Deutschland steht 2021 vor dem höchsten Anstieg der Treibhausgasemissionen seit 1990 - Zeit zu handeln

Mit dem voraussichtlichen Anstieg von Deutschlands Treibhausgasemissionen 2021 um rund 47 Millionen Tonnen CO₂ gegenüber dem Vorjahr steht die Bundesrepublik vor dem größten Anstieg von Treibhausgasemissionen seit 1990 – dem Referenzjahr, an dem internationale Klimabemühungen gemessen werden. Das zeigen Berechnungen von Agora Energiewende, die auf einer Analyse der Emissionsdaten von Energiewirtschaft, Gebäuden, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft im ersten Halbjahr 2021 basieren. Laut Agora liegen die Emissionen durch den Anstieg 2021 nur noch um 37 Prozent unter dem Niveau von 1990. Demnach würde Deutschland wieder deutlich hinter das Klimaziel 2020 von 40 Prozent Emissionsminderung zurückfallen. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) mahnt mit Blick auf diese Zahlen, angesichts massiv steigender Treibhausgasemissionen das Tempo bei der Energiewende zu erhöhen und ein Erneuerbares Beschleunigungspaket zu starten. Und auch nach Ansicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch unterstreicht die Agora-Studie die Notwendigkeit für sofortiges Gegensteuern. Vor diesem Hintergrund rufen die zu einem bäuerlichen Klimabündnis zusammengeschlossenen Organisationen Netzwerk Solidarische Landwirtschaft, Bündnis Junge Landwirtschaft (BJL), junge AbL und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ab dem 27. August 2021 zu einer großen und bundesweiten Klima-Schilder-Aktion auf den Höfen auf. „Im Wahljahr 2021 wird Deutschland den höchsten Anstieg der Treibhausgasemissionen seit 1990 verzeichnen. Das übertrifft selbst den Anstieg nach der Wirtschaftskrise 2009/2010", sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. 2010 waren Deutschlands Treibhausgasemissionen um rund 33 Millionen Tonnen CO₂ angestiegen. „Deutschland fällt 2021 sogar hinter sein 2020er-Klimaziel zurück, denn wir liegen nur noch 37 Prozent unter dem Niveau von 1990. Das zeigt: Der vermeintliche Erfolg von 40 Prozent Emissionsminderung im letzten Jahr war kein wirksamer Klimaschutz, sondern eine Eintagsfliege, bedingt durch Corona und Sondereffekte. 2021 stehen wir damit wieder an der Startlinie. Daher braucht es jetzt das größte Klimaschutz-Sofortprogramm, das es in der Bundesrepublik je gegeben hat.“ Mit einem Sofortprogramm müsse die nächste Regierung in den ersten 100 Tagen die entscheidenden Weichen für Klimaneutralität stellen. Dazu gehöre etwa ein vorgezogener Kohleausstieg sowie die Verdreifachung des Ausbaus von Windkraft- und Solaranlagen. Am 30. August 2021 will Agora Energiewende gemeinsam mit der Stiftung Klimaneutralität und Agora Verkehrswende ihren Vorschlag für ein Sofortprogramm für die ersten 100 Tage der nächsten Regierung der Presse vorstellen. Germanwatch: Ohne Sofortmaßnahmen drohen harte Einschränkungen für alle
„Deutschland hat dieses Jahr absehbar den größten CO2-Anstieg seit 1990, die Klimaziele drohen massiv verfehlt zu werden. Jetzt tritt der Fall ein, vor dem das Bundesverfassungsgericht gewarnt hat: Die knappe Zeit wird verspielt, so dass ohne Sofortmaßnahmen bald nur noch die missliche Alternative zwischen harter Wende mit Einschränkungen für alle und massiven Klimafolgen bliebe. Beides würde die Grund- und Freiheitsrechte stark einschränken“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Haupttreiber des Emissionsanstiegs ist die Kohleverstromung. Bals weiter: „Das Klimakabinett muss umgehend Maßnahmen ergreifen, um die Volllaststunden der dreckigsten Kohlekraftwerke zurückzufahren. Darüber hinaus müssen Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock jetzt noch vor der Bundestagswahl darlegen, wie sie Deutschland mit einem Klima-Sofortprogramm im nächsten Jahr wieder auf einen Pfad zum Erreichen der Klimaziele bringen wollen.“ Wer noch ernsthaft vom 1,5-Grad-Limit sprechen will, das in fast allen Parteiprogrammen steht, der oder die müsse dafür sein, den Kohleausstieg bis 2030 abzuschließen. „Wir erwarten von jeder Partei, die zur Bundestagswahl antritt, dass sie erklärt, wie ihre Marschroute für den notwendigen Strukturwandel aussieht. Der Wahlkampf muss zum Wettstreit der besten Ideen für die Bewältigung der Klimakrise werden“, so Bals. Ein wirksames Klimaschutzkonzept müsse alle Sektoren auf Kurs bringen – neben Energie vor allem auch Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und Gebäude. Christoph Bals: „Die Antworten müssen die Parteien jetzt konkret und wissenschaftlich nachvollziehbar liefern. Das politische Wettrennen ist eröffnet." BEE: Ein klimapolitisches Desaster
„Im Corona-Jahr 2020 wurde uns noch politisch verkauft, dass Deutschland sein Klimaziel – eine Treibhausgasminderung um 40 Prozent gegenüber 1990 – erreicht, heute ist aber klar, dass dieser vermeintliche Erfolg vor allem auf dem Produktions- und Reiserückgang in der Krise beruhte. Damit holen uns Klimaschutz-Versäumnisse der letzten Jahre wieder ein und verursachen eine Emissionssteigerung, die sogar über der der Wirtschaftskrise 2009/2010 liegt. Das ist ein klimapolitisches Desaster“, so die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie e.V. (BEE), Dr. Simone Peter. Dass der Anstieg auch durch ungünstige Witterungsbedingungen bei den Erneuerbaren Energien und dadurch einem verstärkten Einsatz von klimaschädigenden Braunkohlekraftwerken verursacht worden sei, mache einmal mehr deutlich, dass die Energiewende beschleunigt werden müsse. „Deutschland ist technisch und wirtschaftlich in der Lage, in allen Situationen Energie aus Erneuerbaren Energien bereit zu stellen, allein die politischen Rahmenbedingungen waren in den letzten Jahren so zögerlich, dass der ambitionierte Ausbau der früheren Jahre im Stromsektor gestoppt und die Wärme- und Mobilitätswende verschleppt wurde. Sollen die Ziele des neuen Klimaschutzgesetzes erreicht werden, braucht es jetzt endlich wieder Tempo bei der Energiewende. Zum einen müssen Subventionen in fossile Energieträger gestoppt werden, zum anderen ist in den ersten 100 Tagen ein Erneuerbares-Beschleunigungspaket auf den Weg zu bringen, das Hürden und Hemmnisse in Gesetzen sowie bei Flächen- und Genehmigungsbereitstellung beseitigt, den Energiemarkt nach den Bedürfnissen der Erneuerbaren ausrichtet und die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende wieder deutlich erhöht“, so Peter abschließend. Bäuerliches Klimabündnis will Zeichen für Klimaschutz setzen
Den dringenden Handlungsbedarf unterstreicht auch das bäuerliche Klimabündnis. „Jetzt erst recht! Drei Jahre Dürre in Folge, die Hitzewelle im Westen der USA und Kanada, eine dramatische Flutkatastrophe und die anstehende Bundestagswahl sind Anlass genug, in der Öffentlichkeit ein starkes Zeichen für Klimaschutz in der Landwirtschaft zu setzen. Seid dabei und zeigt der Öffentlichkeit „#AlleFürsKlima – Klimaschutz global und hier, für Boden, Wasser, Mensch und Tier“. Denn Klimaschutz geht uns alle an und ist dringender denn je!“ Konkret sollen an möglichst vielen Orten, auf möglichst vielen Äckern und Wiesen Schilder mit der entsprechenden Botschaft aufgestellt werden. Das genaue Prozedere der Klima-Schilder-Aktion ist auf der Homepage der AbL zu erfahren. Dort können auch noch bis zum 19. August Schilder (siehe nebenstehendes Foto) bestellt werden.
17.08.2021
Von: FebL/PM

Das bäuerliche Klimabündnis will mit einer Klima-Schilder-Aktion zum Handeln aufrufen. Foto/Montage: Brand