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Nun auch amtlich: Schweinemarkt im Strukturbruch ++ Milcherzeugung am Scheideweg ++ Geflügelpest und ASP breiten sich aus

Nun auch amtlich: Schweinemarkt im Strukturbruch Was angesichts der katastrophalen Lage auf dem Schweinemarkt schon die Spatzen von den Dächern pfiffen, ist nun auch amtlicherseits festgestellt: die Zahl der Schweinehaltungen ist 2021 dramatisch eingebrochen. Gerade einmal 18.800 Betriebe beschäftigen sich noch mit Schweinezucht und Mast. Das sind 7,8% weniger als im Vorjahr und 40% unter dem Stand von 2011. Am schlimmsten trifft es die Ferkelerzeugung. Hier sind noch 6.300 Höfe in der Produktion, weniger als die Hälfte gegenüber vor 10 Jahren. Das hat die jährliche Viehzählung im November ergeben. Die Ergebnisse lassen auch eine spürbare Abnahme der Erzeugung in 2022 erwarten. Nur zum Vergleich: Der Schweinebestand hat mit 23,62 Mio. etwa den Stand von 1960 erreicht – damals bei etwa 1 Mio. Haltern. (Allein in Bayern gab es 1960 400.000 Schweinebetriebe, heute sind es 4.000 = 1%!) Natürlich ist die heutige Jahresproduktion wegen der viel besseren Zuwächse deutlich höher. Die Höchstzahl des Schweinebestands lag 1980 bei 35 Mio. Tieren. Dieser Strukturwandel auf den Höfen hat eine erhebliche Steigerung der Bestandseinheiten zur Folge. Inzwischen liegt der Durchschnitt pro Betrieb etwa bei 250 Sauen bzw. 1250 Mastschweinen, wobei laut Statistik erst Bestände ab 50 Mastschweine bzw. 10 Sauen gezählt werden. Die Dramatik des Strukturbruchs, also eines mehr als „normalen“ Wandels in der Produktion, lässt erahnen, welch ein Druck auf den Beteiligten der Branche liegt. Wenn man dann noch bedenkt, dass 80% der Schweine auf Vollspaltenböden stehen, die in den nächsten 10 Jahren weitgehend abgeschafft werden sollen, kann man sich vielleicht vorstellen, dass die Nerven vieler Landwirte blank liegen. 2022 wird ein entscheidendes Jahr sein, in der die Weichen gestellt werden müssen. Und dabei ist die Politik, besonders die neue Bundesregierung am Zug. Milcherzeugung am Scheideweg Nicht viel besser sieht es in der Milchviehhaltung aus. Die Zahl der Milchbäuerinnen und -bauern ist in Jahresfrist um 4,4% auf 54.787 gesunken. In der letzten Dekade gingen 37% der Milchhöfe verloren. Damit hält der durchschnittliche Betrieb heute 70 Milchkühe gegenüber 22 Kühen im Westen vor der Wiedervereinigung. Auch die Gesamtzahl der Tiere geht kontinuierlich zurück. Noch stehen 3,8 Mio. Milchkühe in den Ställen. 1990 lag ihre Zahl in West und Ost mit 7,4 Mio. fast doppelt so hoch. Dagegen ist die Milchproduktion wegen der gewaltig gestiegene Leistung pro Kuh von 24 Mio. auf 33 Mio. Tonnen gewachsen.
Der Markt boomt ...
Hier zeigt sich am Markt aber ein anderes Bild. Während die Milchproduktion in Deutschland leicht rückläufig und in Europa stabil ist, wuchs das globale Milchangebot um 1 bis 2%. Zugleich konnte der weltweite Handel mit Milchprodukten belebt werden, dass sogar in einigen Produktbereichen die Ware knapp wurde. Jedenfalls stieg in den ersten neun Monaten 2021 der Handel mit Käse um 8,6%, mit Milchpulver um 4%, mit Molkepulver um 9,5%. Einzig Butter wurde weniger verkauft, holte aber in den letzten Wochen kräftig auf. Insgesamt konnte der Markt in der zweiten Hälfte des Jahres nur knapp versorgt werden. Die Preise für Butter, Milchpulver und Käse stiegen an den Börsen drastisch teilweise um 20-40% an. Schon im April lag der Börsenwert aus Butter und Magermilchpulver um 30% über Vorjahr und blieb bei leichten Schwankungen stabil steigend. Käse und Butter beenden das Jahr mit Jahreshöchstpreisen.
... auch für die Erzeuger?
Nach sehr zögerlichen Entscheidungen der Molkereien zogen erst im letzten Quartal die Milcherzeugerpreise kräftig nach oben. Mit voraussichtlich ca. 35,5 ct/kg für 4% Fett und 3,4% Eiweiß stieg der Durchschnittspreis im Gesamtjahr 2021 um etwa 3 ct gegenüber Vorjahr an. Diese Steigerung ist aber allein auf die letzten Monate seit Herbst zurückzuführen. Marktkenner erwarten für den Dezember sogar ein Überschreiten der 40er-Marke bei einer Reihe von Molkereien. Offensichtlich gibt es eine gewachsene Spreizung zwischen einzelnen Abnehmern, so dass sich die Erzeuger verstärkt mit ihren Molkereien auseinandersetzen sollten. Über die fundamentalen Gründe dieser Entwicklung gibt es unter den Analysten verschiedene Ansichten. Die Zentrale Milchberichterstattung (ZMB) geht von stabilen Preisen für 2022 aus – wenn die Importe Chinas es gestatten. Ist es allein das begrenzte Angebot (trotz globalem Wachstum 2022 um 1%) oder eine weltweit wachsende Nachfrage oder ein Nachholen coronabedingter Marktverschiebungen? Für die Bäuerinnen und Bauern stellt sich verstärkt die Frage, ob der Preisanstieg am Ende des Jahres ein Hype oder aber eine dauerhafte Preisbelebung ist, die auch die gestiegenen Kosten ausgleicht. Und ob wieder einige die besseren Preise zum Produktionswachstum nutzen. Das neue Jahr wird zudem ein starkes Zeichen auf Tierhaltungsformen, neue Marktsektoren und Preisdifferenzierungen setzen und damit die Unsicherheiten erhöhen. Welchen Anteil die Milchviehhalter auf diesem Scheideweg haben, ist nicht entschieden und steht in diesem Jahr auf der Tagesordnung. Geflügelpest breitet sich aus Die Viren geben nicht nur im Alltag der Menschen weiterhin den Ton an. Während die Covid-Viren die politische und Gesundheitsdiskussion bestimmen und die Frage stellen, ob die Pandemie allein durch die Technik (Impfung) oder auch das menschliche Verhalten (Abstand, Masken usw.) bekämpft werden muss, weiten sich mit der hochansteckenden Vogelgrippe und der Afrikanischen Schweinepest andere Seuchenzüge aus. Sie gefährden zwar nicht das menschliche Leben, verlaufen aber für die Tiere tödlich. In Deutschland mehren sich die Fälle der hochpathogenen Geflügelpest in Nutztierbeständen. Besonders die Geflügelbestände in Niedersachsen, wo 49% des deutschen Geflügels konzentriert ist, sind immer stärker betroffen. In der Geflügelhochburg Vechta wurden jetzt in einem Betrieb 9500 Puten und in einem anderen 38.000 Legehennen gekeult. In Niedersachsen und NRW waren etwa 20 Betriebe betroffen. Das führte u.a. dazu, dass Russland die Einfuhr von lebenden Geflügel, Bruteiern und Geflügelprodukten aus diesen Regionen verweigert. Aber auch in anderen EU-Staaten häufen sich die Fälle, wie Agra-Europe meldet. Seit dem Ausbruch der Seuche Ende Oktober wurden in den Niederlande 445.000 Tiere getötet. In Frankreich wurden ebenfalls 15 Fälle bestätigt. Zuletzt in der Südwest-Region Gers, die für die Produktion von Stopflebern bekannt ist. Der Bestand wurde gekeult, weitere Entenhaltungen der Umgebung „präventiv geräumt“.
Auch ASP weiter im Vormarsch
Zugleich wurde öffentlich, dass in Deutschland bei über 3000 Wildschweinen die tödliche Afrikanische Schweinepest nachgewiesen wurde. In verschiedenen Landkreisen Sachsens und Brandenburgs ist der ASP-Typus weiterhin sehr aktiv. Staatssekretärin Bender, die Leiterin des neuen nationalen Krisenstabes Tierseuchen, forderte erhöhte Anstrengungen:“ Die ASP betrifft ganz Deutschland und wird nicht über Nacht verschwinden.“ Während sich die betroffenen Bundesländer wegen ihrer Maßnahmen loben, kommt Kritik aus der Schweinebranche, dass die Maßnahmen zu spät und zu ineffizient erfolgten. Umstritten bleibt die Aufstallpflicht von Freiland- bzw. Auslaufhaltungen. Manche sehen darin die größte Gefahr für die Ausweitung der ASP auch in Intensivregionen. Andere befürworten zwar verstärkte Biosicherheitsmaßnahmen wie Einzäunung und konsequente Hygiene, zweifeln aber an dem erhöhten Risiko durch Ausläufe, weil auch geschlossene Ställe betroffen seien. Der Überträger seien nicht nur vierbeinig (Wildschweine), sondern auch die Zweibeiner (Menschen).
04.01.2022
Von: hg

Die Zahl der Milchbäuerinnen und -bauern ist in Jahresfrist um 4,4% auf 54.787 gesunken. Foto: FebL