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Nach Streit: Familie Tönnies wieder ein Herz und eine Seele ++ VW ohne Currywurst – jetzt hilft nur noch die Arbeiterklasse ++ Edeka – die Gier lässt nicht nach ++ Bioschweinepreise ziehen an – konventionelle auf Talfahrt

Nach Streit: Familie Tönnies wieder ein Herz und eine Seele
Noch vor zwei Wochen ging durch die Gazetten, dass mindestens ein Teil der Familie Tönnies seine Anteile am Fleischunternehmen verkaufen wolle. Es wurden sogar schon Namen brasilianischer und taiwanesischer Konzerne gehandelt und über den Marktwert spekuliert. Und westfälische Landwirte sahen sich schon in den Fängen internationaler Börsenspekulanten. Nun heißt es: alles zurück auf Null. Die Unternehmen bleiben somit in Familienhand. Die Gesellschafter unterstreichen in einer Erklärung, "dass sie das Unternehmen weiter gemeinsam als Familienunternehmen in die Zukunft führen werden. Zudem erklären beide Gesellschafter-Stämme das Zerrüttungsverfahren für beendet."
Im Zuge der strategischen Überlegungen haben die Gesellschafter daher weitere Schwerpunkte zum Ausbau des Kerngeschäftes in Deutschland bestimmt. So liege der "Fokus in den kommenden Jahren auf den Themen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Tierschutz". Dabei werde der Ausbau neuer Geschäftsfelder wie etwa Tiernahrung oder pflanzliche Fleischalternativen eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Tönnies sei heute schon Marktführer im Bereich Bio und wolle sich vom Fleisch- zum Lebensmittelkonzern wandeln. VW ohne Currywurst - jetzt hilft nur noch ide Arbeiterklasse
Die legendäre Currywurst aus der VW-Kantine soll – wie der Spiegel berichtet – vor dem Aus stehen. 2019 hat VW 7 Mio. Currywürste verkauft – plus 550 Tonnen Ketchup. Alle Lieferanten (auch Neuland) bissen sich an diesem Produkt die Zähne aus. Keine fand die Gnade der Werktätigen. Sie musste aus der eigenen Fleischerei kommen. VW will nachhaltiger werden und setzt voll auf E-Autos bzw. E-Mobilität. Der Wandel wird aber auch auf die Ernährung in der Kantine übertragen. Laut einer Betriebsinformation soll das Betriebsrestaurant mit seinen 150 Rezepten nach dem Werksurlaub fleischfrei werden. Manchmal soll es Fisch geben. Die Mitarbeiter wünschten es so und weniger Fleischverzehr helfe der Umwelt. Aber – so der Spiegel – ähnlich wie bei Autos (Elektro und Verbrenner) fährt VW zweigleisig. „In der Kantine wenige Meter entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite wird es Currywurst weiterhin geben.“ Schon 2020 musste der Betriebsrat eingreifen, weil es die Kult-Wurst nur einmal die Woche gab. Aus Coronaschutzgründen sollte die Selbstbedienung eingeschränkt werden. Nach Protesten lenkte der Konzern zumindest teilweise ein. Noch sind die meisten Betriebsrestaurants geschlossen. Aber schon wird wieder Unmut laut. Der Marktbeobachter fragt sich, ob die Arbeiterklasse sich jetzt auch noch die äußerst beliebte Currywurst verbieten und durch vegetarische Alternativen ersetzen lässt. Es wäre Zeit, sich noch einmal zu erheben und die Betriebskantinen-Currywurst-Machtfrage zu stellen. Die Kraft hätten der Betriebsrat und die IG-Metall dazu. Edeka – die Gier lässt nicht nach
Der Markeneinkauf von Edeka steht vor einer Zäsur. Für die größten globalen Markenkonzerne der Industrie werden die Jahresgespräche nicht mehr national, sondern auf die Tochter Everest in Amsterdam übertragen, obwohl Edeka ein rein deutsches Unternehmen ohne Ableger im Ausland ist.
Nach Informationen der Lebensmittelzeitung geht es aktuell um rund 50 Lieferanten von internationalen Marken, also Konzernen wie Nestlé, Unilever, Coca-Cola oder Danone. Beteiligte schätzen den Wert des Einkaufsvolumens in Summe auf annähernd 10 Mrd. Euro.
Chef des Einkaufsbüros Everest, das zu 99,9 Prozent Edeka und zu 0,1 Prozent dem niederländische Online-Händler Picnic gehört, ist Gianluigi Ferrari, der als besonders harter und streitsüchtiger Verhandler berüchtigt ist und der schon als Boss der europäischen Händlerbündnisse Coopernic und Agecore seinen Hut nehmen musste und reichlich Konflikte mit Coca- Cola, Nestle, Kraft- Heinz usw. ausgetragen hat.
Seine Kernaufgabe seien Einkaufsverhandlungen, Vereinfachung des Konditionensystems, die Reduktion von Komplexität und die internationale Vergleichbarkeit, um nicht von Absprachen zu reden, die kartellrechtliche Konsequenzen haben könnten. Auch das deutsche Kartellamt hat Edeka im Auge, weil es Konditionenansprüche anlässlich der Übernahme von Real- Märkten angemeldet hatte. Die Industrie reagiert zurückhaltend auf das neue Konstrukt. Reduktion der Komplexität heiße in der Regel höhere Forderungen bzw. Widerstand gegen notwendige Preiserhöhungen, die aktuell anstünden angesichts der Steigerungen von Rohstoffpreisen, Logistik- und Personalkosten. Andere wiederum sind erbost über die Dreistigkeit des größten deutschen Händlers, der zugleich der größte Corona- Gewinner ist. Statt einer gewissen Großzügigkeit z.B. gegenüber den sich in einer schweren Krise befindlichen Landwirten presse man die Industrie, die es an die Erzeuger weitergebe. „Die wissen gar nicht, wohin mit dem Geldregen,“ ärgert sich ein Industrievertreter. Bioschweinepreise ziehen an – konventionelle auf Talfahrt
Die konventionellen Schweinepreise weiten sich zu einer Katastrophe aus und sinken auch in der laufenden Woche wieder um 5 Cent auf 1,37 €/kg. Damit fehlen etwa 30 bis 40 Euro pro Schwein für die Mäster. Noch stärker sind die Ferkelerzeuger gebeutelt. Der Ferkelpreis fällt für die laufende 32. Kalenderwoche um weitere 5 Euro auf unglaubliche 31 Euro. Kostendeckend wären mindestens 60 €. Die Folge ist, dass die Betriebsaufgaben verstärkt weitergehen. Die Stimmung unter den Schweinehaltern ist auf dem Tiefpunkt. Große Vorschläge der Borchert- Kommission, große Ankündigungen durch Aldi und Co. – aber selbst wenn davon einiges irgendwann in den nächsten Jahren umgesetzt wird, bleibt die Frage, wie die Betriebe bis dahin überstehen sollen. Denn nach Einschätzungen von Marktexperten sehen die Aussichten für die nächste Zeit schlecht aus – angesichts der Exportrestriktionen wegen der ASP, des Druckes der europäischen Überschüsse, der übervollen Kühlläger und der rotgefärbten Margen der Schlachthöfe. Dagegen entwickeln sich die Bio- Schweinepreise wieder deutlich nach oben. Nach Informationen des Aktionsbündnisses Bioschweine Deutschland haben im Juli diverse Vermarkter die Preise angehoben, so dass sie auf 3,85 €/kg und mehr ansteigen. Erste Erzeugergemeinschaften in Baden- Württemberg und NRW zahlen bereits 4 €/kg. Auch die Ferkelpreise ziehen an über 145 Euro. Auslöser sollen die jährlichen Verhandlungen mit dem Einzelhandel sein, der kurzfristig die wachsende Konsumnachfrage bedienen will und sich mit mittel- und langfristigen Verträgen Lieferungen sichern will. Die Aldi- Ankündigungen nach höherem Anteil an Bio in den nächsten Jahren haben sicherlich auch einen Teil zur Entwicklung beigetragen.
09.08.2021

Original VW-Teile. Foto: Archiv