„Ich erkenne einen neuen Weg“

Interview mit Dr. Jürgen Metzner, Geschäftsführer des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL) zur GAP Der DVL ist Dachverband der 188 Landschaftspflegeorganisationen in Deutschland. Die Philosophie des DVL ist die gleichberechtige Kooperation von Landwirtschaft, Naturschutz und Politik. Besonders verpflichtet fühlt sich der DVL den Landwirt:innen, welche Nutzung und Wertschöpfung mit Klimaschutz und dem Erhalt von Lebensräumen verbinden. Aus dieser Haltung heraus ist auch die Gemeinwohlprämie entstanden. Unabhängige Bauernstimme: Herr Metzner, wie bewerten Sie die sich abzeichnende Reform der GAP? Jürgen Metzner: Ich erkenne einen neuen Weg, der vom bisherigen Pfad klar abweicht. Am Abzweig steht ein Schild: „Zur gemeinwohlorientierten GAP“. Diesen Weg hat die EU für die Mitgliedstaaten angelegt. Hier sollten wir abbiegen, denn wir befinden uns in einer Sackgasse! Deutschland hat es versucht, war aber zu mutlos. Die ersten zaghaften Schritte haben zudem gezeigt, dass der neue Weg steinig wird – bevor wir weitergehen, empfehle ich festes Schuhwerk! Welche Steine liegen im Weg? Welche Schuhe sind geeignet? Die Herausforderungen sind bekannt: Schutz von Biodiversität, Klima, etc. bei gleichzeitiger Verbesserung der landwirtschaftlichen Einkommen. Die EU erweitert hierfür die Definition der landwirtschaftlichen Tätigkeit auf die Produktion von Gemeinwohlgütern. Dafür brauchen wir unsere landwirtschaftlichen Betriebe. Sie müssen wir fit machen, damit sie in die neue Produktionsform einsteigen und wirtschaftlich arbeiten können. Die neue GAP bietet den Mitgliedstaaten nicht nur viele Ausgestaltungsmöglichkeiten, sondern fordert auch konkrete Bewertungssysteme, um die ökologische Effektivität der GAP zu gewährleisten und Greenwashing zu verhindern. Diese Steine auf dem Weg sind nicht zu unterschätzen! Hier empfehlen wir zusammen mit der AbL die Einführung eines Punktesystems, der DVL nennt das Gemeinwohlprämie!
Wann kommt die Gemeinwohlprämie in Deutschland? Wenn man in den Koalitionsvertrag schaut, ab 2027. Das ist nicht besonders ehrgeizig, denn das Grundkonzept liegt praxisgeprüft auf dem Tisch. Die Agrar- und Umweltministerkonferenz, der Bundesrat – alle haben 2021 eine intensive Befassung mit der Gemeinwohlprämie befürwortet. Und auch die Zukunftskommission Landwirtschaft oder der Wissenschaftliche Beirat haben empfohlen, dem Wegweiser „Zur gemeinwohlorientierten GAP“ zu folgen. Ob wir 2028 dann „diese“ Gemeinwohlprämie oder eine andere Gemeinwohlprämie einführen, ist offen. Die Anpassungsfähigkeit des Modells an künftige neue Herausforderungen ist groß, wie es das Thünen-Institut positiv hervorgehoben hat. Welche konkreten Schritte muss das jetzt grün geführte BMEL unternehmen, damit es spätestens 2027 losgehen kann? Die Agrarministerkonferenz habe ich bereits angesprochen. Sie hat das BMEL mit einem Mandat für die Errichtung eines Arbeitskreises ausgestattet, der die Umsetzung der Gemeinwohlprämie prüft und vorbereitet. Wir empfehlen hier eine wissenschaftliche Federführung durch das Thünen-Institut. Wir erwarten, dass dieser Prozess bereits jetzt mit einem klaren Zeitplan hinterlegt wird. Parallel müssen 2022 im Nationalen Strategieplan weitere Stellschrauben Richtung Punktesystem nachjustiert werden. Hauptargument gegen die Einführung der Gemeinwohlprämie war bisher die knappe Zeit – die sollten wir jetzt nicht vergeuden und das „Wartejahr“ 2022 bereits nutzen. Die EU sieht für die Öko-Regelungen explizit auch „Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohles“ vor. Bisher ist in der deutschen GAP-Gesetzgebung davon nichts zu finden. Richtig! Tierwohl als zusätzliche Ökoregelung ist nicht berücksichtigt. Auch in der Gemeinwohlprämie zielen wir mit Maßnahmen wie der Vergütung von Weidetierhaltung nur indirekt auf das Tierwohl ab. Geschuldet ist das der Erkenntnis, dass nicht alle Maßnahmen erfolgreich über die Logik der Gemeinwohlprämie abzubilden sind. Das Maßnahmenset ist ein Kompromiss zwischen fachlich ambitioniert, betriebsorientiert und einfacher Verwaltung. Da haben wir bewusst Abstriche gemacht. Das Tierwohl ist im Punktemodell der AbL enthalten und auch Teil des Prüfauftrages der AMK. Agrarpolitik ist mehr als Umweltpolitik. Dies zeigt sich auch an der sozialen Verantwortung der GAP. Wie lässt sich diese in der Gemeinwohlprämie abbilden? Umgekehrt gedacht: Mit einer guten Umweltpolitik können wir die soziale Verantwortung der GAP stärken. Um unsere Umweltziele zu erreichen, brauchen wir Unternehmergeist, Diversifizierung und Know-how. Mit der Gemeinwohlprämie wollen wir den Betrieben die Möglichkeit geben, auf neuen Geschäftsfeldern Fuß zu fassen oder sich vielleicht auch unternehmerisch neu auszurichten. Denken Sie vielleicht an Betriebe auf Moorstandorten oder in Mittelgebirgen, die für sich in der herkömmlichen Marktorientierung wenig Perspektiven sehen. Die Bio-Verbände beklagen lautstark, dass der Öko-Landbau zu den Verlierern der aktuellen Reform gehört. Könnte die Gemeinwohlprämie Abhilfe schaffen? Es hakt augenblicklich an möglichen Doppelförderungen und die darf es nicht geben. Wenn wir z. B. den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel in den Öko-Regelungen vergüten, dann geht dies nicht zusätzlich über die zweite Säule. Ich denke, wir haben in der Gemeinwohlprämie den richtigen Weg gefunden, den Ökolandbau im neuen System abzubilden. Die Gemeinwohlprämie denkt eigentlich nicht in Säulen, sondern bewertet und entlohnt Gemeinwohlleistungen insgesamt. Da schneiden Öko-Betriebe in der Regel gut ab. Unseren Berechnungen zufolge könnten sie über ein Punktesystem folglich auch mehr Fördermittel akquirieren. Es zählt für mich zu den Rätseln dieser GAP-Reform, warum die Öko-Verbände das Potenzial der Gemeinwohlprämie bisher nicht erkannt haben.
Was wünscht sich der DVL für die neue Regierungs- und Förderperiode? Mit dem Bild vom Anfang gesprochen: Wir wünschen uns, auf dem neu ausgeschilderten Weg mit festem Schuhwerk zügig Strecke zu machen. Dafür braucht es viel Engagement, Mut und guten Willen – von Verbänden, von der Politik, in der Verwaltung und nicht zuletzt bei unseren Landwirtinnen und Landwirten. Der DVL ist mit einem Rucksack voller Marschverpflegung und festem Schuhwerk dabei. Vielen Dank für das Gespräch!
11.01.2022
Von: Phillip Brändle, AbL-Referent für Agrarpolitik

Jürgen Metzner Foto: DVL