Pflugschare zu Schwertern

Rechtsradikale besetzen vermehrt Themen der bäuerlichen sowie der Umwelt- und Naturschutzbewegung

Globalisierungskritik, die Ablehnung der Gentechnik und der Massentierhaltung - dagegen stehend eine bäuerliche Landwirtschaft mit regionalen Bezügen - sind Positionen und Themen, für die sich eine wachsende gesellschaftliche Bewegung interessiert und engagiert. Es ist eine Bewegung, die bunt ist und weltoffen und tolerant. Aber die gleichen Themen werden inzwischen vermehrt auch von einer anderen Seite der Gesellschaft besetzt: der braunen, intoleranten, menschenverachtenden. Es geht oft um Feinheiten, wenn die NPD im Landtag Mecklenburg-Vorpommern ein „Bekenntnis zu unserer gentechnikfreien Heimat“ fordert, ist die Fremdenfeindlichkeit, die darin auch liegt, nicht für jeden gleich zu sehen. Die baden-württembergische NPD-Kampagne „Ohne Bauer kein Brot“, in der sie „die Stärkung der heimischen Landwirtschaft als Schlüssel für gesunde Ernährung“ sieht und von der Politik fordert, dafür Sorge zu tragen, „dass die erhebliche Mehrzahl der zum Verkauf stehenden Lebensmittel aus eigenem Anbau stammt“, legt „besonderes Augenmerk auf die Einfuhr von fremdländischem Saatgut, das meist aus monopolistischen Großunternehmen stammt“. Zur „Wir haben es satt“-Demo in Berlin schrieb die NPD: „Die Nationale ist voll auf einer Linie mit den Verbänden“, zitieren aus AbL-Presseerklärungen und kritisieren lediglich, dass „dem Moloch EU die Verantwortlichen nicht den Kampf ansagen“, wenn es um die gemeinsame Agrarpolitik geht. Konzeptionelle Nähe Ein Trend der rechtsradikalen Szene ist offenbar, sich über diese Themenbesetzung verstärkt, weniger offensichtlich als bislang, als rechtsextrem zu erkennen zu geben. Diesen Tenor konnte man heraushören auf der jüngst gemeinsam von der evangelischen Akademie der Nordkirche, dem Bundesamt für Naturschutz und der Universität Rostock veranstalteten Tagung „Naturschutz und Rechtsradikalismus“. Bereits zum zweiten Mal setzten sich Wissenschaftler, Praktiker und Journalisten aus den Bereichen Naturschutz, Politologie und Sozialarbeit mit der „konzeptionellen Nähe“ auseinander, die es – so der Gedanke dahinter - zwischen Naturschutz und Rechtsradikalismus von Anbeginn der Naturschutzbewegung im neunzehnten Jahrhundert des vorigen Jahrtausends gibt. In der Zeit der industriellen Revolution wandten sich die frühen Naturschützer, meist Konservative aus dem bildungsbürgerlichen Spektrum, ab von den zerstörerischen Auswirkungen der Moderne und verfolgten ein restriktiv konservierendes Ideal für Naturräume, aber auch Kulturlandschaften. Invasive Arten wurden (und werden es zum Teil noch heute) als zerstörende Eingriffe in bestehende Ökosysteme gesehen, die abgewehrt werden müssen. So wurde die Blaufichte einst als Staatsfeind eingestuft, die relativ junge Einwanderung der Herkulesstaude als „Stalins Rache“ tituliert. Vorzugsweise durchsetzen sollte sich diese rigide Politik durch einen starken Staat, der jegliche Eingriffe von außen fernhält. Erst die wissenschaftliche Ökologie der jüngeren Zeit ließ die Erkenntnis zu, dass Ökosysteme durch Einwanderung lediglich erst einmal verändert werden. Und auch erst jüngere Geschichte ist die politisierte, eher linke Umweltbewegung, die Umweltzerstörung ablehnt aus einer Zukunftssorge auch für kommende Menschengenerationen heraus. Parallel mit der Naturschutzbewegung zu Zeiten der Industrialisierung, entwickelte sich auch die Bewegung der völkischen Siedler, deren Antwort auf wachsende Metropolen mit Enge, Schmutz, Krankheiten, zum Teil unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen in Fabriken und Industrieanlagen, die Rückbesinnung auf ein Leben mit und in der Natur war. Dazu passten heidnische Götter und germanisches Brauchtum, Vorstellungen, einem von der nordischen Natur gestählten überlegenen Menschenschlag anzugehören. Zu Blut und Boden im Nationalsozialismus ist es, merkt man, nicht mehr weit. Und das erste Naturschutzgesetz beschloss der starke Staat der Nationalsozialisten, der die Idee des Naturschutzes als Schutz der Volksheimat gut fand. Und heute? All das bietet reichlich „argumentative Anschlussfähigkeit für Rechte“, wie es der Politologe Samuel Salzborn auf der Tagung formulierte. Naturschutz könne, so sein Fazit, antidemokratisch sein, auch, wenn er nicht in bestimmter Hinsicht verhandelbar bleibe. Gleiches gilt sicherlich für eine bäuerliche, ökologische, regionale Landwirtschaft, für Gentechnik- und Globalisierungskritik und Tierschutz. Wird es eingebettet in eine Lehre von rassistisch oder ethnisch bedingter Ungleichheit und der Ablehnung eines Wertepluralismus, so wird es rechtsradikal. Wie das besonders geschickt geht, macht das seit einigen Jahren erscheinende Magazin Umwelt und Aktiv vor. Die Herausgeber wehren sich gegen die Einordnung als rechtsextrem durch den bayerischen Verfassungsschutz. Auf ihrer Homepage schreiben sie: „Wir werden nicht länger jenen Menschen das Thema Umweltschutz und Naturschutz überlassen, denen gar nichts an der Heimat liegt. Skrupellose Internationalisten werden in unserem Land von allen etablierten Parteien gefördert und hofiert, auch von denen, die behaupten, sich dem Umwelt- und Tierschutz verschrieben zu haben. Diese „Global Player“, wie man sie heute bezeichnet, machen unsere Heimat zu einem Spielball im internationalen Finanzhandel. Davon sind alle Menschen betroffen, gleich welcher politischen Gesinnung, gleich welcher Klasse. Der Bauer als moderner Leibeigener genauso wie der Verbraucher als uninformierter Konsument. Wir wollen ihnen aufzeigen, wie Tierschutz und Umweltschutz für fremde Interessen und Interessenten, die im Verborgenen agieren, zum Nachteil unserer Heimat und unseres Volkes instrumentalisiert werden.“ Instrumentalisierung ist alles, damit können auch aus Pflugscharen Schwerter gemacht werden.
06.07.2014
Von: Claudia Schievelbein, unabhängige Bauernstimme