Kosmetische Korrekturen

Wohin mit Glyphosat?

Ein bisschen krebserregend, so könnte man die sich entwickelnde Linie in Sachen Glyphosat bewerten. Am Anfang standen sich zwei Seiten gegenüber: Die eine war für eine uneingeschränkte Wiederzulassung des weltweit meisteingesetzten Pestizids auf 15 Jahre. Die EU-Kommission hatte ihren Vorschlag dazu entsprechend ihrer bedenkenlosen wissenschaftlichen Quellen, der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) und dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), formuliert. Dagegen stand eine breite Gegnerschaft aus Umwelt- und Gesundheitswissenschaftlern, Politikern, Aktivisten – besonders entschlossen, nachdem die internationale Krebsforschungsagentur der FAO, der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, den Stempel „wahrscheinlich krebserregend“ auf das Totalherbizid gedrückt hatte. Dann hatten weiter wachsender gesellschaftlicher Druck und die Ablehnung einer uneingeschränkten Wiederzulassung durch verschiedene Mitgliedsstaaten die EU-Kommission die Entscheidung zunächst verschieben lassen. Die Debatte verschärfte sich zu Ungunsten des Glyphosats und der Industrie. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks konnten sich erst nicht einigen und sorgten für ein Quasiveto Deutschlands. Der Umweltausschuss des EU-Parlamentes stimmte gegen eine Wiederzulassung. Der Verbraucherschutzkommissar Vytenis Andriukaitis forderte Monsanto auf, die Studien, auf denen die Zulassung basiert, offen zu legen. Zähneknirschend und unter vielen Verweisen auf die bereits stattgefundenen „fachlichen, seriösen Bewertungen“ und mit Warnungen vor Missbrauch der Transparenz zu Skandalisierungs- und Panikzwecken schlug die Lobbytruppe Arbeitsgemeinschaft Glyphosat rund um Monsanto eine Leseraumlösung entsprechend der TTIP-Offenlegung im Bundestag vor. Nur unter Aufsicht und ohne technische Hilfsmittel sollten Personen Zutritt erhalten. Monsanto, dessen Glyphosatverkaufszahlen im vergangenen Jahr gesunken sind, war angezählt. Dann schrieben Schmidt und Hendricks einen gemeinsamen Brief nach Brüssel, in dem sie erläuterten, dass sie der Wiederzulassung nun zustimmen und damit dazu beitragen möchten, „das Verfahren zur Wiedergenehmigung des Wirkstoffs Glyphosat erfolgreich abzuschließen“. Hendricks Bedenken bezüglich der biologischen Vielfalt finden sich noch als Hinweis im Anhang, beim Verbot der Sikkation, wie sie andere Mitgliedstaaten forderten, könne man mitgehen. Kurz darauf stimmte das EU-Parlament für eine Wiederzulassung mit Auflagen und nur für sieben Jahre. All das ist nicht bindend für die Kommission, die sich wahrscheinlich Mitte Mai entscheiden wird. Ein bisschen den Kritikern zugestehen, viel der Industrie, so könnte es am Ende laufen. Politisch Schon seit Jahren steigt die Anwendung von Glyphosat, schon seit Jahren findet es sich überall in Mensch, Tier Umwelt, schon seit Jahren lässt sich eine wachsende Resistenz gegen Glyphosat bei Vielanwendung beobachten. Untersuchungen in Deutschland zeigen, das der typische Vielanwender ein durchrationalisierter, fruchtfolgearmer Betrieb mit wenig Arbeitskräften und eher mehr Hektaren ist. Trotzdem lehnt der untersuchende Wissenschaftler Horst-Henning Steinmann von der Universität in Göttingen in den DLG-Mitteilungen einen „Klassenkampf zwischen den Agrarkulturen“ ab, wohl aber auch einen „Maulkorb hinsichtlich interner Kritik“. Bauernverband und die industrielle Lobbygemeinschaft zur Wiederzulassung des Pestizids, die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat, warnen vor „politischen Pflanzenschutzmittelzulassungen“ und davor, die „gesamte Grundlage zur Bewertung von Pflanzenschutzmitteln in Frage zu stellen“, „wissenschaftlich haltlos zu skandalisieren und Panik zu schüren“. Im Zusammenhang mit Glyphosat – so auch von der AbL in ihrem Postionsspapier dazu – werden immer wieder die Intransparenz der Zulassungsvorgänge ebenso wie der Einsatz des Mittels als billige Alternative zu gutem Ackerbau kritisiert, weil sie politisch sind. Genauso, wie es politisch ist, dass es gesetzliche Vorgaben mit dem schönen Namen „integrierter Pflanzenschutz“ gibt und sich das Umweltbundesamt (UBA) einen Rüffel vom bundeslandwirtschaftlichen Staatssekretär Robert Kloos einfing, weil es im Wesentlichen nur auf deren konsequente Einhaltung pocht. Der integrierte Pflanzenschutz sieht den Einsatz eines Pestizids als absolut letztes Mittel vor, wenn Fruchtfolgegestaltung, Sortenwahl, mechanische Maßnahmen, Befallsanalysen usw. wirkungslos geblieben sind – nicht als wirtschaftliches Managementinstrument. Glyphosat verlöre bei konsequenter Anwendung dieser Prinzipien weitestgehend seine Daseinsberechtigung.
25.04.2016
Von: cs