Saisonarbeit: Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte und kein Gesundheitsschutz

Ein jetzt von der Initiative Faire Landarbeit veröffentlichter Bericht „Saisonarbeit in der Landwirtschaft“ listet zahlreiche Verstöße im Umgang mit den Rechten von Saisonarbeiter*innen auf. Gewerkschaften fordern auch mit Verweis auf die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft die nächste Regierung auf, der Ausbeutung auf deutschen Feldern endlich ein Ende zu setzen. „Während der gesamten Zeit, als wir dort arbeiteten, mussten wir unsere Pässe als Kaution abgeben. Wir mussten Dokumente unterzeichnen, die wir nicht kannten. Man sagte uns, das sei der Arbeitsvertrag, ein eigenes Exemplar bekamen wir aber nicht. Der nach Akkordarbeit ausbezahlte Lohn lag bei Berücksichtigung der von uns tatsächlich geleisteten Arbeit bei zirka vier Euro pro Stunde. Die Arbeitgeber haben uns gedroht, angeschrien und haben uns auch körperlich attackiert." Das berichten zehn Rumänen, die bei einer Baumschule in Nordrhein-Westfalen beschäftigt waren, in dem Bericht. "Diese permanenten massiven Arbeitsrechtsverletzungen in der Saisonarbeit müssen endlich aufhören. Die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft der Bundesregierung sowie die Verständigung der Europäischen Union auf eine soziale Konditionierung der EU-Agrarsubventionen müssen jetzt von der neuen Bundesregierung konsequent umgesetzt und die staatlichen Kontrollen müssen massiv ausgebaut werden", erklärt Harald Schaum, Stellvertretender Bundesvorsitzender der IG BAU. Und Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, fordert: "Die nächste Koalition muss der Ausbeutung auf deutschen Feldern ein für alle Mal ein Ende setzen: Die sozial nicht abgesicherte kurzfristige Beschäftigung muss in allen Branchen auf wenige Tage im Jahr begrenzt werden. In der Landwirtschaft müssen staatliche Kontrollen ausgeweitet und Arbeitszeit verlässlich erfasst werden. Arbeitgeber müssen dazu verpflichtet werden, die Kosten für menschenwürdige Unterkünfte zu tragen. Schlechte Löhne, weniger Sozialschutz und niedrige Arbeitsstandards sind nicht einfach deshalb akzeptabel, weil die Beschäftigung nicht auf Dauer angelegt ist." Nach Einschätzung der Initiative ist die Zahl der Männer und Frauen, die nach Deutschland kommen, um in der Ernte von Spargel und Erdbeeren, aber auch von Feldgemüse, Gurken, Obst, Wein und anderem mehr zu arbeiten, weiterhin auf einem hohen Niveau. Im Jahr 2019 waren es zirka 274 000. Erstmalig seien in diesem Jahr über ein Drittstaatenabkommen etwa 180 Menschen aus Georgien für die Arbeit in der Landwirtschaft eingereist. Sehr hoch war in dieser Saison laut der Initiative der Anteil an Saisonarbeiter*innen – vor allem aus der Ukraine – die mit dem Status von Praktikant*innen und Ferienjobber*innen bei uns arbeiteten. Insgesamt 44 Mal rückten die Mitarbeiter*innen der Initiative raus aufs Feld und informierten über 2500 Saisonarbeiter*innen über ihre Rechte. Die Mehrzahl der Beschäftigten kam aus Rumänien, darüber hinaus wurden Menschen aus Polen, Kroatien, der Ukraine, Georgien und Bulgarien erreicht. Auffällig in dieser Saison war, dass die Initiative deutlich stärker bei ihren Aktionen durch die Arbeitgeber*innen behindert wurde als in den Vorjahren. Fehlende Sozial- und Krankenversicherung aufgrund von kurzfristiger Beschäftigung, unvollständige Lohnzahlungen und überhöhte Lohnabzüge, mangelhafte Unterkünfte und Verstöße gegen Infektionsschutzregelungen und den Arbeits- und Gesundheitsschutz, das sind die vier Hauptproblemgruppen, die sich bei den Aktionen und in der Beratungsarbeit herauskristallisiert haben. Eine positive Entwicklung stellen nach Ansicht der Intiative die aktuellen Tarifverträge im Gartenbau in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern dar. Hier konnte von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) erzielt werden, das für die unterste Lohngruppe, zu der die meisten Saisonbeschäftigten gehören, ab 1. Januar 2022 ein Brutto-Lohn von zehn Euro gilt. Durch ein neues Mitgliedschaftsmodell für mobile Beschäftigte wird zudem versucht, die gewerkschaftliche Organisierung von Saisonarbeiter*innen stärker zu fördern. Die Initiative Faire Landarbeit ist ein Bündnis von den gewerkschaftsnahen Beratungsstellen Faire Mobilität, dem Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen und dem Beratungsnetzwerk "Gute Arbeit" von Arbeit und Leben, der IG BAU sowie weiteren Organisationen. Ziel ist die Verbesserung der Situation von Saisonarbeiter*innen in der Landwirtschaft.