Diplomatisch, ökologisch, besser machen

Es geht weiter in Sachen EU-Ökoverordnungsvorschlag

Man sei schließlich nicht auf einem Basar, frotzelte Jan Plagge, Bioland-Präsident, er lehne Verhandlungen und Detaildebatten ab. Auf einer Veranstaltung des Bundesverbands Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) im Juli zum Vorschlag der EU-Kommission für eine neue EU-Ökoverordnung, machte die gesamte Branche einmal mehr deutlich, dass sie diesen für völlig unakzeptabel halte und forderte eine Überarbeitung der geltenden Regelung. Als Adressaten für die zahlreichen Kurzreferate von Vertretern aus Verbänden, Handel, Verarbeitung und Kontrollstellen waren Politikvertreter geladen, die die Botschaft über Berlin nach Brüssel tragen sollen. Clemens Neumann wie aber auch Elisabeth Bünder aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, signalisierten bei aller Zustimmung zu der harschen Kritik der Biobranche am Verordnungsvorschlag, dass es schwierig werden wird mit der Zurückweisung in Brüssel. Man könne nicht fundamental ablehnen, müsse diplomatisch vorgehen, so Neumann. Bünders Einschätzung war, dass es „eine vollständige Ablehnung von keinem anderen Land“ geben werde. Zwar sollte sie sich irren, denn in der folgenden Ministerratssitzung in Brüssel forderte Österreich die Zurückweisung, blieb damit allerdings allein. Und so muss man eigentlich die vielen inhaltlichen Argumente, die auf der Berliner BÖLW-Veranstaltung als Beweise für die Ablehnung dienen sollten, längst als Einstieg in eine Debatte um Änderungen nehmen. Denn dass es vieler Änderungen seines ursprünglichen Vorschlags bedarf, daran ließ sogar Urheber Agrarkommissar Dacian Ciolos nach dem Ministerrat keinen Zweifel, er sei auf Ausgleich bedacht und werde sich überzeugenden Argumenten nicht verschließen, ließ er verlauten.

Vision Ökologisierung Die deutsche Bioszene hadert am meisten mit der geplanten Einführung von verpflichtenden Rückstandskontrollen in Bioprodukten. Wobei, so Naturland Getreidevermarkter Jörg Große-Lochtmann auf der Veranstaltung in Berlin, sich faktisch gar nicht so viel ändern werde. Längst beproben die großen konventionellen Abnehmer selbst oder erwarten das. Aber, so Große-Lochtmann, es werde dramatisch werden, wenn es dann um haftungsrechtliche Fragen gehe. Gleichzeitig eröffne sich die Möglichkeit einer politischen Diskussion: Angekündigt ist ein öffentlicher Topf, aus dem Bauern und Bäuerinnen entschädigt werden könnten, wenn deren Produkte unverschuldet kontaminiert wurden. „Die öffentliche Hand muss darüber nachdenken, ob sie nicht bei der Zulassung von Pestiziden andere Maßstäbe anlegt als bisher“, eben weil sie nun selbst deren negative Auswirkungen finanziell kompensieren müsse. „Aber“, so schränkt Große-Lochtmann seine Vision einer Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft gleich wieder ein, „die Hoffnung, dass das passiert, ist gering.“ Europäisch liegt auf der Frage der Rückstandskontrollen nicht so ein großes Augenmerk wie in Deutschland. In Italien z.B. ist es schon nationales Gesetz, Bioprodukte auf Pestizide zu testen. Nun wird ausgerechnet die italienische Ratspräsidentschaft die Federführung in den weiteren Verhandlungen um den Verordnungsentwurf übernehmen. Bis Dezember soll etwas auf den Tisch. Auch Andrea Ferrante vom italienischen Ökoanbauverband AIAB ist kein Freund der Rückstandskontrollen, schwerer wiegt aber für ihn noch die Verlagerung der Kontrolle insgesamt raus aus der Ökoverordnung in die Kontrollverordnung und damit in die Hand staatlicher Institutionen und die seiner Ansicht nach falschen Änderungen bei den Drittlandskontrollen. In Bewegung Der Aspekt, bei dem die größte Einigkeit an Kritik in ganz Europa herrscht, steht auch bei Ferrante im Vordergrund: die weitgehende Abschaffung der Ausnahmeregelungen: Enthornung, Tierzukauf, Saatgut – „Wir brauchen erstmal eine eigene Züchtung“, so Ferrante. Er berichtet auch davon, dass in spanischen Ökoverbandskreisen die Teilbetriebsumstellung als Möglichkeit zur Hinführung zum Ökolandbau gesehen wird und somit erhalten bleiben sollte. Das sieht man in Deutschland schon wieder anders... „Die Spanier, wie auch wir, sind für eine neue Verordnung, weil die alte nicht gut funktioniert. Die neue Struktur ist gut“, erkennt Ferrante auch Positives, aber was dann die Kommission inhaltlich vorgelegt habe, sei nicht sinnvoll und durch die viel zu vielen delegierten Rechtsakte auch noch unklar. Es mangele an Transparenz. Die Kommission erhöhe ihre Kompetenzen, kritisiert auch Marco Schlüter von der IFOAM EU-Gruppe, auch sie lehnt als Dachverband der europäischen Ökoanbauverbände den Vorschlag aus all den vielen genannten kritischen Punkten ab. Gleichzeitig macht Schlüter auch deutlich, dass politische Realität Offenheit erfordere, wenn etwas in Bewegung gerate, um Ziele zu erreichen.
08.09.2014
Von: Claudia Schievelbein, unabhängige Bauernstimme