Zehn Agrar- und Umweltverbände appellieren an sondierende Parteien: Zukunftskommission Landwirtschaft umsetzen!

Zu Beginn der Sondierungsgespräche zur Bildung der neuen Bundesregierung haben insgesamt zehn Agrar- und Umweltverbände gemeinsam an die Parteien appelliert, die in der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) errungenen Kompromisse auch in den Sondierungsgesprächen und in einer Koalitionsvereinbarung zu berücksichtigen. Im Interview mit Agra-Europe (AgE) erläutert der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Werner Schwarz, als ein Vertreter der den Appell unterstützenden Agrarverbände, die Bedeutung der gemeinsamen Positionierung mit den Naturschutzverbänden und sieht darin auch eine Stärkung der Position gegenüber der Politik. Von der Politik erwartet er in dem Interview unter anderem auch eine „offene Haltung“ gegenüber den Neuen Züchtungstechnologien. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft will Politik und Verbände nicht an ihren Worten zur ZKL sondern ihren Taten messen. Der von den zehn Verbänden veröffentlichte gemeinsame Appell besteht aus den nachfolgenden Äußerungen der Vertreter:innen der Verbände. Aus Sicht von Prof. Dr. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), ist die Politik gefragt: „Wenn gleichzeitig Höfe und Insekten sterben, wenn gleichzeitig Landwirt:innen und Naturschützer:innen auf den Straßen stehen und wenn eine Politik jedes Jahr Umwelt- und Gesundheitsschäden im dreistelligen Milliardenbereich verursacht, ist klar: Die neue Bundesregierung muss umsteuern - und zwar grundlegend. Vor vier Monaten haben wir gemeinsam in der Zukunftskommission Landwirtschaft ein Konzept zur Rettung von Höfen und Natur vorgelegt. Die Sondierungen der neuen Koalition für die Landwirtschaft sollten somit nach zwei Worten beendet sein: ZKL umsetzen." Der Vize-Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) Werner Schwarz sieht nur in einer kompletten Umsetzung der ZKL Zukunftsperspektiven für die Landwirtschaft: „Ohne eine zukunftsfähige Landwirtschaft sind die Herausforderungen nicht zu bewältigen. Dazu braucht es Wertschätzung, Wertschöpfung, wirtschaftliche Tragfähigkeit und Perspektive für die Landwirtschaft. Deshalb müssen die Empfehlungen der ZKL in Gänze umgesetzt werden.“ Die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend (BDL) Kathrin Muus nimmt die Parteien in die Pflicht, die Ergebnisse umzusetzen: „Die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft sind aktueller denn je. Sie müssen umgesetzt werden - für Planungssicherheit und langfristige Perspektiven von Junglandwirt:innen heute und in Zukunft, für Klima, Ökologie und Biodiversität. Es liegt jetzt in der Hand der Menschen, die für die nächste Bundesregierung sondieren. Sie müssen die Weichen entsprechend der ZKL-Empfehlungen stellen, damit Landwirtschaft in Deutschland Zukunft hat. Das muss ein Schwerpunkt der anstehenden Verhandlungen sein und im Koalitionsvertrag der künftigen Regierungsparteien verankert werden.“ Myriam Rapior, Mitglied im Bundesvorstand der BUNDjugend, pflichtet bei: „Wir jungen Menschen brauchen die Gewissheit, dass unsere Lebensmittel ohne schädliche Wirkungen auf das Klima und die Artenvielfalt produziert werden. Unser Landwirtschafts- und Ernährungssystem muss dringend zukunftsfähig werden, sodass planetare Grenzen gewahrt und Höfe gesichert werden. Entsprechende Maßnahmen der Bundesregierung sind längst überfällig. Die ZKL hat sich auf gemeinsame Zukunftsvorstellungen für die Landwirtschaft verständigt. Sie sollten in den kommenden Koalitionsverhandlungen einen hohen Stellenwert erhalten." Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), fügt hinzu: „Der Umbau auf dem Acker und in den Ställen kann nur gelingen, wenn die Landwirtschaft dabei von der Gesellschaft unterstützt und ihre gesellschaftlichen Leistungen honoriert werden. Daher brauchen wir ein staatlich begleitetes Umbauprogramm für die Nutztierhaltung sowie eine verbindliche Pestizidreduktionsstrategie zum Schutz der Biodiversität. Ebenso wichtig ist, dass die Politik die Rahmenbedingungen für faire Preise für Erzeugerinnen und Erzeuger verbessert.“ Der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) Hubertus Paetow ergänzt: „Das wirklich Neue am ZKL-Bericht sind die Bereitschaft der Agrar- und Ernährungswirtschaft zur ökologischen Transformation und die Bereitschaft der gesamten Gesellschaft, diese Transformation ökonomisch zu ermöglichen - sowie die Übereinkunft, dass das eine ohne das andere nicht geht.“ Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), hält schnelles Handeln für dringend geboten: „Ich erwarte, dass sich die neue Bundesregierung klar an den Empfehlungen der ZKL orientiert. Andernfalls befürchte ich eine noch stärkere Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten.“ Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes (DTB), macht klar: „Klimaschutz geht nicht ohne Tierschutz, Landwirtschaft geht nicht ohne ein Mehr an Tierwohl. Die einstimmigen Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft sind für die potenziellen Koalitionäre eine stabile Grundlage, um die für die Umsetzung notwendigen Instrumente, von Ordnungsrecht bis zu Anreizsystemen und Förderpolitik, rasch auf den Weg zu bringen. Weniger Konsum tierischer Produkte, einhergehend mit sinkender Produktion und anerkennend der auskömmlichen Bezahlung der Landwirte für ihre Leistungen auf diesem Weg, ist der Schlüssel. Die heutige gemeinsame Botschaft der Verbände aus unterschiedlichen Interessenslagen muss den Koalitionären nochmals klar machen: Es muss vorangehen." Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbunds Deutschland (NABU), betont: „Die Landwirtschaft muss zukunftsfähig werden - für die Produktion unserer täglichen Lebensmittel und für lebendige, artenreiche Agrarlandschaften. Um die biologische Vielfalt zu erhalten und zu schützen, benötigen wir Strukturelemente und unbewirtschaftete Flächen. Damit Landwirtinnen und Landwirte gut leben können, müssen sie für Klima-, Natur-, und Umweltschutzmaßmahnen fair honoriert werden. Die kommende Bundesregierung trägt Verantwortung, die Zukunft der Artenvielfalt und der landwirtschaftlichen Betriebe zu sichern." Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz, WWF Deutschland, sieht die kommende Bundesregierung in der Pflicht: „Es kommt jetzt auf die künftige Bundesregierung an, den breiten Konsens der Zukunftskommission Landwirtschaft in politisches Handeln zu überführen. Sie muss starke Anreize setzen und die Förderpolitik der EU und des Bundes auf Klimaschutz, Artenvielfalt sowie eine zukunftsfähige und attraktive Landwirtschaft ausrichten." Schwarz: Zusammenarbeit fortführen
Im Interview mit Agra-Europe erklärt der Vizepräsident des DBV, Werner Schwarz, zur Bedeutung der Zusammenarbeit von Agrar- und Umweltverbänden: „Ich halte es für ganz wichtig, dass Schützer- und Nutzerverbände gegenüber der Politik mit einer Stimme sprechen und ihre Erwartungen an eine Bundesregierung zum ersten Mal gemeinsam formulieren. Das verschafft ihnen erheblich mehr Gewicht, als wenn beide Seiten wie bislang üblich ihre Anliegen getrennt vorbringen.“ Auf die Frage, ob das nicht die Gefahr berge, dass die landwirtschaftlichen Belange zu kurz kommen, wenn ihre Forderungen bereits in Kompromissen bestehen, sagt er: „Das Gegenteil ist der Fall. Weil wir uns in der Zukunftskommission Landwirtschaft verständigt haben, stärken wir unsere Verhandlungsposition gegenüber der Politik. Im Übrigen weise ich darauf hin: Der Abschlussbericht der ZKL enthält keine Kompromisse, sondern Konsense.“ Als konkreten Punkt des politischen Handelns, an dem die neue Regierungskoalition nach Ansicht von Schwarz „ihren ernsthaften politischen Willen demonstrieren kann“, nennt der DBV-Vize den Umgang mit den Neuen Züchtungstechniken. „Ich weiß um die Schwierigkeit dieses Themas. Ich erhoffe mir aber schon ein Signal, dass diese Technologie für die Landwirtschaft eine realistische Option darstellt und Eingang in die Praxis finden kann, wenn zwei Bedingungen gegeben sind: Rückholbarkeit und Wahlfreiheit“, so Schwarz. AbL: An den Taten messen
Die AbL setzt nach dem Blick auf das auch von ihr begrüßte Ergebnis der Zukunftskommission und die notwendige Transformation des Agrar- und Ernährungssektors jetzt auf die erforderlichen konkreten Schritte und Maßnahmen. "Wir stehen vor großen Veränderungen in der Landwirtschaft, bei denen gerade wegen der ruinösen Preissituation viele bäuerliche Betriebe wirtschaftlich mitgenommen werden müssen. Die AbL wird die politisch Verantwortlichen nicht nur an ihren Worten über den ZKL-Bericht sondern an ihren Taten messen, das gilt auch für die Verantwortlichen in den Verbänden," so Georg Janßen, AbL-Bundesgeschäftsführer.