Auch zur Landwirtschaft wurde sondiert

Zum Abschluss ihrer Sondierungsgespräche haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP ein Papier vorgelegt, in dem auch die Landwirtschaft und der ländliche Raum Erwähnung finden. Während es nach Ansicht des BUND auf die konkrete Ausgestaltung im Koalitionsvertrag ankommt, spricht der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) mit Blick auf Formulierungen zum Pestizideinsatz von einer „Nebelkerze“. Das Sondierungspapier „umfasst nur die Themen, über die die Verhandlungspartner vor Eintritt in Koalitionsverhandlungen eine Vorfestlegung erreichen wollten. Nicht alle Themen wurden besprochen, nicht jedes Thema bis in die Einzelheiten diskutiert“, heißt es in dem Papier. Zum Bereich Landwirtschaft führen die Sondierer in dem zwölfseitigen Papier das Folgende aus: „Wir wollen wirksame Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt und der Natur ergreifen. Dazu unterstützen wir die Landwirtschaft, einen nachhaltigen, umwelt- und naturverträglichen Pfad einzuschlagen; Ziel ist gleichzeitig, ein langfristig auskömmliches Einkommen für die Landwirtinnen und Landwirte zu sichern. Wir wollen die Bäuerinnen und Bauern darin unterstützen, die Nutztierhaltung tiergerecht umzubauen. Für Transparenz beim Einkaufen soll eine Haltungskennzeichnung sorgen. Wir wollen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf das notwenige Maß beschränken. Pflanzen sollen so geschützt werden, dass Nebenwirkungen für Umwelt, Gesundheit und Biodiversität vermieden werden.“ Und zum ländlichen Raum heißt es: Wir wollen für gute Lebensbedingungen in Stadt und Land sorgen. Gerade in den ländlichen Räumen gilt es, die Daseinsvorsorge zu stärken. Bürgerinnen und Bürger sollen ihren Alltag in ihrer Region gut leben können – von der Arbeit übers schnelle Internet bis hin zu guten Verkehrsanbindungen, vom Einkaufen über den Arztbesuch bis hin zum Sport. Wir wollen dafür sorgen, dass notwendige Investitionen (zum Beispiel in schnelles Internet oder Mobilität) insbesondere dort angepackt werden, wo der Nachholbedarf am größten ist.“ Einen Schwerpunkt legt das Papier auf den Klimaschutz. Dazu heißt es in dem Papier unter anderem: „Wir werden das Klimaschutzgesetz noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickeln und ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen auf den Weg bringen. Alle Sektoren werden einen Beitrag leisten müssen: Verkehr, Bauen und Wohnen, Stromerzeugung, Industrie und Landwirtschaft. Die Einhaltung der Klimaziele werden wir anhand einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung überprüfen.“ Für die Windkraft sollen 2 Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden. Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten „die Regel“ werden. Das Brennstoffemissionshandelsgesetz und der europäische Emissionshandel sollen im Sinne des EU-Programms „Fit für 55“ überarbeitet und die Finanzierung der Umlage gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) über den Strompreis so schnell wie möglich beendet werden. Der Kohleausstieg soll vorgezogen werden. Auf dem Länderrat der Grünen, der den Weg zu Koalitionsverhandlungen für die Grünen freigab, erklärte der agrarpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling, mit Blick auf das Sondierungspapier: „Wir haben erst einen kleinen Teil des Weges geschafft, das muss uns eigentlich klar sein. Es stehen noch harte Verhandlungen bevor und jetzt geht es in die Details. Wir haben Überschriften formuliert, aber gerade in dem Bereich, für den ich stehe, in der Agrarpolitik, da haben wir noch einiges vor uns in harten Verhandlungen.“ BUND: Im Koalitionsvertrag wichtige Punkte nachlegen
"Ob das Ergebnis der Sondierungsgespräche von SPD, Grüne und FDP eine Grundlage für eine nachhaltige Politik darstellt, wird auf die konkrete Ausgestaltung im Koalitionsvertrag ankommen“, kommentiert der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt das Sondierungsergebnis. Aus klimapolitischer Sicht sei zu begrüßen, dass alle Parteien die Notwendigkeit anerkennen, dass der Kohleausstieg und der naturverträgliche Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden muss. Auch ein rascher Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor Anfang der 2030er-Jahre markiere eine wichtige Wegmarke auf dem 1,5-Grad-Pfad. „Bei den Koalitionsverhandlungen müssen nun wichtige Punkte nachgelegt werden: Unter anderem ein Moratorium für den Bau neuer Fernstraßen, Energiesparziele, eine Strategie, die Flächenversiegelung zu bremsen und eine Absicherung des Naturschutzrechtes bei der Planungsbeschleunigung. Die Landwirtschaft muss so gestaltet werden, dass Klima- und Biodiversitätsziele erreicht werden. Für den Umbau der Nutztierhaltung braucht es eine verbindliche Finanzierung. Auch ein wirksamer CO2-Preis gekoppelt mit einem Bürger*innengeld muss festgeschrieben werden", so Bandt. BÖLW: Es braucht eine Systemüberholung
„In Deutschland werden zu viele Pestizide gespritzt. Artenvielfalt, Böden und Gewässer leiden darunter. Die sondierenden Parteien haben sich jetzt darauf geeinigt, Pestizide auf ‚das notwendige Maß‘ zu begrenzen. Leider ist das eine Nebelkerze. Und mit Nebelkerzen rettet man kein einziges Insekt“, kommentiert Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), das Ergebnis der Sondierungen. „Bereits seit 2009 sollen Pestizide laut Gesetz nur im ‚notwendigen Maß‘ gespritzt werden. Bewirkt hat das leider nichts, wie die Zahlen zeigen. Allein 2019 wurden 27.496 Tonnen Pestizide in der Bundesrepublik abgesetzt. Die Umsetzung der gesetzlichen Pflanzenschutzvorgaben wird auf den Betrieben nur alle 50 bis 75 Jahre kontrolliert. Und nur jeder siebte Betrieb hält sich nach Expertenschätzungen an die Vorgaben“, so Röhrig. Wer Arten wirklich schützen wolle, müsse dafür sorgen, dass gesetzliche Vorgaben umgesetzt und kontrolliert werden. Pestizidabgaben würden den Bäuerinnen und Bauern Anreize bieten, weniger zu spritzen. Deshalb empfehle die Zukunftskommission Landwirtschaft auch marktwirtschaftliche Instrumente für den Umbau des Sektors. „Wichtig ist auch, dass die neue Regierung nicht die Fehler der letzten 16 Jahre wiederholt und Landwirtschaft, Lebensmittelherstellung, -Handel und Ernährung weiter einzeln denkt. Die ganze Wertschöpfungskette braucht eine Systemüberholung. Das Ziel: Resilienz. Kongruente Politik ist gefragter denn je. Sonst werden Ökologie und Ökonomie nie Hand in Hand gehen. Im Ökolandbau sind chemisch-synthetische Pestiziden verboten. Auf 95 % der Bio-Flächen wird in der Regel gar nichts gespritzt. Kontrolliert werden Bio-Betriebe jedes Jahr", so der BÖLW-Geschäftsführer abschließend.