Nach Fleisch jetzt Milch – die Haltungsform erreicht die Molkereiprodukte

Aldi’s „Tierwohlversprechen“ mischt nicht nur den Fleischmarkt auf, sondern gilt auch für Molkereiprodukte. In der Milchindustrie wird dieses Vorgehen genau beobachtet. Denn ab 2022 können Milchprodukte genau wie Frischfleisch entsprechend einer vierstufigen Haltungsformen-Hierarchie gekennzeichnet werden. Die Kennzeichnung soll zum Standard werden. Laut Lebensmittelzeitung (LZ) erwarten Molkereien und Milcherzeuger, dass der Lebensmittelhandel sich schnell von der Haltungsform (Hf) 1 verabschieden will. Die Ankündigungen von Aldi und Rewe, ab 2030 bei Frischfleisch nur noch die Hf 3 und 4 zu listen, hat deshalb unmittelbare Auswirkungen auf die Milchbranche. Weil Rindfleisch zu ca. 40% von Kühen stammt, müssen auch die Milchbauern ihre Betriebe anpassen. Entsprechende Kriterien sollen nun auch für Milchprodukte gelten. Das Haltungsformsystem des Handels ist inzwischen zur Standardorientierung beim Tierwohl geworden. „Das ist auch für die Kennzeichnung von Milch und Milchprodukten das erklärte Ziel. Bereits jetzt sind im Haltungsformsystem Kriterien für die Haltung von Milchvieh definiert, wenn es darum geht das Fleisch dieser Tiere für den Endverbraucher zu kennzeichnen," erklärt Robert Römer, Geschäftsführer der Initiative Tierwohl (ITW). Haltungsformkennzeichnung
Stufe 1 entspricht dem gesetzlichen Standard. Hierunter fallen alle QS-zertifizierten Rinder, bzw. Milchvieh aus dem QM-System. Stufe 2 umfasst Haltungen, die über dem gesetzlichen Standard liegen. Hier ist z.B. die Scheuerbürste für Milchvieh Voraussetzung. In Stufe 3 sollen Tiere Zugang zu einem Außenbereich haben. Für Rinder reicht ein Offenfrontstall aus. In Stufe 4 ist Weidegang in der Vegetationsperiode Pflicht. Hierunter fallen auch alle Biosiegel. Die Auditierung und Kontrolle der jeweiligen Haltungsform liegt weiterhin bei den bereits bestehenden Siegelgebern, wie beispielsweise QM-Milch. Nicht übersehen darf man aber, dass die Borchert- Kommission zurzeit einen erheblich differenzierteren Kriterienkatalog ausarbeitet, der über die Handelsanforderungen hinausgeht. Das betrifft vor allem die Anbindehaltung, aber auch Platzvorgaben im Stall usw. Molkereien in Habacht-Stellung
Natürlich stellt sich für die Landwirte sofort die Frage, wer die Auflagen bezahlt und wieviel davon tatsächlich beim Milcherzeuger ankommt. Und dafür reichen Beträge von ein bis zwei Cent, wie bisher für Auslauf oder Weidehaltung oft angeboten werden, bei weitem nicht aus. Notwendig seien eher 6 bis 8 ct/kg, wenn man den heutigen (schlechten) Milchpreis zugrunde legt. Matthias Bug, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Molkerei Hochwald, hält einen Preisaufschlag für mehr Tierwohl von sogar 10 ct/kg Milch für realistisch. Damit könnten die Kosten gedeckt werden und es würde den Erzeugern ein Anreiz geboten, überhaupt weiterzumachen. Am liebsten hätte Bug das Geld vom Markt: „Das ist der sicherste Weg.“ Landwirte äußern dazu sofort ihre Vorbehalte. Zuviel Geld ginge auf dem Weg vom Handel über die Molkerei bis zum Erzeuger verloren. Hochwald-Chef Detlef Latka sieht die Frage der Finanzierung ebenfalls noch nicht geklärt. Das geschlossene System, vom Landwirt über die Molkereien bis zum Einzelhandel, biete aber die Chance, verlorenes Verbrauchervertrauen zurückgewinnen, meint Latka. Schwarzwaldmilch stellt sich laut LZ ebenfalls auf höhere Tierwohlanforderungen ein. Der Aufschlag für Weidemilch wurde gerade ab Juli von 1,5 auf 2 ct/kg erhöht. Zugleich wurde das Aus für die ganzjährige Anbindehaltung beschlossen – jedoch erst für Ende 2029. Noch etwas mehr als 100 von 966 Milcherzeugern sind bei Schwarzwaldmilch davon betroffen. Sie lieferten aber nur 5 bis 6 Prozent der Menge, berichtet Geschäftsführer Markus Schneider, denn meist handele es sich um ältere Nebenerwerbslandwirte mit nur fünf bis höchstens 20 Kühen. Eine Umstellung der Haltungsform sei deshalb häufig betriebswirtschaftlich völlig unwirtschaftlich. Einen Abschlag beim Milchgeld, wie ihn etwa Berchtesgadener Land oder Hochland unter Hinweis auf die Kosten der getrennten Erfassung vornehmen, soll es bei Schwarzwaldmilch nicht geben. Denn Mitgliedern, die ihre Kühe noch so hielten, sei nichts vorzuwerfen, betont Schneider. Im Gegenteil, die Pflege ihrer wenigen Tiere sei oft vorbildlich. Trotzdem erscheine ihm zweifelhaft, ob der Anbindehaltung noch neun Jahre Zeit bleibe. Zu groß seien die Vorbehalte in Gesellschaft, Politik, Verbänden und im Handel.