Gentechnik laut Drehbuch

In einem Papier hat die Gentechnik-Lobby ihre Vorstellungen zur Gentechnikgesetzgebung formuliert und die EU arbeitet ab


Unsere Regierung ist über die Beteiligung von Gentechnik-Unternehmen am vorgeschlagenen Zulassungsprozess besorgt. Sie sorgt sich um das Kräfteverhältnis zwischen den Mitgliedstaaten, denen mit kleinerer Verwaltung, und den Gentechnik-Firmen. Unsere Regierung fragt sich auch, ob der Vorschlag nicht zu einer Flut an Zulassungen des Gentechnik-Anbaus führen würde, so die luxemburgische Regierung anlässlich der offiziellen Abstimmung des EU-Ministerrats zu den nationalen Verbotsmöglichkeiten. Bei der Abstimmung im Juli 2014 stimmten alle Regierungen zu, lediglich Luxemburg und Belgien enthielten sich.

Konzernmitsprache verhindern Auch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) stimmte für den Vorschlag und wertet ihn als „gesicherte rechtliche Grundlage”, um den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen national zu verbieten. Als problematisch bewerten neben der luxemburgischen Regierung dagegen auch verschiedene Nichtregierungsorganisationen den „griechischen Vorschlag” (s. Kasten). Bernd Voß, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), spricht von einem Paradigmenwechsel und einem Vorgeschmack auf das anvisierte Freihandelsabkommen EU/USA, TTIP. Bei dem Vorschlag werden Konzernrechte über die Selbstbestimmungsrechte der Mitgliedstaaten gestellt” – das lehnt die AbL ab. „Dieses Mitspracherecht von Konzernen in einen Gesetzestext aufzunehmen, ist bislang einmalig und würde einen stillschweigenden Paradigmenwechsel einleiten”, so Voß. Strategiepapier der Konzerne In einem ARD „Exclusiv”-Beitrag werden Ansinnen und Strategie der Konzerne im Bereich Gentechnik so zusammengefasst: „Die Gentechnik soll endlich den Durchbruch in Europa schaffen. In dem von GeneWatch ausfindig gemachten Strategiepapier des europäischen Dachverbands der Biotechnologie-Konzerne, EuropaBio, in dem Gentechnik-Firmen wie Monsanto, BASF, Bayer, Syngenta, KWS und Pioneer organisiert sind, legt der Verband dar, mit welchen Schritten er die europäischen Regierungen zu einer gentechnikfreundlichen Politik bringen will. Harald Ebner, grüner Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, kritisiert, dass Mitgliedstaaten ein Anbauverbot nur unter der Bedingung einer Zustimmung für eine europaweite Zulassung erreichen können: „So wird die Option für ein nationales Anbauverbot nur unter der Bedingung vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten nicht gegen die Anbauprodukte stimmen. Sprich europäisch zulassen und national verbieten. Damit hätte die Industrie Europa „geknackt”. Auch in anderen Bereichen schlug der Lobbyverband Maßnahmen vor, die zum Teil sogar schon umgesetzt sind: Die EU soll GV-Pflanzen für den Import und den Anbau zur Zulassung vorschlagen und diese genehmigen, wenn es keine qualifizierte Mehrheit gibt. Tatsächlich hat EU-Kommissar Borg im November 2013 den GV-Mais 1507 zur Zulassung vorgeschlagen. Zudem soll die Kommission gegen „illegale Verbote” der Mitgliedstaaten vorgehen. In Frankreich wurde das Verbot von MON 810 aufgehoben – die Regierung hat aber in diesem Frühjahr erneut ein Verbot ausgesprochen. Auch dem Wunsch der Lobby, dass ein Mitgliedstaat nach europaweiter Anbauzulassung nur dann ein Anbauverbot verhängen kann, wenn er dies schon während des Zulassungsprozesses in Phase 1 versucht hat, ist nachgekommen worden. Nulltoleranz beim Saatgut kippen? Ein weiterer wichtiger Schritt für die Industrie wäre der Wegfall der Nulltoleranz bei Saatgut. Das Drängen auf die Einführung von Schwellenwerten findet aber vornehmlich hinter den Kulissen statt. In Deutschland ist es vor allem der Bundesverband der Deutschen Pflanzenzüchter, der nicht müde wird, Schwellenwerte für Saatgut zu fordern. Neu ist das Engagement des Deutschen Raiffeisen Verbandes (DRV), der vor einer heterogenen Anbausituation in Europa warnt, wenn einzelne Mitgliedstaaten individuelle Verbote erlassen. Als Konsequenz fordert er einen „pragmatischen Umgang mit technisch unvermeidbaren Gentechnik-Spuren, der Festlegung von Toleranzgrenzen und einer Berücksichtigung der technischen Nachweisgrenze beim Saatgut”. Vor allem Verbraucher und viele Landwirte sehen dies anders. Ein Ende der Nulltoleranz im Saatgut, so die Befürchtung, wäre der Anfang einer schwelenden Kontamination unserer Lebensmittel. Daher fordern viele Verbände weiterhin: „Saatgut, die Basis unserer Lebensmittelerzeugung, muss gentechnikfrei bleiben!” Die nächsten Schritte Schon im September soll der Prozess um die Zulassungsverfahren auf EU-Ebene weitergehen. Nach dem Ministerrat muss sich das neu gewählte Europaparlament positionieren. Beim letzten Anlauf im Jahr 2011 hatte das Parlament weitreichende Forderungen zu nationalen Anbauverboten formuliert und den Prozess damit gestoppt. In einem offenen Brief fordert die gentenikkritische Bewegung die Mitglieder des Europaparlaments auf, die Rechtssicherheit der Verbote deutlich zu erhöhen, indem die Rechtsgrundlage auf Grundlage des Umweltrechts der EU erlassen wird. Zudem muss die Souveränität der EU und der Mitgliedstaaten gewährleistet bleiben und Verbote müssen jederzeit und ohne Angaben von „objektiven” Gründen möglich sein. Zudem fordern sie, das Vorsorgeprinzip beim Anbau von GV-Pflanzen zu stärken und eine unabhängige und verbesserte Gentechnik-Risikobewertung aufzubauen. (Brief s. Homepage Anlage AbL). Wer trägt die Konsequenzen? Parallel dazu läuft auch in Deutschland die Diskussion, auf welcher Ebene die Verbote national umgesetzt werden sollen ob bundesweit, auf Ebene der Bundesländer oder sogar in einzelnen Regionen. Die AbL hat die Agrarminister von Bund und Ländern aufgefordert, sich bei der anstehenden Agrarministerkonferenz für rechtssichere Anbauverbote einzusetzen, die bundesweit gelten. Denn die Bundesregierung muss, wenn sie sich auf europäischer Ebene nicht gegen den Anbau von GV-Pflanzen ausspricht, die Verantwortung tragen. Die Auseinandersetzungen mit Konzernen oder Gentechnik befürwortenden Landwirten auf Bundesländer oder einzelne Regionen abzuschieben, ist verantwortungslos.
08.09.2014
Von: Annemarie Volling, Netzwerk gentechnikfreie Landwirtschaft