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„Tierwohl“-Milchstandard zum Schnäppchenpreis – Bauern aufpassen! ++ Immer mehr Fleisch mit Haltungsform im Handel ++ Schweineschlachtungen gehen zurück

„Tierwohl“-Milchstandard zum Schnäppchenpreis – Bauern aufpassen!
Nach Fleisch rückt nun auch die Milch in die Diskussion um Tierwohl. Der von Landwirtschaft und Handel getragene Standard Qualität Milch (QM), der in der Vergangenheit eher ein Mauerblümchendasein fristete, schwingt sich nun in Anlehnung an den Qualitäts- und Sicherungssystemen beim Fleisch zum Standardgeber auf, obwohl sein Nutzen beim Handel äußerst umstritten ist. Jedenfalls soll ab erstem Quartal 2022 Milch aus den vier Haltungsstufen des Handels in den Supermärkten und Discountern zu kaufen sein. In Stufe 2 mit dem niedrigsten Tierwohlstandard will QM mit seinen Merkmalen gelistet und als „QMplus“ gekennzeichnet sein. Zurzeit läuft QM als reine Standardmilch. Zu wenig Geld für die Milchbauern
Zur Diskussion steht ein Zuschlag von 1,2 ct/kg für Milch der Stufe 2. Das sehen nahezu alle als deutlich zu niedrig an. Außerdem sei noch nicht klar, ob die Molkereien ihren Aufwand, Milchströme zu separieren und getrennte Abholung zu planen, bezahlt bekommen. Selbst der Milchindustrieverband fürchtet, dass sich die Molkereien als erstes von dem Geld bedienen und der Rest beim Landwirt verbleibt. „Wenn die Molkereien ihre Sortier- und Sammelkosten nicht erstattet bekommen, belastet das das Milchgeld, leider ist das so einfach,“ bewertet ihr Geschäftsführer Heuser das Ansinnen. Die Molkereien beklagen zudem die kurzen Vertragslaufzeiten von 6 Monaten mit dem Handel, für die sich kein Umbau lohne. Auch die Aufsichtsräte von Arla und Friesland/Campina sperren sich. Manfred Graff, Landwirt und Aufsichtsrat bei Arla: “Ich befürchte, dass wir Milchbauern am Ende draufzahlen und keinen Mehrwert davon haben.“ Zwar sind die Tierwohl-Bedingungen nicht sehr hoch, aber für Betriebe mit alten Ställen oder Anbindehaltung wird es schwierig. Die Milchbauern scheinen mal wieder überhaupt nicht gefragt zu werden. Der Handel kungelt es mit der Milchindustrie aus. Branchenkenner kritisieren schon die völlig unzureichende Transparenz. Selbst die 1,2 ct/kg sind bisher reine Gesprächsgrundlage. Tierwohl zum Schnäppchenpreis für den Handel ist keine Perspektive für die Milchviehhalter. Immer mehr Fleisch mit Haltungsform im Handel
Der Handel nimmt zunehmend seine Haltungsform ernst und kennzeichnet Fleisch mit den entsprechenden Stufen. Die Edeka Regionalgesellschaft Minden Hannover hat laut eigenen Angaben ab sofort Schweine- und Geflügelfleisch und Wurstartikel des konventionellen Standards mit der niedrigsten Haltungsform 1 aus dem Sortiment genommen. Sie machen die Haltungsstufe 2 zum Mindeststandard für Bedientheke und auch für das abgepackte SB-Fleisch. Parallel betonen die Edekaner den kontinuierlichen Ausbau der Stufe 3 und 4 und eine stärkere Regionalität. Sämtliche Artikel der Marke „Bauerngut“ soll aus deutscher Herkunft stammen. Diese Kennzeichnung bezieht sich aber nur auf Mastschweine, während die Ferkelerzeugung außen vor bleibt. In den SB-Theken von Kaufland gibt es ab sofort erste Rindfleischprodukte der Haltungsform 3 (Außenklima) in Selbstbedienung (SB) und ergänzt wird das bestehende Angebot von Schweinefleisch im Rahmen der Handelsmarke „Wertschätze“, das hauptsächlich in Bedienung verkauft wird. Kaufland hat dort auch bereits seit Wochen die Haltungsform 1 (gesetzlicher Standard) ausgelistet. Die Jungbullen haben laut Kaufland 80% mehr Platz als die gesetzliche Vorschrift, Zugang zu Außenklimaställen und erhalten GVO-freies Futter. Für den Mehraufwand erhalten die Landwirte eine zusätzliche Vergütung in Form eines Tierwohl- und eines Futterbonus. Über die Höhe lässt sich Kaufland nicht aus. Erfahrungsgemäß wird sie individuell mit dem Landwirt ausgehandelt. Über das Tierwohlversprechen von ALDI Nord und Süd regt sich weiterhin eine intensive Diskussion. „Die Aldi- Offensive für Haltungsform 3 und 4 halte ich für reines Marketing,“ weiß der Schweineexperte der niedersächsischen Kammer, Hortmann-Scholten. Tatsache ist aber, dass Aldi seinen Einkauf mit Stufe 2 nach Frischfleisch auch auf Verarbeitungsprodukte erweitert und bis Anfang 2022 das Sortiment der Stufe 3 verdoppeln will. Zudem hat der Discounter im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen an die Parteien appelliert, die Transformation der deutschen Landwirtschaft ganz oben auf die politische Agenda zu setzen. „Mehr Tierwohl wollen alle, aber das ist nur mit einer Neuausrichtung der Agrarpolitik möglich. Dieses Vorhaben muss in der neuen Legislaturperiode umgesetzt werden.“ Unter anderem fordert Aldi, ein verpflichtendes Haltungskennzeichen voranzubringen, ein einfaches Baurecht für Tierwohl-Ställe und die Förderung des Öko-Landbaus. Schweineschlachtungen gehen zurück
Die Anzahl der Schweineschlachtungen ist in Deutschland in den letzten fünf Jahren deutlich reduziert worden. Wurden 2016 noch 59,5 Mio. Schweine zum Schlachthof gebracht, sanken die Schlachtzahlen in 2020 auf etwa 53,3 Mio. In diesem Jahr werden etwa 52 Mio. prognostiziert. Das ist ein Rückgang von fast 15%. Von Januar bis August dieses Jahres ist das Schlachtaufkommen gegenüber dem Vorjahr um 1 Million (= 2,8%) auf 34,5 Mio. Tiere gesunken. Dabei sind die Schweine aus deutschen Ställen nahezu konstant geblieben. Der Rückgang der hiesigen Schlachtungen ergibt sich aus dem geringeren Angebot von Schweinen aus EU-Nachbarländern, das um 54% sank. Nur noch 822.000 holländische oder dänische Schweine wurden angeliefert statt 1,79 Mio. in Vorjahreszeitraum. Von den Bundesländern lag Niedersachsen mit 11,4 Mio. Schlachtungen knapp vor den 11,3 Mio. in NRW. In der EU ist aber Deutschland das einzige Land mit Bestandsrückgängen. Besonders Spanien tut sich hervor mit wachsenden Schweinezahlen. Aber auch Spanien erlebt eine heftige Schweinekrise. Nachdem der Weg Richtung China deutlich eingeschränkt wird, weil viele Schlachthöfe keine Lizenz mehr bekommen haben und der Preis geradezu eingebrochen ist, steht auch Spanien vor Überschüssen, die sich im Dumping auf den europäischen Märkten niederschlagen, aber auch den Erzeugerpreis um ein Drittel seit Juni verfallen lassen. Mit 1,03 €/kg Lebendgewicht wurde das tiefste Oktober-Niveau seit 10 Jahren erreicht. Außerdem wehren sich immer häufiger Bürger gegen die rechtlich grenzwertige Gülleentsorgung und den Wasserverbrauch.