Tierleid bei Langstreckentransporten: Problem erkannt, Lösung verschoben

„Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen jedes Jahr Millionen von Schafen und Rindern auf dem Land- oder Seeweg in die Türkei, den Nahen Osten, nach Nordafrika, Russland und in asiatische Länder aus. Trotz zahlreicher Bemühungen um eine verbesserte Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates und obwohl entsprechende bewährte Verfahrensweisen bestehen, kommen wir zu dem Schluss, dass das Tierwohl bei dieser Art von Langstreckentransporten nicht ausreichend gewährleistet werden kann.“ So steht es in einer gemeinsamen Erklärung der Niederlande, Deutschlands und Luxemburgs anlässlich der Tagung des EU-Agrarrates am 28. und 29. Juni 2021. Auf Vorstoß von Bundeslandwirtschaftsministerin wird ein EU-weites Verbot von langen Tiertransporten in Drittländer, auf der Straße und auf dem Seeweg, gefordert. Bis ein solches Verbot komme, müsse nach Ansicht von Klöckner die Kommission dringend für kurzfristige Verbesserungen sorgen. Grüne: Wahlkampf auf dem Rücken der Tiere
Nach Ansicht von Renate Künast, Sprecherin für Tierwohlpolitik und Ernährungspolitik und Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik der Grünen handelt es sich bei dem Vorstoß von Klöckner um „ein Wahlkampfmanöver auf dem Rücken der Tiere“. Noch in der vorangegangenen Woche habe die Ministerin ein Verbot von Tiertransporten in Drittstaaten im Bundesrat blockiert. „Die Ministerin inszeniert sich jetzt als Kämpferin für den Tierschutz in einem lange dauernden EU-Prozess, aber national blockiert sie schnell wirksame Schritte. Tagelange Transporte von lebendigen Tieren einzuschränken, ist seit vielen Jahren überfällig. Bei diesen Transporten ist nicht sichergestellt, dass Versorgungsstationen entlang der Route auch vorhanden sind. Bei Fahrten bis nach Marokko und in die Türkei sind die Tiere zudem extremer Kälte oder Hitze ausgesetzt. Es ist die Aufgabe des Bundeslandwirtschaftsministeriums, den Bundesländern zuverlässige Daten über die Versorgungssituation der Tiere entlang der Transportrouten bereitzustellen. Bundesministerin Klöckner hat es versäumt, diese Koordinationsrolle zu übernehmen“, so die zwei grünen Angeordneten. Es wäre ein wichtiger Schritt, Tiertransporte aus der EU in Drittstaaten gänzlich zu unterbinden. Es reiche jedoch nicht, dass Julia Klöckner nun auf EU-Ebene viel ankündigt, aber hierzulande nichts unternimmt, dass problematische Tiertransporte aus Deutschland heraus untersagt werden. Die EU-Transportverordnung werde jetzt schon mangelhaft kontrolliert. Tierschutzbund: Das Leid der Tiere wird weiter billigend in Kauf genommen
Als „weiteren Tiefpunkt in der Debatte zu Tiertransporten“ hatte zuvor der Tierschutzbund die Entscheidung im Bundesrat bezeichnet und dabei auch das Bundeslandwirtschaftsministerium kritisiert. „Wir bedauern, dass der Bundesrat die historische Chance vertan hat, für ein Tiertransportverbot in bestimmte Risiko-Drittstaaten zu stimmen - obwohl er am 12. Februar selbst noch die Bundesregierung aufgefordert hat, ein solches Verbot zu prüfen. Klar ist: Das BMEL hat kein Interesse daran, die Transporte zu stoppen - sonst hätte es selbst ein Verbot im Verordnungsentwurf verankert. Das Leid der Tiere wird weiter billigend in Kauf genommen“, erklärte der Präsident des Tierschutzbundes, Thomas Schröder. Positiv am Bundesratsentscheid zur Tierschutztransportverordnung bleiben seiner Ansicht nach lediglich einige marginale Verbesserungen, wie die Tatsache, dass Verstöße gegen Lüftungs- und Temperaturvorgaben als Ordnungswidrigkeit behandelt werden sollen. „Die Temperaturregelungen wurden verschärft, gehen aber nicht weit genug: Zwar sollen Tiere bei über 30 Grad nun nicht länger als viereinhalb Stunden transportiert werden, aus Tierschutzsicht ist ein Transport bei diesen extremen Temperaturen jedoch gänzlich abzulehnen. Die heutige Abstimmung ist ein weiterer Tiefpunkt in der Debatte zu Tiertransporten“, so Schröder am Tag der Bundesratsentscheidung.