Patente auf „Neue Gentechnik" bedrohen traditionelle Züchtung

Europa steht vor der Erteilung von hunderten neuen Patenten auf Saatgut. Auch ZüchterInnen, die keine Gentechnik anwenden wollen, werden dabei zunehmend durch Patente auf die „Neue Gentechnik" (u.a. Gen-Schere CRISPR/Cas) bedroht. Gegen diese Entwicklung hat die Allianz "Keine Patente auf Saatgut!" mit der Übergabe von 38 leeren Bierflaschen an das Europäische Patentamt (EPA) in München protestiert. 38 Flaggen in den Flaschen repräsentieren die Vertragsstaaten des EPA, deren VertreterInnen am Tag des Protestes an einem Treffen des Verwaltungsrates teilnahmen, der eigentlich für die korrekte Auslegung der europäischen Patentgesetze verantwortlich ist, das Problem bisher aber nicht lösen konnte. „Die leeren Flaschen sind eine Warnung an die VertreterInnen der 38 Vertragsstaaten, dass sie endlich das Verbot der Patentierung von konventionell gezüchteten Pflanzen und Tieren durchsetzen müssen", so Richard Mergner vom BUND Naturschutz in Bayern (BN), Allianz-Mitglied. „Wer Patente auf Pflanzen wie die Braugerste erteilt, könnte schon bald selbst von den Folgen betroffen sein. Diese Patente bedrohen die Vielfalt an Lebensmitteln insgesamt." Laut Europäischem Patentgesetz dürfen nur technische Verfahren patentiert werden. Dagegen ist die Nutzung von „im Wesentlichen biologischen Verfahren" nicht patentierbar. Das EPA aber setzt zufällige Mutationen mit Gentechnik gleich und hat auf dieser Grundlage auch bereits mehrere Patente auf konventionell gezüchtete Braugerste erteilt. „Das EPA hat mit der Gleichsetzung von Gentechnik mit zufälligen genetischen Veränderungen ein Scheunentor zur Umgehung der bestehenden Verbote geöffnet. In Reaktion vermischen die Konzerne in den Patentanträgen immer öfter technische und nicht-patentierbare Verfahren, um ihre Patentmonopole auch auf die traditionelle Zucht auszuweiten", sagt Verena Schmitt vom ebenfalls in der Allianz aktiven Umweltinstitut München. Im Juni 2021 hatte das EPA ein Patent auf Braugerste (EP 2373154) endgültig bestätigt und die Pflanzen zur technischen Erfindung erklärt. Dabei stammt die Gerste, die von der Firma Carlsberg zum Patent angemeldet wurde, aus herkömmlicher Züchtung und nicht aus gentechnischen Verfahren. Laut den europäischen Patentgesetzen sind ausschließlich technische Verfahren, wie sie in der Gentechnik eingesetzt werden, patentierbar. Das Patentamt ignoriert aber diese rechtlichen Vorschriften. Nach einem vom Präsidenten des EPA verfassten Dokument werden zufällige Mutationen gentechnischen Verfahren gleichgestellt. Diese Rechtsauslegung kam auch bei der Entscheidung über das Patent auf Gerste zur Anwendung. „Der Verwaltungsrat, der heute tagt, muss einen Dammbruch verhindern! Die derzeitige Rechtspraxis des EPA ist eine Einladung an Konzerne, sich Patente auf traditionelle Züchtung zu verschaffen und sich hunderte Patente auf Saatgut erteilen zu lassen, die tausende von konventionell gezüchteten Sorten betreffen können. Unsere Recherchen zeigen, wie Bayer, Corteva, BASF, die Kleinwanzlebener Saatzucht (KWS) und Carlsberg versuchen, die bestehenden Verbote systematisch zu umgehen", sagt Dagmar Urban von ARCHE NOAH, als Allianz-Mitglied ebenfalls Protestteilnehmende. Tatsächlich wird in vielen Patentanträgen gar nicht mehr zwischen Gentechnik und konventioneller Züchtung unterschieden. Stattdessen werden im Antrag viele Pflanzen mit bestimmten genetischen Eigenschaften beansprucht, unabhängig davon, mit welchen Methoden die Eigenschaften erzeugt wurden. Dabei wird unter anderem darauf verwiesen, dass man mit der Gen-Schere CRISPR/Cas theoretisch auch genetische Veränderungen herbeiführen kann, wie sie durch konventionelle Züchtung erreicht werden. Werden die Patente erteilt, erstrecken sie sich auf alle Pflanzen (oder Tiere) mit den beschriebenen Eigenschaften, unabhängig davon, wie sie erzeugt wurden. Wie die Patentanträge auf Gerste zeigen, sind die rechtlichen Unsicherheiten und die Kosten, die durch die derzeitige Situation verursacht werden, so groß, dass die konventionelle Züchtung neuer, verbesserter Sorten blockiert wird. Ökologische und konventionelle ZüchterInnen können so um den Erfolg ihrer jahrzehntelangen Arbeit gebracht werden. Die Allianz „Keine Patente auf Saatgut!“ hat zum Thema einen Bericht „Patente auf CRISPR& Co bedrohen die traditionelle Züchtung“ veröffentlicht.
16.10.2021
Von: FebL/PM

Protest vor dem Europäischen Patentamt (EPA) in München. Foto: Thomas Einberger, argum