Eine Bühne für die Diva

Bio-Soja-Feldtag in der Warburger Börde zeigte: „Da geht was“ – aber nicht ohne Hacke

Sie misst sieben Millimeter im Durchmesser, die kleine gelbe Perle namens Sojabohne. Sie wächst mit zwei oder drei Artgenossinnen in einer pelzigen braunen Schote, wobei die unteren Schoten nur wenige Zentimeter über dem Acker hängen. Sie stellt höchste Ansprüche an den Boden, an den Landwirt und an den Mähdrescherfahrer. Sie verlangt im Juni permanente Aufmerksamkeit und eine stets einsatzbereite Hacke. Wenn man ihr diese Aufmerksamkeit schenkt, ist sie zu Höchstleistungen bereit: „Die Sojabohne ist eine Diva“, findet Jan Wittenberg, Bioland-Landwirt und Soja-Verarbeiter aus Hildesheim. Praxisberichte Jan Wittenberg war einer von dreißig Interessierten aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die Ende September auf Einladung des Biolandhofes Engemann zum Bio-Soja-Feldtag in die Warburger Börde gekommen waren. Basierend auf dem ersten heimischen Bio-Soja-Forum im März in Hamm, wollten Klaus und Andreas Engemann nun einen Einblick in die Praxis geben. Dazu konnten sie drei Naturland-Betriebe in der Warburger Börde gewinnen, die kurz vor der Soja-Ernte ihre Feldbestände zeigten und Auskunft über die Anbautechnik gaben. Einer von ihnen ist Franz Welling aus Lütgeneder, der auf 60 ha Ackerbau betreibt und im vergangenen Jahr durch eine Vortragsveranstaltung auf den Soja-Anbau aufmerksam geworden war. 14,5 ha Soja hat er dieses Jahr am 7. Mai ausgesät; Vorfrucht: Zuckerrüben. Erfahrung mit dem Hacken hat Welling also bereits. Und ohne Hacken geht gar nichts: „Höchsterträge sind nur möglich, wenn der Acker unkrautfrei ist“, betont Welling. „Wo eine Distel wächst, sagt die Sojabohne: da mache ich gar nichts.“ Allerdings wird schnell deutlich, dass die Hackfrucht Soja nicht dazu dienen kann, einen verdistelten Boden sauber zu bekommen: „Im Gegenteil“, sagt Jan Wittenberg, „wer Disteln im Frühjahr hackt, vermehrt sie.“ Hacke und Striegel Voraussetzung ist also eine Vorfrucht ohne Wurzelunkräuter. Und ein Boden, der sich mit der Hacke bearbeiten lässt. Dazu ein sehr guter Striegel (Wittenberg: „Der beste Striegel ist gut genug“) und eine passende Hackmaschine. Wobei sich die Praktiker über die richtige Technik streiten und auch Verbesserungswünsche an die Hersteller haben. Das wurde bei der Besichtigung der Hackmaschine von Franz Welling deutlich. Fingerhacke oder nur zwischen den Reihen hacken? Das blieb auf diesem Feldtag offen. „Luft holen und schnell fahren“ „Dieses Jahr habe ich vier Mal gestriegelt und drei Mal gehackt“, erzählt Franz Welling, „dazu kam eine Handhacke, die 500 Euro pro Hektar gekostet hat“. Der Naturland-Bauer ist ein Perfektionist: Sein zehn Hektar großer Soja-Schlag war zum Erstaunen der Feldtagbesucher praktisch unkrautfrei. Der Mähdrescher dürfte da keine Schwierigkeiten mehr haben. Dennoch sparten die Praktiker nicht mit Tipps für den Mähdrusch: „Im Winkel von 90 Grad zur Drillrichtung fahren“, empfahl Jan Wittenberg, und dann: „Tief Luft holen, schnell fahren“. Die ersten Schoten wachsen fünf bis sechs Zentimeter über dem Boden. Es ist bezeichnend, dass an diesem Bio-Soja-Feldtag viel über Anbautechnik, aber wenig über Vermarktung gesprochen wurde. Andreas und Klaus Engemann suchen händeringend Betriebe, die den Anbau wagen: „Der Markterlös liegt bei über 80 Euro und ist vom konventionellen Marktpreis völlig unabhängig“, berichtet Andreas Engemann: „Bei einer Ernte von 30 Dezitonnen pro Hektar ergibt sich ein Markterlös von 2.400 Euro“, rechnet der Landwirt, „das muss ich mit anderen Kulturen erst mal hinkriegen. Die Engemanns fingen auf ihrem Bioland-Betrieb vor fünf Jahren mit „zehn bis zwanzig Hektar“ Sojabohnen an, wie Engemann-Mitarbeiter Alexander Krahn berichtete. Inzwischen haben die Brüder über 150 Hektar Sojabohnenanbau unter Vertrag und würden das sehr gerne noch ausbauen. Mit im Boot bei der Vermarktung ist Jan Wittenberg, der die Sojabohne in Hildesheim zu Soja-Expeller („Sojakuchen“) verarbeitet. Dabei wird der Fettgehalt gesenkt und der Eiweißgehalt erhöht sich auf 42 Prozent. Bioland-Bauer Wittenberg verarbeitete bis jetzt vor allem italienische Sojabohnen aus Bioland-zertifiziertem Anbau und freut sich jetzt, dass vermehrt deutsche Bio-Ware durch seine Presse läuft. Der Abgabepreis für italienischen oder deutschen Sojakuchen ist bislang gleich: Rund 110 Euro zahlen Bio-Futtermühlen oder Landwirte für die Dezitonne. Qualität hat ihren Preis. Die großen Bio-Futtermittelwerke, so war am Rande des Feldtages zu hören, kaufen da lieber Bio-Sojakuchen aus Indien oder China: der kostet hierzulande 60 bis 70 Euro. Sogenannter „EU-Bio-Soja-Presskuchen“ aus Rumänien wird ebenfalls sehr preisgünstig angeboten. „Da geht was“ Eines wurde auf dem Feldtag deutlich: Der Markt für einheimisches Bio-Soja ist da. Der Anbau ist hierzulande möglich, zumindest auf besseren Standorten. Die Vegetationszeit ist zwar kurz, doch es gibt angepasste Sorten. Der erfolgreiche Bio-Soja-Anbau im Wendland, in Thüringen und nun auch in der Warburger Börde spricht für sich. „Da geht was“, war der Eindruck des Feldtages. Nun werden weitere Mutige gesucht, die der Diva namens Sojabohne eine Bühne bauen wollen.
31.10.2014
Von: Martin Nolte, Biobauer aus Nordrhein-Westfalen