren oder Staaten) erfüllt. Die Kleinflächenkäufe von Schweizer Landwirten in Baden-Württemberg sind dagegen Käufe von grenznahen landwirtschaftlichen Familienbetrieben.
Was sagt die Statistik?
Gelegentlich wird die Ansicht vertreten, Käufe von Investoren seien exotische Einzelfälle, die keinen Bezug zur Realität der Landwirtschaft in Deutschland hätten. Zu der Frage ist die aktuelle Auswertung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) aufschlussreich. Für 2023 ermittelte Destatis 2.919 Unternehmensgruppen (Agrarholdings) mit 4.810 Tochtergesellschaften und 2,1 Mio. ha bewirtschafteter Fläche. Damit bewirtschaften die Holdings etwa 13 Prozent der Agrarfläche in Deutschland oder die Flächen von 32.500 durchschnittlichen Betrieben. Im Vergleich zu 2020 ist die Zahl der Unternehmensgruppen bundesweit um 32 Prozent gestiegen. Außer in Hessen steigt in allen Ländern die bewirtschaftete Fläche. Den stärksten relativen Flächenzuwachs bei den Agrarholdings gab es in Baden-Württemberg mit plus 172 Prozent. Den größten absoluten Anstieg verzeichneten im Westen Niedersachsen mit 23.000 ha und im Osten Mecklenburg-Vorpommern mit 43.000 ha.
Nichtlandwirte bauen Position aus
Auch innerhalb der Gruppe der Agrarholdings gibt es bemerkenswerte Verschiebungen. Diejenigen Agrarholdings, die noch eine Konzernspitze mit landwirtschaftlichem Schwerpunkt haben, werden weniger. Ihre Anzahl ist von 806 Unternehmen um 18 Prozent auf 661 Unternehmen zurückgegangen. Die reinen Agrarholdings werden auch deshalb seltener, weil sie von Nichtlandwirten übernommen werden. Ein Beispiel dafür wäre der Verkauf der Kliem-Betriebe in Thüringen an die Aldi-Erben. Schließlich haben die außerlandwirtschaftlichen Investoren (UG Nichtlandwirte) ein besonderes Wachstum zu verzeichnen: Sie stellten schon 2020 mit 1.286 Unternehmen die Mehrheit der Agrarholdings, 2023 waren es bereits 63 Prozent mehr, nämlich 2.105 Unternehmen. Ein Grund dafür ist der Einstieg neuer Investoren, ein anderer die präzisere Erfassung im Unternehmensregister. Die Anzahl der Konzerne mit Sitz im Ausland ist von 118 im Jahr 2020 auf 153 im Jahr 2023 um 30 Prozent gewachsen. Insgesamt haben 23 Prozent eine landwirtschaftliche Konzernspitze in Deutschland, 72 Prozent werden von Nichtlandwirten in Deutschland geleitet und fünf Prozent aus dem Ausland.
Was bedeutet das?
Der Verkauf der „Deutschen Agrar Holding“ bestätigt die These, dass Flächen von Investoren auch bei Unternehmensverkäufen nicht wieder zu den regionalen landwirtschaftlichen Betrieben gelangen. Der Deal der Australier widerlegt die Meinung, deutsche Agrarflächen seien aufgrund der hohen Preise und der breiten Eigentumsstreuung für Investoren aus dem Ausland unattraktiv. Agrarbehörden der Länder können weder beantworten, ob der DAH-Deal nach der Außenwirtschaftskontrolle zulässig ist, noch ob Grunderwerbsteuer gezahlt wurde oder wie viel Eigentumsflächen unter den 20.000 ha sind. Sie liefern auch keine Begründung, warum EU-Direktzahlungen an Tochtergesellschaften australischer Investmentfonds gezahlt werden. Der Einstieg der Australier zeigt, dass die Agrarpolitik die Kontrolle über den landwirtschaftlichen Bodenmarkt verloren hat. Und die Statistik zeigt, dass Agrarholdings in Deutschland bei der bewirtschafteten Fläche und bei ihren Tochtergesellschaften erheblich schneller wachsen als die regional verankerten Landwirte. Die starke Dynamik in diesem Teil der Landwirtschaft hatte Bodenrechtswissenschaftler Andreas Tietz bereits 2017 in Ostdeutschland nachgewiesen, wo 72 Prozent der Übernahmen durch auswärtige Unternehmen erfolgten Die Konkurrenz außerlandwirtschaftlicher sowie ausländischer Investoren treibt Kauf- und Pachtpreise in Höhen, die normale Betriebe kaum aus den Erträgen finanzieren können.
Die Länder schaffen es seit zehn Jahren nicht, Share Deals im Bodenrecht zu regeln. Dieses agrarpolitische Versagen hat beispielsweise der SPD-Agrarminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, zu verantworten, der seit 26 Jahren dem Ausverkauf der Agrarflächen tatenlos zusieht. Aktuell streben Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Hessen, Sachsen und Brandenburg gesetzliche Maßnahmen gegen Spekulation im Zusammenhang mit Share Deals an. Es bleibt abzuwarten, ob am Ende mehr passiert als bei Minister Backhaus. Inzwischen sind deutsche Äcker mit den enormen Renditen aus Bodenwertsteigerung und PV-Freiflächenanlagen eine der lukrativsten Anlagemöglichkeiten auf dem Immobilienmarkt. Die australischen Fondsmanager werden Weizen nicht von Hafer unterscheiden können, aber sie können rechnen. Und sie werden nicht die einzigen Investoren bleiben, die auf die fehlende staatliche Kontrolle und die goldenen Renditeaussichten in Deutschland reagieren.